Seit dem Börsengang im vergangenen Juli war es relativ ruhig um die Zur Rose Group. Nach anfänglicher Seitwärtsbewegung hat die Aktie nun wieder Tritt gefasst und ist über den Emissionspreis von 140 CHF gestiegen. Im Oktober meldete Zur Rose mit Eurapon Pharmahandels GmbH eine Übernahme in Deutschland und darüber hinaus ein auf 15.4% beschleunigtes Umsatzwachstum im dritten Quartal 2017, dem ersten als börsenkotiertes Unternehmen. Im Interview steht CEO Oberhänsli Rede und Antwort auf zahlreiche Fragen.
Herr Oberhänsli, Gratulation zu dem erfolgreichen Börsengang und den jüngsten Quartalszahlen! Wie zufrieden sind Sie denn mit der durch das IPO nun erreichten Ausgangslage für die weitere Expansion?
Sehr! Wir können auf einem finanziell soliden Fundament unsere Wachstumsstrategie fortsetzen.
Der Konkurrent Shop-Apotheke will die Wachstumsprognose auf 55% bis 65% p.a. anheben und nimmt eine negative EBITDA-Marge von 2% bis 3% in Kauf. Und die Kurse der Aktie steigen. Befürchten Sie nicht, in puncto Börsenbewertung und Umsatz überflügelt zu werden?
Ich finde es gut, dass die Anleger an das Potenzial von Shop Apotheke glauben, die nun durch die Übernahme von Europa Apotheek auch rezeptpflichtige Medikamente anbietet. Letztlich ist das eine Bestätigung unseres eigenen Geschäftsmodells und unserer Ansicht, in den kommenden Jahren dem Wachstum höhere Priorität als der Profitabilität einzuräumen.
Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus, und welche konkreten Schritte sind nach der Eurapon-Übernahme als nächstes zu erwarten?
In Deutschland werden wir unsere intensivierten Marketingaktivitäten fortsetzen, um die Versandnachfrage insbesondere im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente weiter anzukurbeln. Zudem beabsichtigen wir, mittels Akquisitionen in Deutschland und in anderen europäischen Märkten weiter zu expandieren. Auch werden wir die Entwicklung von Digitalisierungsinitiativen weiter vorantreiben. Gerade neue Services, wie zum Beispiel die DocMorris-App, mit der jeder Kunde seine gesamte Medikation jederzeit abrufen kann, erfreuen sich grosser Beliebtheit. Last but not least werden wir weiterhin Kooperationen mit Krankenversicherern eingehen, die aufgrund der steigenden Gesundheitskosten sehr an einer Zusammenarbeit mit Versandapotheken interessiert sind.
Sie hatten ja ein ausgezeichnetes Timing beim IPO und haben für die Alt-Aktionäre und das Unternehmen mehr herausgeholt, als sich die meisten Marktteilnehmer hätten vorstellen können. Wie wird die Börse wohl weiterhin mit den Online-Apotheken umgehen, was erwarten Sie?
Wir glauben, dass wir mit einer weiterhin erfolgreichen Umsetzung unserer Wachstumsstrategie Mehrwert für die Aktionäre und alle anderen wichtigen Stakeholder schaffen. Letztlich können wir den Börsenkurs nicht beeinflussen, zumal sich ja auch andere Faktoren auf den Kurs auswirken können.
Inzwischen befürchten ja viele Investoren und Unternehmen, die Medikamente von den Herstellern zu den Patienten bewegen, dass mit einem vermuteten Einstieg von Amazon in das Pharmahandelsgeschäft eine neue Zeitrechnung beginnt. Was denken Sie darüber?
Während in den USA der Online-Pharmahandel eine Selbstverständlichkeit ist, müsste Amazon in Europa bestimmte Hürden überwinden. Die einzige Möglichkeit sehe ich darin, dass Amazon über Akquisitionen in das Pharmahandelsgeschäft einsteigt.
Ist Zur Rose ein Übernahmekandidat? Wenn ja, wie „hübsch“ soll die Braut noch werden?
Als Übernahmekandidat zu gelten, muss unserem Ruf nicht unbedingt schaden, solange die operative Leistung stimmt. Allerdings sehen wir im Markt keine Anzeichen. Mit unserer Ankeraktionärin KWE Beteiligungen AG und unseren Ärzteaktionären haben wir eine grosse Stabilität im Aktionariat, wodurch eine unerwünschte Übernahme erschwert wird.
Welche Rolle können, abgesehen von Amazon, etablierte Einzelhandelsketten wie Carrefour, REWE, Migros oder auch Wal-Mart bei der erwarteten Konsolidierung des Segments spielen?
