Mythos Millennials: Was wollen sie wirklich? – Wie der Generationswandel Wirtschaft und Gesellschaft verändert

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Zum ersten Mal seit den 1880er Jahren wohnen mehr junge Erwachsene bei den Eltern als mit einem Partner oder allein in einer eigenen Wohnung. Chart:
Zum ersten Mal seit den 1880er-Jahren wohnen mehr junge Erwachsene bei den Eltern als mit einem Partner oder allein in einer eigenen Wohnung. Chart: PEW Social Trends

Sie werden Generation Y oder Millennials genannt! Sie sind der neue Fetisch der Werbung und favorisierter Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Dominierender Wirtschaftsfaktor der Zukunft, Erben von Billionen und die erste Generation des digitalen Zeitalters sind die von Hoffnungen getragenen Charakterisierungen. Faul, in Apps verliebt und unfähig, mit Geld umzugehen, lauten die weniger schmeichelhaften. Sicher scheint bei dem bislang wenig fassbaren, doch vielschichtigen Phänomen nur, dass die Generation Y Produkt, Erbe und Opfer der Vorgeschichte ist und doch zugleich auch die Generation ist, die zum ersten Mal seit den 60er-Jahren einen grundlegenden Orientierungswandel will, betreibt und bald auch durchzusetzen vermag. Zeit für einen unvoreingenommenen Blick auf die Fakten.

Mehr als ein Drittel der Erwachsenen in den USA sind heute Millennials. Zum ersten Mal seit den 1880er-Jahren wohnen mehr junge Erwachsene bei den Eltern als mit einem Partner oder allein in einer eigenen Wohnung. Die für Konsumausgaben zur Verfügung stehende Summe wird auf über 1 000 Mrd. USD jährlich geschätzt. Bis 2025, in acht Jahren also, werden die Millennials 75% der arbeitenden Bevölkerung stellen.

Sharing Economy gewinnt an Bedeutung

Schon die frühesten Auswirkungen des Wandels, der auf veränderten Bedürfnissen, Vorlieben und Gewohnheiten der jungen Generation beruht, definieren ganze Industrien neu. Eines der Schlüsselwörter ist „Sharing Economy„. Darunter fallen so unterschiedliche Dinge wie private Zimmervermietung (Airbnb), private Transportdienstleistungen (Uber), Car-Sharing, Fahrgemeinschaften, private Tauschbörsen für gebrauchte Produkte und Dienstleistungen, Auktionsplattformen, Soziale Unternehmen, Unternehmen der Kreislaufwirtschaft, Fair Trade, Crowdfunding uvm.

Allein die Disruption im Hotelgewerbe durch Airbnb oder bei Taxibetrieben durch Uber sowie die Klone der frühen Platzhirsche gibt einen Vorgeschmack dessen, was anderen Branchen erst noch bevorsteht. Die eine Seite der Disruption besteht darin, keine Ressourcen zu verschwenden, sondern diese mehrfach zu nutzen, zu teilen, zu recyceln, weiterzureichen etc.

The winner takes it all …

Eine der Implikationen ist, dass die betroffenen Güter und Dienstleistungen an den etablierten Märkten weniger nachgefragt werden, dafür aber viele Gelegenheitsfahrer oder Wohnungsbesitzer zusätzliches Einkommen erzielen können oder der Haarschnitt mit einem Transportauftrag als barter trade verrechnet wird. Die andere Seite ist, dass, wo es nicht um kleinteilige Aktivitäten geht, innerhalb kürzester Zeit diejenigen Innovatoren, die Zugang zu Kapital haben, ganze Industrien monopolisieren können. Denn in der digitalen Welt ist es mehr denn je so, dass der Gewinner des Wettbewerbs alles bekommt. Amazon, Google, Uber!

