Der traditionsreiche Büroartikelhersteller Biella-Neher befindet sich inmitten einer Transformationsphase. Die Verkäufe von klassischem Büromaterial, insbesondere Ordnern, gehen seit Jahren zurück. Bisher versuchte das Unternehmen, in dieser Branche europaweit als Konsolidator aufzutreten und kaufte Ordnerhersteller und -volumen in Österreich, Deutschland und Frankreich. Dennoch resultierte im Geschäftsjahr 2014 bei Umsätzen von 175.8 Mio. CHF gerade einmal eine schwarze Null. Im ersten Semester 2015 konnte das Unternehmen zwar wieder in die Gewinnzone vorstossen, hatte jedoch mit dem starken Franken zu kämpfen. Nun startet Biella mit der Gründung der Biella SimplyFind AG ein Start-up, das ein vollkommen neues Geschäftsfeld erschliessen und damit das klassische Geschäft ergänzen soll. Parallel dazu arbeitet die Gesellschaft an der Kosteneffizienz im Bereich des traditionellen Geschäfts. Wie gestern bekannt wurde, sollen nun der Standort Hyde in Grossbritannien geschlossen und die Vertriebsstruktur in Österreich gestrafft werden. CEO Marco Arrigoni erläutert im Gespräch mit schweizeraktien.net, wie Biella SimplyFind funktioniert und welchen Einfluss das neue Geschäft auf die Investitionen, den Gewinn und die Ausschüttungspolitik der Gesellschaft haben wird. Zudem bekräftigt er, dass der im November 2015 vollzogene Wechsel von der BX an den OTC-Markt trotz der starken Kursverluste richtig war.
Herr Arrigoni, Sie haben in dieser Woche den Start von Biella SimplyFind bekannt gegeben. Was genau wird Biella hier anbieten?
Wir bieten hier eine externe Archivierungslösung an, in der wir die physische Welt mit der digitalen Welt verknüpfen. Den Anfang machen die zwei neuen Angebotslösungen „Biella SimplyFind Archiv“ und „SimplyFind Scan„, die ab sofort in der Schweiz verfügbar sind. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen ihr physisches Archiv komplett zu Biella SimplyFind auslagern können. Unser Team verpackt, etikettiert und indexiert die physischen Dokumente und lagert diese in speziellen Archivboxen sicher bei uns ein. Mit der Lösung Biella SimplyFind Scan digitalisieren wir die Dokumente für den Kunden in einem eigenen Scan-Center und speichern diese an einem hochsicheren Ort in der Schweiz. Über einen sicheren Web-Zugang können diese Dokumente jederzeit über PC und mobile Endgeräte abgerufen werden. Weitere Lösungen und branchenspezifische Angebote werden folgen.
Wie ist dieser Bereich organisiert, und welche Synergien gibt es mit dem klassischen Geschäft von Biella?
Wir haben für Biella SimplyFind eine eigene Aktiengesellschaft gegründet, die unser neues Angebotsportfolio entwickelt und vermarktet. Dachmarke bleibt Biella. Synergien werden in beide Richtungen vorhanden sein. Einerseits basieren die Angebote der Biella SimplyFind auf klassischen und neuen physischen Produkten, die in der Biella Schweiz hergestellt werden, andererseits wird ein Know-how-Transfer im Bereich der Digitalisierung vom neuen Geschäft auf unser bestehendes Geschäft stattfinden.
Wie gehen Sie mit dem kulturellen Wandel um: auf der einen Seite die 116-jährige Traditionsfirma Biella – auf der anderen Seite das dynamische Start-up Biella SimplyFind AG?
Dieser Transformationsprozess ist hochspannend und entfaltet schöpferische Energie im gesamten Unternehmen. Beide Welten inspirieren sich und brauchen einander. Wir stellen uns damit dem Thema ganz bewusst. Die positiven Eigenschaften beider Kulturen werden sich zur neuen Biella-Kultur verbinden.
Wer sind die Kunden von der Biella SimplyFind AG, und ab wann rechnen Sie mit ersten Umsätzen?
Das neue Angebot richtet sich in erster Linie an Unternehmen und Organisationen jeder Grösse, aber auch Privatkunden. Erste Kunden konnten bereits gewonnen werden.
Für wann ist der Break-even dieser Geschäftseinheit geplant?
Wir gehen davon aus, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre den Break-even erreichen werden.
Wie gross sind die Investitionen in dieses neue Geschäft, und müssen die Aktionäre möglicherweise auf eine Dividende verzichten?
In die Entwicklung von Biella SimplyFind sind ganz überwiegend eigenes Know-how und eigene Ressourcen geflossen. Es ist nicht beabsichtigt, wegen Biella SimplyFind die Dividendenpolitik zu ändern. Biella verfolgt grundsätzlich die Politik der Dividendenkontinuität.
Kommen wir zu den bestehenden Geschäftsbereichen. Im Halbjahresbericht sprachen Sie davon, dass Biella zur „Optimierung der Kosteneffizienz die Möglichkeiten der stark vorangetriebenen Europäisierung der Standorte nutzen“ möchte. Nun haben Sie Restrukturierungen angekündigt. Wie sieht der Plan genau aus?
Angesichts der allgemeinen Marktrückgänge bei klassischen Büroartikeln ist es unabdingbar, die Kostenstrukturen fortlaufend zu optimieren. So werden wir noch im ersten Quartal des laufenden Jahres unsere lokale Fertigung in Grossbritannien aufgeben und auf unser Hauptwerk in Peitz (D) übertragen. Des Weiteren wird auch der Vertrieb für den österreichischen Markt gestrafft, indem die lokale Vertriebsorganisation aufgegeben wird: Private Label-Erzeugnisse werden neu über unsere EU-Vertriebsorganisation in Deutschland und Individualprodukte über die Schweiz vertrieben.
