Hypothekarbank Lenzburg: Aktionäre nehmen alle Traktanden diskussionslos an, Druck auf Zinsmarge bleibt hoch – Ausbau des indifferenten Geschäfts als Zukunftsrezept

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Über 1’100 Aktionäre nahmen an der 148. GV der Hypi Lenzburg teil. Bild: Boris Baldinger

Die Generalversammlung der Hypothekarbank Lenzburg (Hypi) wurde auch 2017 dem Charakter eines Volksfests für die Region Lenzburg gerecht. Wie in den Vorjahren strömten die Aktionäre an der 148. GV wiederum in grosser Zahl in die Mehrzweckhalle in Lenzburg. So freute sich VR-Präsident Gerhard Hanhart, trotz des garstigen Wetters über 1’100 Aktionäre begrüssen zu dürfen. Die hohe Präsenz zeige, dass die im Dezember 2016 von finews.ch zur digitalsten Bank der Schweiz ernannte Hypi mit ihren Aktionären, die hoffentlich auch alle Kunden seien, nicht nur virtuell, sondern auch physisch verbunden sei. Ähnlich wie das Wetter präsentierten sich die Finanzen der Stadt Lenzburg, über die graue Wolken aufgezogen seien, meinte Hanhart. In diesem Sinn bezeichnete er es als nachvollziehbar, dass sich auch die Vertreter der Stadt eingefunden hätten und damit ihr Interesse an der Situation ihres Steuerzahlers zeigten.

Nach seinen einleitenden Worten wickelte Hanhart die üblichen Formalia wie die ordnungsgemässe Einberufung der GV und deren Stimmfähigkeit ab. Trotz der zahlreichen neuen Vorschriften, die unter anderem eine elektronische Abstimmung vorschreiben, werde er versuchen, die GV so speditiv wie möglich abzuwickeln. Eine Absage erteilte er dem Begehren von Aktionären im Nachgang zur GV von 2016. Diese hatten den Wunsch, dass die Ergebnisse der notwendigen Einzelabstimmungen bei der Wahl der Mitglieder des VR und des Vergütungsausschusses in globo nach den Abstimmungen und nicht mehr nach jeder Wahl direkt ermittelt und den Anwesenden gezeigt werden. Dazu hätte die Hypi einen vierstelligen Betrag in die Neuprogrammierung der Software investieren müssen. Dies stehe bei einer kostenbewussten Bank in keinem Zusammenhang zum daraus resultierenden Zeitgewinn von sechs Minuten, betonte Hanhart. So müssen sich die Aktionäre weiterhin minim länger gedulden, bis die GV beendet ist.

Weltweit positive Konjunkturdaten

VR-Präsident Gerhard Hanhart erläutert das konjunkturelle Umfeld. Bild: Boris Baldinger

In seinen Ausführungen zum konjunkturellen Umfeld, in dem sich die Hypi im Geschäftsjahr 2016 bewegt hat, legte Hanhart dar, dass per Jahresende 2016 die makroökomischen Konjunkturdaten gemäss den Indikatoren die besten Werte seit langer Zeit erreicht hätten. Dies spiegle die positive wirtschaftliche Stimmung, in der sich die Konjunktur weltweit befinde. Alle Zeichen stünden auf einer positiven Entwicklung der Wirtschaft im laufenden Jahr. Besonders hervorzuheben sei die tiefe Arbeitslosigkeit in Europa. Hier hätten insbesondere die Länder der südeuropäischen Peripherie neue Rekordtiefststände verzeichnet. Auch in der Schweiz zeichne sich trotz des währungsbedingten strukturellen Defizits keine Erhöhung der Arbeitslosigkeit ab. Weder die Maschinenindustrie noch die Bauindustrie verzeichneten markante Abschwächungen, wie dies erwartet worden war. Die Bautätigkeit halte an. Dies gelte besonders für das Geschäftsgebiet der Hypi, was durch eine anhaltend hohe Nachfrage nach Hypotheken untermauert werde.

