Alwin Meyer, Gründer Swisspeers: „Die Finanzindustrie darf nicht zum alchemistischen Selbstzweck verkommen, sondern soll echte Probleme lösen.“

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Alwin Meyer (rechts), Co-Gründer von Swisspeers, möchte peer-to-peer-Lending in der Schweiz nachhaltig etablieren. Bild: zvg
Alwin Meyer (rechts), Co-Gründer von Swisspeers, möchte peer-to-peer-Lending in der Schweiz nachhaltig etablieren. Bild: zvg

Gegründet wurde das Direct Lending-Unternehmen Swisspeers von Alwin Meyer zusammen mit Andreas Hug und Stefan Nägeli im August 2015. Ziel der innovativen Unternehmer mit akademischem Background war von Anfang an, Lösungen für den Kreditbedarf von KMU zu schaffen. Nach wenigen Monaten am Markt kann sich die erste Zwischenbilanz sehen lassen: Sieben Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 500’000 CHF sind bereits abgeschlossen. Das Interesse an den massgeschneiderten Unternehmenskrediten jenseits der Welt der Banken steigt. Im Interview mit schweizeraktien.net gibt Gründer Alwin Meyer einen aufschlussreichen Einblick in die ersten Markterfahrungen des Fintech-Unternehmens und sagt, wie Swisspeers auf Flughöhe kommen will.

Herr Meyer, seit der Erstberichterstattung auf schweizeraktien.net zu Ihrem Marktauftritt und den ersten Angeboten hat sich schon einiges bei Swisspeers getan. Geben Sie unseren Lesern einen kurzen Überblick zu den ersten Erfahrungen, Erfolgen und Ergebnissen?

Wir sind sehr zufrieden mit unserem Start. Wir konnten bereits über 500’000 CHF an Krediten finanzieren, verteilt auf sieben Projekte mit jeweils 9 bis 18 privaten Investoren, die Anteile finanziert haben. Die ersten Raten (Zins+ Kapital) wurden zurückbezahlt und anteilsmässig an die Investoren verteilt. Die Orchestrierung in unserer Backoffice Applikation hat bestens funktioniert.

Zwei Bereiche entwickeln sich etwas anders als ursprünglich angenommen. Erstens erhalten wir viele Kreditanträge von Firmen, die wir auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten weiterverweisen, weil sie die Bedingungen unserer Plattform nicht erfüllen. Wir bemühen uns, auch diesen Antragsstellern einen Lösungsweg für ihr spezifisches Bedürfnis aufzuzeigen. Zweitens sind die beantragen Kreditbeträge höher, als wir angenommen haben. Damit erhöhen sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben auch die Minimuminvestments je Projekt für den einzelnen Investor.

Welches Segment bei den KMU-Krediten ist eigentlich genau Ihr Ziel, und warum?

Wir wollen uns im Bereich ab 50’000 bis 1 Mio. CHF etablieren. Gemäss unseren Marktabklärungen sind da die Bedürfnisse am grössten. Die Versorgung mit Krediten wird in diesen Grössenordnungen durch die traditionellen Kanäle nicht ausreichend sichergestellt. Banken vergeben nur in Ausnahmefällen unbesicherte Investitionskredite unter CHF 1 Mio. Wir stellen aber fest, dass sehr viele KMU gerade in diesem Bereich über viele Projekte verfügen, sei es um einen Internetauftritt zu professionalisieren oder ein neues Montageteam für einen Elektroinstallateur aufzubauen – samt Personal und Fahrzeug.

Was schätzen anhand Ihrer ersten Erfahrungen einerseits die kreditsuchenden KMU und andererseits die Investoren?

Mit unseren Kreditnehmern und unseren Investoren pflegen wir einen engen Kontakt. Unserem Geschäftsmodell wird sehr viel Sympathie entgegengebracht. Bei den KMU, weil sie die unkomplizierte, bequeme, orts- und zeitungebundene Alternative schätzen. Auf der Investorenseite, weil sie die Möglichkeit sehen, im CHF-Festzinsbereich im Tiefstzinsumfeld eine positive Rendite zu erzielen. Dabei setzen Investoren ihr Geld für etwas Sinnvolles ein – eine „Double Bottom Line“, wie man das aus dem Bereich Mikrofinanz kennt.

Können Sie schon ein wenig eingrenzen, welche Art oder Arten von KMU besonders interessiert am Swisspeers-Angebot sind und welche spezifischen Vorteile geschätzt werden?