Im Halbjahresbericht schreiben Sie, dass sich das operative Ergebnis im ersten Semester 2015 verbessert habe. Wie hat sich das zweite Halbjahr bisher entwickelt, und wie sind die Aussichten für das Gesamtjahr?
Das Geschäft hat sich innerhalb unserer Erwartungen entwickelt. Unsere Jahresabschlusszahlen werden wir in der Kalenderwoche 12 veröffentlichen.
Der Franken hat sich in den letzten Monaten gegenüber dem Euro etwas abgeschwächt. Wie wird sich dies auf Umsatz und Ergebnis im Gesamtjahr auswirken?
Insgesamt ist es hilfreich, dass sich die starke Aufwertung des Frankens in letzter Zeit wieder etwas abgeschwächt hat. Dies wird sich vor allem auf den Umsatz der Gruppe tendenziell entspannend auswirken.
Wie sind Sie mit dem Handelsstart auf der ausserbörslichen Plattform OTC-X zufrieden? Der Kurs liegt ja nun doch deutlich unter den früheren Niveaus.
Die Umstellung auf die OTC-X ist reibungslos über die Bühne gegangen. Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen Kursentwicklung und dem Wechsel auf die OTC-X-Handelsplattform.
Wie hoch waren die Kosten für die Börsenkotierung bzw. was sparen Sie durch die Dekotierung im Jahr ein?
Infolge der zunehmenden Regulierung wären für uns jedes Jahr erhebliche weitere Kosten entstanden.
Der Aktienkurs von Biella hat in den vergangenen Wochen kräftig verloren. Was waren die Gründe, und war der Abschied von der BX vielleicht doch ein Fehler?
Wir kennen die Gründe für die Entwicklung des Aktienkurses nicht. Aus meiner Sicht spiegelt sich der Wert des Unternehmens derzeit nicht annähernd im aktuellen Kurs wider. Der Abschied von der BX war die richtige Entscheidung. Trotz jahrelanger Kotierung an der BX wurden nur sehr geringe Handelsvolumina erreicht. Die OTC-X-Handelsplattform bietet unseren Aktionären bei deutlich reduziertem Aufwand für Biella die gleichen Möglichkeiten zum Handel. Nach den ersten Wochen Erfahrungen an der OTC-X fühlen wir uns dort gut aufgehoben.
Was sagen die Grossaktionäre zu diesem Kurszerfall? Haben sich Verschiebungen im Aktionariat ergeben?
Kein Aktionär freut sich über eine Abwertung seiner Aktien. Und ja, es wurden für die Verhältnisse bei Biella ungewöhnlich viele Aktien gehandelt. Daraus haben sich auch Änderungen im Aktionariat ergeben.
Wo wird Biella in zehn Jahren stehen, und wie sieht Ihr Markt dann aus?
Leider ist mir die Fähigkeit, in einer Glaskugel die Zukunft zu lesen, nicht in die Wiege gelegt worden… Mein Team und ich haben uns aber mit grosser Leidenschaft auf den Weg der Transformation unseres Unternehmens begeben. Ich bin überzeugt, dass Biella in zehn Jahren als Firma bekannt ist, die die Veränderung vom traditionellen Hersteller physischer Produkte zum hybriden Anbieter physischer und digitaler Leistungen und Gesamtlösungen erfolgreich bewältigen konnte.
Die Geschäftsjahre 2015 und 2016 werden in die Geschichte der Biella-Neher Holding AG als Jahre des Umbruchs eingehen. Die angekündigten Restrukturierungen dürften das Jahresergebnis 2015 nochmals belasten, ebenso wie die negativen Wechselkurseinflüsse. Damit könnte allerdings für die kommenden Jahre die Basis für deutlich bessere Zahlen gelegt sein. Einerseits führen die Restrukturierungen auf der Kostenseite zu einer Entlastung. Andererseits könnten die ersten Umsätze bei Biella SimplyFind Signale für die Rückkehr des Unternehmens auf den Wachstumspfad sein. Insgesamt ist jedoch damit zu rechnen, dass auch Biella SimplyFind drei bis fünf Jahre brauchen wird, um die Umsatzrückgänge im traditionellen Geschäft nachhaltig zu stoppen. Nicht zu unterschätzen sind hier namhafte Wettbewerber wie Canon oder Xerox, die bereits in ähnlichen Geschäftsbereichen tätig sind. Dennoch ist die Wachstumsinitiative von Biella ein wichtiger Schritt, der die Gruppe bei entsprechendem Erfolg in eine neue Ära katapultiert. Derzeit sind die Biella-Aktien auf OTC-X bei Kursen um 3650 CHF mit einem Discount von 50% auf den ausgewiesenen Buchwert von 7204 CHF (per Ende Juni 2015) bewertet. Sofern die Gesellschaft an der Dividendenkontinuität festhält und auch für das abgelaufene Geschäftsjahr 150 CHF je Aktie ausschüttet, was angesichts von Gewinnreserven von weit über 50 Mio. CHF selbst bei einem Verlust in 2015 möglich wäre, beträgt die Ausschüttungsrendite 4.1%. In dieser Bewertung dürfte ein Grossteil der Risiken, welchen die Gesellschaft sowohl im traditionellen Geschäft als auch in dem neuen Bereich ausgesetzt ist, enthalten sein. Nach dem Kurszerfall in Folge der Ankündigung der Dekotierung beträgt die Marktkapitalisierung von Biella gerade einmal 30 Mio. CHF.