Ich kann nicht beurteilen, welche Rolle diese Player längerfristig im Pharmamarkt spielen wollen, und ob sie dies selber oder durch Übernahmen zu tun gedenken. Auf jeden Fall braucht unsere Tätigkeit schon ein ganz anderes Know-how als der Konsumgüter- und Nahrungsmittel-Einzelhandel.
Das Shop-in-Shop-Konzept wie jetzt in Bern mit Migros gestartet – ist das „nice to have“ als eine Art Offline-Alibi oder ist es ein grundlegender Pfeiler Ihrer Strategie, Online- und Offline-Welt zu verbinden?
Heute reicht es nicht mehr, ein Produkt von A nach B zu senden oder es im stationären Geschäft anzubieten. Die Zukunft heisst Omni-Channel, oder anders gesagt: kanalübergreifend einkaufen, das heisst, online bestellen und in der Apotheke abholen – und umgekehrt. Mit unserer stationären Präsenz kommen wir diesem Kundenbedürfnis nach. Deshalb ist Shop-in-Shop ein Pfeiler unserer Retail-Strategie, mit dem Zusatznutzen, dass die Kunden den Bezug ihrer Medikamente mit dem Einkauf in der Migros verbinden können und damit Zeit sparen. Last but not least stärkt die Offline-Präsenz unsere Marke.
Das innovative Joint Venture mit KPT im Bereich Krankenversicherung benötigt ja eine flächendeckende Präsenz, wenn es fliegen soll, oder?
Das Modell KPTwin.easy besteht darin, dass die Patienten ihre Medikamente entweder bei ihrem Arzt beziehen oder – falls der Arzt selber keine Medikamente abgeben darf – in der Versandapotheke bestellen. Wir bedienen beide: die selbstdispensierenden Ärzte und die Patienten.
Der offerierte Rabatt von 20% ist ein überzeugendes Argument für Versicherungsnehmer, das Angebot zu erwägen und anzunehmen. Welche Ziele haben Sie sich mit Ihrem Partner gesetzt, ist das Konzept auch auf andere Länder übertragbar, was und wer sind die potenziellen Innovationsverhinderer?
Wir glauben, dass das Modell dank der Prämieneinsparung auf offene Ohren stösst. Auch in Deutschland möchten wir einen Beitrag für ein effizientes und modernes, aber eben auch bezahlbares Gesundheitswesen leisten. Es gibt bereits Kooperationen mit Krankenversicherern bezüglich Adhärenz- und Compliance-Programmen. Namen können wir jedoch keine nennen.
Das „elektronische Rezept“ ist ja auch eine Innovation aus Ihrem Haus, welche die Hürden trotz offensichtlicher Vorteile nur begrenzt nehmen konnte. Geben Sie unseren Lesern bitte ein Update dazu?
In der Schweiz ist das elektronische Rezept seit 16 Jahren etabliert. In Deutschland treiben wir die Einführung ebenfalls voran. Dem stehen aber vor allem regulatorische Hürden gegenüber. Wir hoffen, dass auch diese bald überwunden sind, denn der grosse Nutzen ist offensichtlich.
Von der Schweiz und Deutschland einmal abgesehen, welches sind eigentlich Ihre Pläne für Frankreich, Spanien, Italien, wo die Penetrationsraten der Online-Apotheken noch relativ niedrig sind?
Eine Expansion hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Derzeit ist es noch verfrüht, bereits über konkrete Märkte zu spekulieren. Wenn sich gute Chancen bieten, sind wir da.
Wieviel Prozent der Aktien liegen eigentlich nun bei Institutionen? Und in welchen Ländern residieren diese?
Mit dem IPO und der Kotierung an der SIX haben wir das Aktionariat weiter diversifiziert und zählen nun auch Institutionen aus den USA, UK, Deutschland und der Schweiz zu unseren Investoren.
Wann wollen Sie die 2-Mrd. CHF-Umsatzhürde nehmen?
(Lacht.) So schnell wie möglich.
Was hören Sie eigentlich so von den neuen institutionellen Aktionären? Sind auch neue Erkenntnisse für Sie dabei?
Wir stellen fest, dass viele Institutionelle ihre Hausaufgaben bezüglich Marktabklärungen und Recherchen mehr als gut gemacht haben. Das führt zu anregenden Gesprächen auf einem hohen fachlichen Niveau. Das empfinde ich als sehr bereichernd.
Besten Dank für die offenen und interessanten Antworten.
Die Aktien der Zur Rose Group AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. Zuletzt wurden Kurse von 144.50 CHF gezahlt.