Es ist für uns erstaunlich, wie breit gefächert die Branchen vertreten sind, die bei uns Kredite beantragen. Bisher lässt sich kein Schwergewicht herauslesen. Vom Fahrradgeschäft über die Immobilienfirma bis zur ‚Curling Champions Tour‘ haben wir eine breite Palette an Kreditnehmern. Davon profitieren auch die Investoren, weil sie ein ideal diversifiziertes Anlageportfolio aufbauen können.

Wie sieht das Interesse bei den Investoren aus, und wie hoch ist die Bereitschaft, innovative Angebote auch tatsächlich zu nutzen, trotz der wahrscheinlich vorhandenen Hemmschwellen und Bedenken?

Wir sind sehr zufrieden mit den Anmeldungen auf der Investorenseite. Das sind täglich mehrere Individuen, die sich registrieren. Viele Investoren starteten ihre Investition mit Minimalbeträgen, um unsere neue Anlageform zu testen. Nach ersten positiven Erfahrungen beginnen sie in mehrere Kredite zu investieren und sich so ein Portfolio aufzubauen. Wir sehen aber auch eine potenzielle Investorengruppe, die beobachtet. Im Kontakt mit dieser Gruppe stelle ich fest, dass sie sehr klare Anlagevorstellungen hat und daher auf die für sie relevanten Branchen und Bonitäten wartet.

Neben individuellen Investoren häufen sich auch die Anfragen von Institutionellen Investoren. Das stimmt uns zuversichtlich, da solche uns helfen, unsere Absorptionskapazität auch für grössere Kredite zu erhöhen.

Wer sind denn die akkreditierten Investoren genau? Eine grobe Aufteilung nach Versicherungen, Pensionskassen, Family Offices usw. wäre für unsere Leser sehr aufschlussreich.

Aktuell sind fast nur private Investoren auf der Plattform am Investieren. Wie erwähnt, sind wir aber mit verschiedenen Institutionellen in Diskussion, so auch Pensionskassen und Family Offices. Allerdings ist es uns ein Anliegen, immer auch für private Investoren Anlagetranchen anbieten zu können. So stellen wir sicher, dass der ‚Peer-to-Peer‘-Gedanke nicht verloren geht.

Gab es denn bisher auch begründete Kritik, die Ihnen ermöglicht hat, das Angebot noch zu verbessern?

Der Registrierungsprozess für Investoren hat sich seit unserem Start massiv verändert. Da konnten wir bereits mit Hilfe der Investoren und des Regulators eine massive Vereinfachung erwirken. Seit anfangs 2016 lässt die FINMA neue Identifikationsverfahren für Investoren zu. Die Selbstregulierungsorganisation zur Bekämpfung der Geldwäscherei, der wir angeschlossen sind, hat die Regeln so übernommen, dass wir die Identifikation jetzt ohne Medienbruch, sprich: vollständig online, durchführen können.

Wie haben Sie eigentlich den Start-up-Prozess und die Entwicklung bisher finanziert?

Wir haben die Firma zu dritt gegründet und sind seit August 2015 vollständig eigenfinanziert unterwegs. Glücklicherweise konnten wir alle drei in den letzten Jahren etwas sparen. Diese Mittel haben wir jetzt eingesetzt. Als grössten Kostenblock kann ich das Weiterführen unserer jeweiligen Haushalte ohne Einkommen bezeichnen. Die grösste „Cash-Out“-Position geht auf Rechtskosten, da wir in einem stark regulierten Umfeld tätig sind.

Was erwarten Sie: Wird Swisspeers weiteres Kapital benötigen und wenn ja, was haben Sie vor – vielleicht sogar ein IPO in nicht gar zu ferner Zukunft?

Für die aktuell anlaufende Phase, der Etablierung im Markt, führen wir eine Kapitalerhöhung durch, die uns über unsere Gewinnschwelle hinweg finanzieren wird. Dabei unterstützt uns unser Beirat tatkräftig, so dass wir bereits für mehr als die Hälfte der gesuchten Mittel über Zusagen verfügen. Wir gehen davon aus, dass wir die Kapitalsuche im Oktober abschliessen können.

Im Rahmen der Kapitalsuche haben wir auch unsere Geschäftsgrundsätze auf der Website publiziert, so dass alle Stakeholder, insbesondere unsere KMU-Kunden, Investoren und Eigenkapitalgeber verstehen, worauf sie sich bei swisspeers einlassen. Daraus wird ersichtlich, dass ein schneller „Exit“ via IPO oder Verkauf weder für die Gründer noch für die weiteren Investoren im Vordergrund steht. Vielmehr wollen wir ein nachhaltiges Geschäft aufbauen, das die beobachtete Marktineffizienz zwischen Investitionsbedarf und Anlagenotstand zu eliminieren hilft.