… im Widerspruch zu Kernüberzeugungen der Millennials

Das passt aber überhaupt nicht zu Kernüberzeugungen der Millennials. Z.B. sagen 83% in einer Umfrage des Boston Globe von 2014, dass „zu viel Macht in der Hand von wenigen grossen Unternehmen konzentriert ist“. Das ist signifikant mehr als bei allen anderen Generationen. Ähnlich frappierend in seinem Gegensatz zu den älteren Generationen ist, dass 64% der Millennials in einer 2014 durchgeführten Studie sagen, dass sie lieber 40 000 USD p.a. in einem Job verdienen, den sie lieben, als 100 000 USD in einem langweiligen.

UBS identifiziert Millennials als super-konservativ

Es sind die Kernüberzeugungen, die auch die UBS stören in ihrem Bestreben, die Erben früh zu identifizieren, abzuholen und an sich zu binden. Ende 2016 überraschte die international aktive Schweizer Grossbank mit den Ergebnissen einer eigenen Studie zu den Millennials die Marktteilnehmer, weil UBS den Mythos „Generation Y“, wie er in der Scheinrealität vieler Marktteilnehmer und Stakeholder kreiert wird, brachial demontiert. So halten die Millennials entgegen allen Empfehlungen und wissenschaftlichen Studien 52% ihres Anlagekapitals in Form von Cash, nur 28% sind in Aktien investiert. Das sei „super-konservativ“, die Millennials seien eher Sparer als Anleger, so UBS.

Bezeichnend ist auch, was die Millennials mit Geld tun würden, das ihnen zufällt. 42% würden Schulden zurückzahlen, alle anderen Optionen bewegen sich zwischen 10% und 16%. Demgegenüber würden alle Non-Millennials nur zu 15% Schulden tilgen und zu 33% gleich und zu 19% bei aufkommenden Opportunitäten in die Märkte investieren. Millennials entsprechend nur 10% und 12%. Auch bei Immobilien zeigt sich der konservative Charakter der Millennials, die zu 16% diese Anlageform wählen würden gegenüber nur 10% bei den anderen (älteren) Generationen. Die UBS rät ihren Bankern daher, den Millennials nicht nachzulaufen. Die seien ihren digitalen Spielzeugen verfallen, eher Sparer als Investoren und erben würden sie auch erst in drei Generationen.

Banken nicht gefragt

Millennials können am ehesten auf Banken verzichten. Grafik: www.millennialdisruptionindex.com
Millennials können am ehesten auf Banken verzichten. Grafik: www.millennialdisruptionindex.com

Das steht allerdings im Widerspruch zu Aussagen und Berechnungen, wonach die Generation Y insgesamt ca. 16 Billionen USD vererbt bekommen wird. Vielleicht ist die Grossbank auch nur beleidigt, weil ihre bisherigen Bemühungen um die Millennials so fruchtlos verliefen. Damit ist UBS jedoch nicht allein. Laut dem „Millennial Disruption Index“ sagen 73% der Millennials, dass sie über ein Angebot von Finanzdienstleistungen durch Apple, Amazon, Google, Paypal oder Square mehr erfreut wären als über die von Banken. 33% der Millennials sagen, dass sie überhaupt keine Bank mehr brauchen und 71% gehen lieber zum Zahnarzt als ihrer Bank zuzuhören. Banken zählen auch zu den bei der Generation Y am wenigsten angesehenen Unternehmen überhaupt.

Das ist ein recht extremer Wechsel, denn in den 80er- und 90er-Jahren und bis zur Finanzkrise 2008 war Investment Banker in den meisten Jahren der am stärksten angestrebte Beruf. Neben M&A Beratern und Hedge Fund Managern galten Investment Banker als „Masters of the Universe“, der Inbegriff von Erfolg, Reichtum und Macht. Regelmässig führten diese Berufsziele die Liste der Absolventen der Eliteuniversitäten an.