Ähnlich präsentiere sich die Lage in Amerika. Die Wirtschaft habe einen Trump-Bonus und entwickle sich hervorragend. Die Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank Fed im Dezember 2016 und die zweite Erhöhung am 15. März 2017 seien eine logische Folge der starken Entwicklung, wobei sich die Fed zur Inflationsgefahr ausschwiege. Vollkommen unklar seien hingegen die Auswirkungen der Trumpschen Konjunkturprogramme auf die Entwicklung der internationalen Geldpolitik.

Zwischen der europäischen und der amerikanischen Marktentwicklung lasse sich bei der Zinsentwicklung ein klarer Unterschied feststellen. So seien die langfristigen Zinssätze in Europa deutlich weniger stark gestiegen als in Amerika. Noch deutlich geringer sei der Anstieg in der Schweiz ausgefallen. Hier zeichne sich denn auch zumindest für 2017 keine Veränderung des Marktumfelds ab. Zwar seien die Zinsen für 10-jährige Anleihen der Eidgenossenschaft wieder im positiven Bereich angekommen. Dennoch habe die Schweizerische Nationalbank SNB 2016 an den Negativzinsen festgehalten und die Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber anderen Währungen durch punktuelle Interventionen am Devisenmarkt begrenzt. Für 2017 rechnet die Hypi mit einer Fortführung dieser Geldpolitik durch die SNB. Untermauert werde dies durch die moderate Verbesserung des Arbeitsmarkts.

Zinsen bleiben unter Druck

CEO Marianne Wildi berichtet über das Geschäftsjahr 2016. Bild: Boris Baldinger

Die Hypi geht davon aus, dass die Zinsmargen im Bankgeschäft in der Schweiz unter Druck bleiben werden. Im Hypothekarmarkt liefern sich zahlreiche neue Marktakteure einen Konkurrenzkampf. Dies betreffe vor allem die Kunden mit einer guten Bonität und führe dazu, dass die Zinsmargen tendenziell weiter zurückgehen würden. 2016 verzeichnete die Hypi eine historisch tiefe Bruttozinsmarge von 1%. Angesichts dieser Problematik hat sich der Verwaltungsrat im Rahmen seines Strategieplans 2017-2021 für Massnahmen zu einer Stärkung des zinsindifferenten Geschäfts als zweites Standbein entschieden. An seinem Geschäftsstellennetz halte die Hypi aber gleichwohl fest. Markant ausgebaut wurde das Asset Management. Die besonders bei institutionellen Anlegern erzielten Akquisitionserfolge belegten, dass die Hypi hier auf dem richtigen Weg sei. Allerdings würden sich diese erst im laufenden Jahr positiv in der Erfolgsrechnung niederschlagen.

Weiterhin positiv entwickelte sich das Dienstleistungsgeschäft mit der von der Hypi selbst entwickelten Bankensoftware Finstar. So konnte 2016 mit der Sallfort Privatbank AG die erste Privatbank als Kundin gewonnen werden. Vor kurzem sei überdies die Scobag Privatbank AG als Finstar-Kundin hinzugekommen. Zudem sei es der Hypi gelungen, mit der Personalkasse der SBB erstmalig eine Nicht-Bank als Finstar-Kundin zu gewinnen.

Den Trend zur Digitalisierung geht die Hypi offensiv an. In diesem Zusammenhang erklärte Hanhart seinen Stolz, dass die Hypi 2016 zum digitalsten Bankhaus der Schweiz gewählt worden sei. Die Hypi bekenne sich klar zu einem dualen Geschäftsmodell. Dieses bestehe aus einem informatikbasierten Angebot auf der einen Seite und dem Geschäftsstellennetz auf der anderen Seite. Die Informatik spiele aber nicht nur auf der Angebotsseite eine wichtige Rolle.  Die stetig steigenden regulatorischen Anforderungen seien ohne Investitionen in die IT nicht mehr zu bewältigen. Dank der eigenen Software sei die Hypi für alle Herausforderungen gut gerüstet und könne sich ihre Eigenständigkeit bewahren.

Positive Entwicklung der Hypi-Aktie

Keinesfalls zu verstecken brauche sich die Hypi auch bei der Entwicklung der Namenaktie. Weder den Vergleich mit dem Swiss Performance Index SPI noch mit dem Bankenindex brauche der Titel zu scheuen. Die Namenaktie legte 2016 um über 5% auf 4240 CHF zu. Seit Jahresbeginn stieg der Wert der Titel sogar zeitweise um über 10% und weist aktuell ein Plus von 8% aus. Auch die Dividendenrendite von 2.4% kann sich im aktuellen Tiefzinsumfeld mehr als sehen lassen. Zudem könne die Rendite durch die Naturalie in Form des Nachtessens nach der GV noch weiter gesteigert werden.

