Fortschritte bei den Wirkstoffkandidaten über alle Indikationsgebiete! Das meldete das an der SIX Swiss Exchange kotierte Schweizer Biotech-Unternehmen Molecular Partners am 26. Oktober im Management Statement zum Verlauf der ersten neun Monate 2017.
Es geht um grosse Märkte in der Onkologie. Der Krebs ist unverändert eine der Haupttodesursachen in den meisten Ländern der Welt, vor allem in den industrialisierten. Das bekam der Pharma-Riese Merck aus den USA am 27. Oktober an der Börse zu spüren. Nachdem der Zulassungsantrag für eine neue Lungenkrebstherapie (Non-Small Cell Lung Cancer) in Europa zurückgezogen worden war, stürzte die Aktie um 6% auf einen neuen Jahrestiefstand. Merck verlor 10 Mrd. USD an Marktkapitalisierung.
Positives Feedback von der FDA
Bei Molecular Partners hingegen gab es im Bereich Lungenkrebstherapie einen echten Fortschritt, denn die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA akzeptierte eine sogenannte Investigational New Drug Application (IND) für die Behandlung solider Tumore des Non-Small Cell Lung Cancer (NSCLC) durch das von Molecular Partners entwickelte Therapeutikum MP0250 in Kombination mit einem bereits eingesetzten Mittel. Damit erreichte die erste Therapie von Molecular Partners gegen solide Tumore ein positives Feedback von der FDA, ein Meilenstein.
Tumore verstehen und wirkungsvoll bekämpfen
Krankheiten allgemein und Krebserkrankungen im Besonderen sind nicht einfach irgendwann da, sondern sie entwickeln sich über mehrere Stadien und breiten sich auf vielfältige Weise über Organe, Blutkreislauf usw. aus. Genau da setzt die von Molecular Partners entwickele DARPin-Technologie an. Diese basiert auf einer neuen Klasse von kleinen therapeutisch wirksamen Proteinen, die multi-funktional und multi-spezifisch sind. Die von der FDA erlaubte Phase 1b/2-Studie bei den Lungenkrebspatienten soll die Wirksamkeit der DARPin-Proteintherapie bei NSCLC-Fällen zeigen, indem die Tumorkrebszellen an ihrer weiteren Teilung und Ausbreitung ganz spezifisch auf den verschiedenen Tumorpfaden behindert und attackiert werden. Darüber hinaus wird eine für das Tumorwachstum ungünstige Mikro-Umgebung geschaffen, sogenannte Tumor-Fluchtwege werden blockiert und die Bildung von Metastasen verhindert. Im ersten Quartal 2018 soll die zweite klinische Studie der Phase II beginnen. Studienergebnisse zur Wirksamkeit werden voraussichtlich 2019 vorliegen.
Onkologieprodukte werden selbst entwickelt
Bereits ein Jahr früher, also 2018, werden Studienergebnisse der Phase II vorliegen zum Einsatz von MP0250 gegen das Multiple Myelom (MM), eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems, die auch Plasmazytom genannt wird. Beim MM werden in den Plasmazellen verstärkt entartete Antikörper oder -bruchstücke produziert, die dann die Blut- und Knochenbildung beeinträchtigen und durch Ablagerungen zu Organversagen führen können. Bis heute ist das MM nicht heilbar. Allerdings haben sich durch das tiefere Verständnis der zellulären Vorgänge und erste Medikationen die Überlebensraten in den letzten 10 Jahren von 3-4 Jahren auf 7-8 Jahre verdoppelt. Rund 1% aller Krebsfälle sind MM. Sollte sich die gegenüber bisher verfügbaren Therapien höhere Wirksamkeit der DARPin-Technologie von Molecular Partners erweisen, eröffnet sich ein weiterer Multi-Milliardenmarkt. Alle Wirkstoffe in der Onkologie- und Immunonkologie-Pipeline sind zu 100% von Molecular Partners selbst entwickelt. Selbst, wenn zukünftig ein Partner für die Zulassung und die Distribution gewonnen werden sollte, bleibt doch der überwiegende Anteil der Einnahmen bei Molecular Partners selbst.