Millennials geprägt von der Grossen Rezession

Doch 10 Jahre nach Beginn der Subprime-Krise ist das Image der Bank-Industrie nach Tausenden von Rechtsfällen, Lügen, Betrügereien, Manipulationen usw. scheinbar völlig zerstört bei der Generation, die während der „Grossen Rezession“ aufgewachsen ist. Ihre Eindrücke sind von Zwangsräumungen, Lebensmittelmarken, Arbeitslosigkeit der Eltern, Trennung, Verarmung, Einschränkungen geprägt. Und Banken spielen bei diesen Erinnerungen der Millennials in aller Regel eine unrühmliche Rolle. Vielleicht erklärt sich auch die konservative Anlagepolitik – vor allem Cash und Immobilien – mit den prägenden Erfahrungen in der Kindheit und Jugend nach 2001 und dann wieder nach 2007.

Arbeitsbedingungen im Wandel

Ein anderer Faktor ist, dass der Jobmarkt von zahlreichen Unsicherheiten geprägt ist. Die Anfangsgehälter in vielen Berufsbildern liegen sehr viel niedriger als einst. Da der offizielle Arbeitsmarkt aber auch eng geworden ist, können die Millennials zunehmend ihre Bedingungen diktieren. So ist der klassische Bürojob mit Anwesenheit von 8 h bis 17 h o.ä. kaum noch attraktiv. Stattdessen werden flexible Arbeitsumgebungen erwartet, wie sie die Unternehmen der Tech- und Digitalindustrien schon heute bieten. Top-Arbeitgeber der Millennials sind daher Google, Apple, Facebook.

Tech-Industrie gegen Trump

Das sind auch die Industrien, die den USA ihre Vormachtstellung in den technologischen Querschnittstechnologien ermöglichen. Sowohl die führenden Unternehmen, die ja auch nicht selten von Millennials gegründet und geführt werden, als auch die ganze Generation Y sind fast unisono gegen die Trump-Massnahmen, die sich gegen Einwanderer, Reisefreiheit sowie grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten richten. Die Tech-Industrie wurde in weiten Teilen von Einwanderern oder deren Kindern gegründet, bis heute machen Immigranten einen weit überproportionalen Anteil bei den Neugründungen in den Tech-Industrien aus. Sie stellen auch einen grossen Teil der Fachkräfte. Auch Steve Jobs hatte einen Vater aus Syrien und eine Mutter aus Deutschland. Hollywood besteht praktisch vollständig aus Immigranten. Auch dort ist inzwischen der Widerstand gegen den Isolationalismus der neuen Administration gewachsen, die das Funktionieren der globalen Unterhaltungsindustrie gefährdet. Bekannte Schauspieler wie Michael J. Foxx und Jodie Foster sprechen eine klare Sprache.

Generationenkonflikt

Wem die Millennials in den USA vertrauen: Vertrauenslevel nach Herkunft in % "etwas" und "volles" Vertrauen. Grafik: www.brookings.edu
Wem die Millennials in den USA vertrauen: Vertrauenslevel nach Herkunft in % „etwas“ und „volles“ Vertrauen. Grafik: www.brookings.edu

Diese liberalen Überzeugungen und auch die höhere Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft bilden eine Bruchlinie zwischen den Generationen, was sich auch bei der Präsidentenwahl nachweisen lässt. Denn Trump hat hauptsächlich wegen den alten, wütenden, weissen, männlichen Wählern gewonnen. Junge Wähler bis 29 Jahre nahmen zu 50% an der Wahl teil, eine tendenzielle Steigerung. Doch Trump erhielt von den Millennials nur 37% der Stimmen. Besonders interessant: Sowohl das Ansehen der Republikanischen Partei als der Konservatismus sind bei den Millennials im Niedergang. Weniger als 20% der Millennials trauen den Republikanern – und damit weit weniger als den Demokraten.

Schon bei der nächsten Wahl werden die Millennials den Ausschlag geben. Gut denkbar, wenn nicht wahrscheinlich, dass der Wahlerfolg von Trump, der wie seine Wähler aus Sicht der Generation Y zu den Dinosauriern zählt, deren letzter politischer Akt von Bedeutung war.

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