Andreas Buri, CEO Clientis: „Wir gehen heute davon aus, auf die Weitergabe von Negativzinsen verzichten zu können.“

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Andreas Buri ist seit 2014 CEO der Clientis AG. Zuvor war der dipl. Bankfachmann in leitenden Funktionen bei Schweizer Privat- und Grossbanken, u.a. von 1973 bis 2004 bei der UBS. Bild: zvg
Andreas Buri ist seit 2014 CEO der Clientis AG. Zuvor war der dipl. Bankfachmann in leitenden Funktionen bei Schweizer Privat- und Grossbanken, u.a. von 1973 bis 2004 bei der UBS. Bild: zvg

Die 15 Banken der Clientis Gruppe konnten im ersten Semester 2016 sowohl Geschäftserfolg als auch Reingewinn um mehr als 30% auf 34.7 Mio. CHF bzw. 30.5 Mio. CHF steigern. Der Nettoerfolg aus dem Zinsengeschäft stieg um 6.6% auf 82.4 Mio. CHF an. Als Gründe für den Anstieg nennt Clientis in einer Medienmitteilung die Volumenausweitung und die niedrigen Refinanzierungskosten. Die Bilanzsumme stieg um 2.6% auf 13.8 Mrd. CHF. Andreas Buri, CEO der Clientis AG, zeigt sich im Interview mit schweizeraktien.net sehr zufrieden mit dem Abschluss. Auch in Zukunft rechnet er damit, dass die Clientis Banken im Hypothekargeschäft um 1% pro Quartal wachsen können. Ausserdem geht er davon aus, dass die angeschlossenen Banken vorerst keine Negativzinsen einführen werden. Buri signalisiert zudem Offenheit gegenüber weiteren Banken, die als Kunden Dienstleistungen von Clientis beziehen sowie dem Verbund beitreten möchten.

Herr Buri, die Semesterzahlen für 2016 weisen einen Sprung bei Geschäftserfolg und Reingewinn von über 30% auf, was vor allen Dingen auf die Auflösung von nicht mehr benötigten Wertberichtigungen zurückzuführen ist. Wie ist dieser Effekt zu verstehen?

Das Gros der Ergebnisverbesserung im Zinsengeschäft resultiert aus dem Volumenwachstum. Zudem konnten wir als Sondereffekt Wertberichtigungen auflösen, weil die entsprechenden Positionen ausgelaufen waren, nicht mehr erneuert oder abgelöst wurden. So gesehen hatten wir in den Vorjahren bezüglich unserer strengen Finanzierungsgrundsätze nicht übervorsichtig gehandelt.

Es dürfte sich bei diesem Gewinnsprung um einen Einmaleffekt aufgrund der neuen RVB handeln. Wie wirkt sich diese einmalige Auflösung der nicht mehr benötigen Wertberichtigungen auf die künftigen Erfolgsrechnungen aus, insbesondere, wenn die Risiken wieder zunehmen?

Die neuen RVB waren erstmalig für den Jahresabschluss 2015 gültig und wirkten sich daher insbesondere dort aus. Aufgrund unserer meist langjährigen sehr guten Kundenbeziehungen kennen wir auch die Solidität unserer Kunden und gehen daher nicht von wesentlich höheren Wertberichtigungen aus – sofern sich die Umfeldbedingungen nicht verschlechtern.

Die Clientis Banken konnten im 1. Semester 1.8% mehr Hypotheken verkaufen. Wird dieses – im Vergleich zu früheren Jahren – moderate Wachstum in Zukunft zu halten sein?

Mit dieser Zunahme liegen wir im langjährigen Durchschnitt; seit Jahren wachsen die Clientis Banken konstant pro Quartal um ca. 1%. Aufgrund unserer aktiven Marktbearbeitung und unseres hervorragenden Image bei den Kunden rechnen wir damit, das Wachstum auch künftig halten zu können.

Wie gestaltet sich das Wachstum im Hypothekargeschäft innerhalb der 15 Clientis Banken? In welchen Regionen liegt das Wachstum über dem Schnitt?

Das Wachstum ist innerhalb unserer Gruppe unterschiedlich. In Gebieten mit höherem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und entsprechend mehr Bautätigkeit ist die Volumenausweitung grösser. Wir spüren dies insbesondere in den Regionen Bern, Luzern und St. Gallen.

Welche Risikopolitik verfolgen die Banken bei der Vergabe?

Bei den Clientis Banken gelten seit jeher die Grundsätze «Sicherheit vor Wachstum» bzw. «Qualität vor Quantität». Sie vergeben Finanzierungen entsprechend umsichtig – nur nach gründlicher Prüfung und nach klar definierten Grundsätzen. Die Kredite werden dabei praktisch ausschliesslich in den jeweiligen Marktgebieten gewährt, wo die Banken die Kunden kennen und die Risiken gut abschätzen können.

Der Erfolg aus dem Zinsengeschäft ist weiterhin mit 79% die Haupteinnahmequelle für die meisten Clientis Banken. Welche Ansätze gibt es, um hier stärker zu diversifizieren?

Wir arbeiten daran, so zum Beispiel mit unserer gruppenweiten „Kundensegmentsführung Anlegen“ oder der gruppenweit koordinierten Beratung in der Pensionsplanung. Beim Geschäft mit dem grössten Potenzial, dem Anlegen, sind jedoch zahlreiche Kunden wegen der für viele Wertpapiere tiefen Renditen und den unsicheren Marktaussichten zurückhaltend.