Erste Marktzulassung 2020 zu erwarten
Bei den Ophtalmologie-Produkten (Augenheilkunde), die voraussichtlich 2020 bzw. 2022 als erste aus dem Wirkstoff-Portfolio von Molecular Partners die Marktreife erlangen werden, sieht es jedoch anders aus. Mit dem weltweit führenden Unternehmen der Ophtalmologie, dem US-Unternehmen Allergan, besteht seit Jahren eine Kooperation, welche den Schweizern durch Meilensteinzahlungen bei Erreichen definierter Ziele bereits grosse Zuflüsse gebracht hat, und damit auch die Forschungen an den weiteren Wirkstoffkandidaten ermöglichte. Bei den beiden Wirkstoffkandidaten gegen altersbedingte Makula Degeneration und Diabetisches Makula Ödem trägt der Partner Allergan alle Entwicklungskosten. Bei Zulassung und rascher Markteinführung warten dann ca. 360 Mio. USD an Meilensteinzahlungen auf Molecular Partners sowie Royalties oder Lizenzzahlungen in Höhe von bis zu 15% des erzielten Medikamentenumsatzes. Der Gesamtmarkt hat gegenwärtig ein Volumen von ca. 8 Mrd. USD p.a. Der wesentliche Vorteil der Molecular Partners/Allergan Innovation ist, dass die unangenehme Injektion ins Auge weniger häufig als bei den gegenwärtig verwendeten Therapien erfolgen muss. Die erzielbaren Spitzenumsätze werden bei 1.5 Mrd. USD bis 3 Mrd. USD p.a. erwartet, also fliessen Molecular Partners jährlich bis zu 450 Mio. USD zu, ohne dass dem noch ein nennenswerter Aufwand gegenübersteht. Ein guter Überblick findet sich in der aktuellen Präsentation.
Erstes Halbjahr wie geplant
Im ersten Halbjahr 2017 wurden Umsätze von 6 Mio. CHF verzeichnet. Die Ausgaben beliefen sich planmässig auf 22.7 Mio. CHF, was zuzüglich der Finanzierungskosten in Höhe von 2.7 Mio. CHF zu einem Verlust von 19.4 CHF führte. In den ersten 9 Monaten wurden 28.5 Mio. CHF für operative Tätigkeiten aufgewendet. Für das Gesamtjahr erwartet das Management einen Aufwand von 50 Mio. CHF, davon 45 Mio. CHF in Cash und 5 Mio. CHF Non-Cash für Abschreibungen, IFRS Pensionsverpflichtungen und Aktienvergütungsprogramme. Per 30. September beträgt die Liquidität der Gesellschaft 151.5 Mio. CHF. Der Ausblick des Managements ist zuversichtlich, da zahlreiche Fortschritte bei den Wirkstoffkandidaten erreicht wurden.
Weichenstellung im Verwaltungsrat
An der ausserordentlichen Generalversammlung am 31. Oktober wird vom Verwaltungsrat vorgeschlagen, William Burns zum Verwaltungsratsmitglied zu wählen. Burns war zuvor CEO von Roche Pharmaceuticals und bringt somit weitere geballte Expertise in den Verwaltungsrat des Biotech-Unternehmens. Bei der ordentlichen Generalversammlung am 18. April 2018 soll er dann zum Chairman gewählt werden.
Fazit
Molecular Partners bleibt auf Kurs und hat erfreulicherweise soweit alle Hürden genommen. Viele Wirkstoffe scheitern ja schon in der Präklinik und in den ersten Studien, womit die bereits getätigten Investitionen in der Regel verloren sind. Läuft es bei Molecular Partners weiterhin so reibungslos, und kommen die Kandidaten mit den gewünschten Ergebnissen voran, so dürfte auch der Aktienkurs mit der Zeit Flügel bekommen, denn die aktuelle Bewertung von 570 Mio. CHF erscheint mit Blick auf die mittel- bis langfristigen Potenziale aus Investorensicht doch immer noch sehr attraktiv (siehe auch Blog-Beitrag vom 2. Juni 2017).