Was sind Ihre ersten Assoziationen, wenn Sie an den Markt und die chinesischen Fintechs denken?

Ich habe gehört, dass in China über 6000 Plattformen im Crowdfunding existieren. Ich glaube, das explosionsartige Wachstum von solchen Plattformen zeigt uns deutlich, dass sich Crowdfunding etablieren wird und sich einen gewichtigen Platz in der digitalen Wirtschaft verschafft. Wie bei allem wirtschaftlichen Tun gibt es auch in diesem Bereich schwarze Schafe. Diese zu eliminieren, ohne die Modelle mit der Gesetzeskeule zu erschlagen, ist in China und auch weltweit eine zentrale Herausforderung.

… und bei britischen und amerikanischen?

Hier gilt Ähnliches wie in China. Crowdfunding etabliert sich auf breiter Front. Hingegen sehen wir in den USA die Herausforderung einer erstickenden Umarmung der neuen Geschäftsmodelle durch die klassische Finanzindustrie. Das zeigt insbesondere der Lending Club Fall. Nicht das originäre Crowdlending hat zum Skandal geführt, sondern die darum herum gebauten Finanzstrukturen. Wir wollen genau das vermeiden, indem wir bereits jetzt einen hohen Wert auf die Etablierung einer sauberen Corporate-Governance-Struktur legen.

In Grossbritannien staunen wir über die offene Herangehensweise des Gesetzgebers an alle Fintech-Themen. Das hilft natürlich ungemein. Fairerweise muss man sagen, dass die Ausgangslage auch eine andere ist. Die Konsolidierung im Bankensystem hat den Wettbewerb stark eingeschränkt, und so hat der Regulator die Aufgabe, hier Gegensteuer zu geben.

Was erwarten Sie – realistisch – für die Zukunft der Swiss Fintech?

Ich kann die Fintech Branche hier nur bedingt beurteilen, da ich in einem spezifischen Bereich unterwegs bin und mich noch zu wenig mit der ganzen Branche auseinandergesetzt habe.

Ich kann mir aber vorstellen, dass sich in der Schweiz zwei Sorten von Fintechs etablieren werden. Die eher bodenständige Fraktion, die ein Geschäftsmodell findet, das im Schweizer Markt in die Gewinnzone geführt werden kann. Und auf der anderen Seite werden es hoch innovative Unternehmen in Nischen sein. In Nischen, wo Skaleneffekte in einem grossen homogenen Heimmarkt (wie z.B. USA oder China) keinen erdrückenden Vorteil darstellen.

Was würden Sie sich als im internationalen Wettbewerb stehender Unternehmer im Hinblick auf die kaum noch überschaubare Landschaft von fragmentierten Verbänden, Interessengruppen usw. in der Schweiz wünschen?

Das ist eine gute Frage – ich glaube die Landschaft ist so heterogen wie die Schweiz selbst. Im Fall Fintech hilft das natürlich wenig, und ich muss gestehen, dass ich den Durchblick auch nicht vollständig habe. Wichtig ist aber, dass wir eine geeinte Stimme gegenüber Politik und Gesetzgeber etablieren können. Da sehe ich positive Ansätze.

Was sind nun Ihre nächsten Unternehmensziele, und welche Hindernisse müssen zu Ihrer Erreichung überwunden werden?

Jetzt gehts darum, mit unserem Geschäftsmodell auf Flughöhe zu kommen. Das heisst, einerseits unsere eigene Finanzierungsrunde abzuschliessen und andererseits unser Geschäft bekannt zu machen. Dabei ist zentral, dass wir fokussiert bleiben und unsere Grundsätzen leben.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen wichtig ist, den ich aber versäumt habe anzusprechen?

Der Zweck der Finanzindustrie ist die Sicherstellung aller finanziellen Belange der realen Wirtschaft. Macht sie das effizient, können wir als Volkswirtschaft erfolgreich operieren. Die Finanzindustrie darf nicht zum alchemistischen Selbstzweck verkommen, sondern soll echte Probleme lösen. Dasselbe gilt für Fintech, ob gerade Hype oder nicht.

Vielen Dank, Herr Meyer, für die Einblicke und die offenen Worte.

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