Digitalisierung ersetzt Kundenkontakt nicht

Interessiert folgen die Aktionäre den Ausführungen von Geschäftsleitung und VR. Bild: Boris Baldinger

CEO Marianne Wildi erklärte, dass die gesamte Bankenwelt von der Digitalisierungswelle erfasst werde. Vor nicht allzu langer Zeit sei nicht einmal von Digitalisierung gesprochen worden. Es komme jedoch meist alles anders als man denke. Wildi bezeichnete sich als Fan von digitalisierten Zahlungen auf der einen Seite. Gleichzeitig gehe sie aber sehr gerne in die Geschäftsstellen, habe Freude am Kontakt mit den Kunden. Die Zeit für persönliche Gespräche sei ihr wichtig. Die Digitalisierung des Geschäfts folge dem allgemeinen Trend der vereinfachten Nutzung aller Produkte und dem neuen Lebensstandard des Smart Living.

Den lauten Knall in den Lautsprechern, der ihren Ausführungen zum Digitalisierungstrend unmittelbar folgte und durch das Mikrofon verursacht wurde, führte Wildi als eines der Beispiele der digitalen Technologie an und erklärte – sichtlich erleichtert –, keinen elektrischen Schlag erlitten zu haben. Auch im täglichen Leben lasse sich die Digitalisierung – wie dieses Beispiel zeige – nicht aufhalten. Aber die Technik sei auch nicht fehlerfrei, und auch nicht alles sei wünschenswert. So könnten etwa Brillen bereits die Kalorien zählen, die man während des Essens zu sich nehme. Im Hinblick auf das Dessert nach der GV sei dies aber keine Anwendung, die sie begrüsse, meinte sie lachend.

Das Festhalten an den analogen und deren Verbindung mit digitalen Angeboten bezeichnete Wildi ebenfalls als wichtigen Bestandteil der Strategie der Hypi. Dieses hybride Geschäftsmodell sei ideal für die Zukunft. Die Bank sei gefordert, die neuen Wünsche der Kunden aufzunehmen und umzusetzen. Bei den sich eröffnenden neuen Möglichkeiten wolle die Hypi aber den Blick aufs Ganze behalten. Ebenso wichtig sei darum der Unterhalt des Geschäftsstellennetzes, wie sich dies jüngst in der Erneuerung der Filiale in Menziken manifestiert habe. Die digitalen Systeme entwickeln sich in rasantem Tempo weiter. So können Kunden mit der Hypi Start App ein Konto einschliesslich der Identifikation ihrer Person vollumfänglich elektronisch abwickeln, müssen dazu also weder persönlich vorsprechen noch einen Brief schicken.

Gute Geschäftszahlen trotz schwierigem Umfeld

Wildi skizzierte kurz den Geschäftsverlauf der Hypi im 2016 und wies auf einige wichtige Punkte hin. Die Bilanzkennzahlen sind wie in den Vorjahren sehr solide. So weise die Hypi etwa einen Deckungsgrad der Kundenausleihungen von 96% auf. Im Berichtsjahr ist es der Hypi gelungen, den Kunden keine Negativzinsen für die beim Bankhaus deponierten Gelder belasten zu müssen. Gerade bei den Geschäftskunden seien oft namhafte Beträge als Liquiditätsreserve auf den Konti deponiert. Im Vermögensverwaltungsgeschäft konnte die Hypi bei allen Mandaten nach Abzug der Kosten positive Renditen erwirtschaften. In diesem Bereich sieht Wildi denn auch weiteres Wachstumspotenzial. So dürfen die Aktionäre gespannt sein auf alles, was noch kommen wird.