Die Kundengelder haben trotz der tiefen Zinsen um 2.1% zugenommen. Wie werden diese aktuell verzinst, und wann werden die Clientis Banken Negativzinsen einführen müssen?

Unsere eigenständigen Banken legen die Passivzinsen selber fest. Dem Marktniveau entsprechend sind die Zinsen auch bei den Clientis Banken tief. Wenn die SNB ihre Negativzinsen nicht verschärft und der Kundengeldzufluss nicht drastisch ansteigt, gehen wir heute davon aus, weiterhin auf die Weitergabe von Negativzinsen verzichten zu können.

Andere Banken und Bankengruppen reduzieren die Mitarbeiterzahl und schliessen Geschäftsstellen. Bei der Clientis Gruppe ist die Mitarbeiterzahl stabil geblieben. Wie sehen Sie die künftige Entwicklung in Ihrer Bankengruppe?

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung im Bankgeschäft gehe ich tendenziell davon aus, dass die Mitarbeiterzahl in unserer Gruppe, speziell im Schalterbereich, künftig nicht weiter steigen wird. Demgegenüber gewinnen die Beratungen weiter an Bedeutung. Wir befinden uns daher gruppenweit mitten in einem anspruchsvollen Zertifizierungsprozess. Die Mitarbeitenden erbringen mit der Zertifizierung den Nachweis, dass sie sowohl in der Fach- als auch in der Beratungskompetenz die umfassenden und stetig höheren Anforderungen erfüllen. Sie können so unsere Kunden noch besser massgeschneidert bedienen.

Clientis konnte in diesem Jahr zehn weitere Regionalbanken aus der „Spirit-Gruppe“ als Kunden gewinnen. Sind weitere Banken in der Pipeline, die künftig bei Clientis ihre Dienstleistungen beziehen wollen, und welche Ziele verfolgen Sie hier?

Aufgrund des sich rasch wandelnden Umfelds suchen unabhängige Regionalbanken vermehrt Kooperationen. Das Clientis Modell liegt im Trend. Heute erbringen wir Leistungen für zwölf Banken ausserhalb der eigenen Gruppe. Diese beziehen neben der IT weitere Leistungen in den Bereichen Compliance, Anlegen, Finance und Vertrieb. Die Anzahl der bestellten Dienstleistungs-Pakete ist im ersten Halbjahr 2016 erfreulicherweise weiter angestiegen.

Die zehn Banken sind allerdings nur Kunden, aber keine Aktionäre der Clientis AG. Werden Sie hier wieder neue Aktionäre aufnehmen oder bleibt es bei den 15 Aktionärsbanken?

Wir stehen bereit sowohl für modulare Leistungen als auch für neue Aktionärsbanken. Je besser wir eine Kundenbank von unseren modularen Leistungen überzeugen können, desto grösser wird die Chance, dass sie eines Tages auch den Schritt zur Vollmitgliedschaft machen wird und so von weiteren namhaften Vorteilen profitieren kann.

Die Rating-Agentur Moody’s hat ihren Ausblick im Juni auf „positiv“ erhöht. Clientis hat derzeit zwei Anleihen ausstehend. Benötigt Ihre Bankengruppe derzeit weiteres Kapital, und wann ist die nächste Emission geplant?

Unser Rating ist erfreulicherweise so gut wie noch nie in der dreizehnjährigen Geschichte der Clientis Gruppe. Der Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt ist für uns ein strategischer Pfeiler und eine wichtige Diversifikation der Refinanzierungskanäle. Aktuell ist unsere Liquiditätslage sehr komfortabel. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass wir auch künftig Anleihen emittieren werden. Der Zeitpunkt ist abhängig von der Bilanzstruktur der Gruppe und den Marktkonditionen.

Die Finanzindustrie befindet sich derzeit im Umbruch. Neue Anbieter z.B. im Direct Lending, und neue Angebote, z.B. im Hypothekargeschäft, werden gemäss Studien das klassische Banking radikal verändern. Wie möchten sich die Clientis Banken in diesem Umfeld positionieren, und welche Projekte verfolgen Sie?

Bezüglich Digitalisierung können wir es, vereinfacht ausgedrückt, wie folgt auf den Punkt bringen: Welchen Anteil unserer künftigen Investitionen wollen wir weiterhin für unsere Geschäftsstellen tätigen und welchen Anteil für die weitere Automatisierung unserer Dienstleistungen? Auf die digitale Zukunft richten wir uns konsequent als «Follower» aus. Dabei wollen wir physische und digitale Kanäle, Prozesse und Marketingaktivitäten verschmelzen. Seit rund zwei Jahren verfügt jede Clientis Bank über eine e-Banking-App, und in der Gruppe gibt es rund 120 iPad für die mobile, innovative Kundenberatung in den Bereichen Finanzieren und Anlegen.

Die Aktien und Genossenschaftsanteile der folgenden Clientis Banken werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt:

Biene-Bank im Rheintal,

Clientis Bank Küttigen-Erlinsbach,

Clientis Bank Oberaargau,

Clientis Bank Oberuzwil AG,

Clientis Bank Toggenburg,

Clientis Bank im Thal, Balsthal,

Clientis EB Entlebucher Bank,

Clientis Sparkasse Oftringen 

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