Weiterhin sehr erfolgreich entwickelt haben sich die Angebote der Finstar-Software. Dank neuer Kunden verdoppelten sich 2016 die Dienstleistungserträge dieser Sparte gegenüber dem Vorjahr. So zeige gerade auch die Gewinnung der SBB Personalkasse im vierten Quartal die Wichtigkeit der Softwarelösung. Wildi meinte, diese Entwicklung freue sie besonders, wo sie doch IT im Herzen trage.

Besonders im digitalen Bereich sei es wichtig, den Mut aufzubringen, gewohnte Prozessabläufe zu durchbrechen und Neues zu lancieren. Dabei komme der Hypi die vollständige Unabhängigkeit zugute. So könne sie ihre Partner frei wählen und frei bestimmen, wie stark sie sich mit ihnen vernetzen wolle.

Abstimmungen ohne Voten mit hohen Mehrheiten

Den Knall des Mikrofons münzte Hanhart zu Beginn des nachfolgenden „Abstimmungsmarathons“ auf sich, habe er es doch vorgängig versäumt, die Höhe des absoluten Stimmenmehrs für die Abstimmungen zu benennen und holte dies an der Stelle dementsprechend nach.

Sämtliche Traktanden wurden im Sinne der Anträge des Verwaltungsrats angenommen, und dies durchwegs mit einem sehr grossen Mehr von über 80% aller vertretenen Stimmen. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde aus den Reihen der Aktionäre das Wort nicht ergriffen.

Somit blieb es bei den Anmerkungen des VR-Präsidenten zu den Traktanden. Diese begannen etwa beim Revisionsbericht, der nunmehr vier Seiten statt bisher eine umfasst. Für die Aktionäre reiche es aus, die ersten beiden und die letzten beiden Absätze des Berichts, die die wichtigsten Hinweise beinhalten, zu lesen, erläuterte Hanhart. Er wollte diese Aussage aber keinesfalls als Unzufriedenheit, Kritik oder gar fehlender Wertschätzung gegenüber der Revisionsstelle PwC verstanden wissen. Der an der GV anwesende leitende Revisor Christoph Käppeli erklärte denn auch die Ausweitung des Revisionsberichts. So werde neu bekannt gegeben, wie tief die Revisionsstelle prüfe und wo die Schwelle für die Prüfung von Fehlern liege (Wesentlichkeit). Bei Beträgen von unter 1.3 Mio. CHF werden bei der Hypi keine Prüfungen mehr durchgeführt. Dennoch werde geprüft, ob die Bank bei der Vergabe der Hypotheken ihren sehr hohen Ermessensspielraum nicht überschreite. Dies sei bei der Hypi nicht der Fall, und alle Bewertungen entsprächen den Anforderungen des Revisors.

Hanhart zeigte sich des Weiteren froh darüber, den Aktionären keine Vergütungen im Umfang derjenigen der Grossbanken zur Genehmigung vorlegen zu müssen. Bei der Hypi habe sich mit der Einführung der neuen Offenlegungsvorschriften nichts geändert. Die Aktionäre wurden bereits vor der Einführung der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) über die Vergütungen des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung transparent unterrichtet. Dies sei die Hypi ihren Anteilseignern schuldig.

Gemütlicher Teil als Abschluss

Der Abschluss der GV fand traditionell in drei Restaurants in Lenzburg statt. Bild: Boris Baldinger

Die Möglichkeit, nach den Abstimmungen informelle Fragen oder Anregungen einzubringen, liessen die Aktionäre ungenutzt. Für Hanhart war dies nachvollziehbar, zöge es doch die Aktionäre in die Stadt zum Nachtessen. So leerte sich die Mehrzweckhalle denn auch wenige Minuten nach dem offiziellen Schluss der GV. Durch Wind und Regen eilten die Aktionäre in die drei Restaurants Hotel Krone, Hotel Ochsen, Hotel Lenzburg und setzten ihre Gespräche untereinander im Trockenen fort. In geselliger Atmosphäre genossen sie das ausgezeichnete Nachtessen. Der Service an den Tischen war angesichts der grossen Teilnehmerzahl einmal mehr eine logistische Meisterleistung. Mit dem „Bhaltis“ – wahlweise zwei Zigarren oder einer Packung Pralinés – bleibt die Hypi-GV den Aktionären auch dieses Jahr über den Anlass hinaus in Erinnerung.

Fotogalerie der 148. Generalversammlung

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