SIG Combibloc IPO: Innovativ verpackt zurück an die Börse

Weltweite Nummer 2 bei Gtränkeverpackungen will Marktanteile zugewinnen

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Die IPO-Serie an der SIX Swiss Exchange setzt sich mit dem kurzfristig anberaumten Börsengang von SIG Combibloc fort. Inklusive der Listings ist es der zehnte Neuzugang in diesem Jahr. Mit einem geplanten Emissionsvolumen von maximal 1.5 Mrd. CHF ist SIG Combibloc auch das bisher grösste IPO des Jahres. Was können Erstzeichner erwarten?

Zunächst stellt sich die Frage, ob die bis 27. September laufende Zeichnungsfrist nicht verkürzt wird, da bereits am ersten Tag der Zeichnungsfrist eine Überzeichnung konstatiert wurde. Dies spricht für eine Zuteilung am oberen Rand der Bookbuildingspanne von 10 CHF bis 13.50 CHF.

Free-Float maximal 49,1%

112,87 Mio. Aktien stammen aus einer Kapitalerhöhung, weitere 27 Mio. Aktien werden von dem Eigentümer Onex, einer kanadische Private Equity Gesellschaft, und nahestehenden Adressen, darunter einige Mitglieder des Managements von SIG Combibloc, angeboten. Zudem steht eine Mehrzuteilungsoption von 27 Mio. Aktien zur Verfügung. Der Bruttoertrag kann maximal 1.78 Mrd. CHF betragen. Nach IPO-Kosten sollte der Nettoertrag bei rund 1.6 Mrd. CHF, der Free-Float bei maximal 49,1% liegen.

Schuldenabbau ist Priorität

Mehr als 1 Mrd. CHF soll für den Abbau der Verschuldung verwendet werden, die auf 3,25x bereinigtes EBITDA reduziert werden soll. Das heisst, dass SIG Combibloc nach dem IPO und erfolgter Schuldenreduzierung so gut wie vergleichbare börsenkotierte Unternehmen dasteht. Dies sind: Ball, Polyone, Bemis und Silgan sowie Berry.

Kurs-Performance der Aktien von Verpackungsherstellern an der Nasdaq in den letzten fünf Jahren: Ball (blaue Linie), Polyone (orange), Silgan (schwarz) und Bemis (rot). Quelle: bloomberg.com

Deren Enterprise Value liegt durch die Bank bei dem 9-12fachen EBITDA. Die Aktien sind allesamt solide long-term Performer. Das EBITDA von SIG Combibloc wird mit 480 Mio. Euro (425 Mio. CHF) angegeben, was mit der erwarteten Börsenbewertung post-IPO in Höhe von bis zu 4.1 Mrd. CHF übereinstimmt. Mittelfristig will das Unternehmen jedoch die Nettoverschuldung weiter auf lediglich das Doppelte des bereinigten EBITDA reduzieren.

Dividendenpolitik

Für das laufende Geschäftsjahr ist eine Dividendensumme von 100 Mio. Euro vorgesehen. Zukünftig sollen 50% bis 60% des adjustierten Nettogewinns an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Ausschüttungen sollen aus der Kapitaleinlagereserve erfolgen, die Ende 2017 bei 1.15 Mrd. Euro lag und post-IPO 2.17 Mrd. Euro betragen soll. Daraus ergibt sich, dass die Dividendenzahlungen, je nach Gewinnwachstumsraten, für die Schweizer Aktionäre für 10-20 Jahre steuerfrei sein werden.

EBITDA-Marge von 28%

Die Zahlen von SIG Combibloc sind durchaus beeindruckend. Seit 2007 lag das jährliche Umsatzwachstum bei 4%, das bereinigte EBITDA wuchs stärker um jährlich 7%. Dadurch stieg die EBITDA-Marge von 20% vor zehn Jahren auf 27% in 2017. Für 2018 zeichnet sich eine weitere Steigerung auf über 28% ab, mittelfristig sind 29% das Ziel. In den 12 Monaten per Ende Juni 2018 betrug der Umsatz 1.7 Mrd. Euro, das Wachstum für das Kalenderjahr wird mit 4%-6% erwartet.

Vorgeschichte von SIG

Mit SIG Combibloc kommt ein traditionsreicher und in der Schweiz und weltweit bekannter Industriename an die Börse zurück. Allerdings hat die heute einzig auf aseptische Verpackungen für Getränke und Nahrungsmittel wie Suppen und Saucen fokussierte Gesellschaft nurmehr wenig mit der 1853 gegründeten Schweizerische Waggonfabrik der späteren Schweizer Industrie Gesellschaft zu tun.

Bereits 1906 begann die Schweizer Industrie Gesellschaft mit der Patentierung und Herstellung von Verpackungen. Bild: sig.biz

Die SIG startete ursprünglich mit Waggons für Züge im beginnenden Mobilitätszeitalter, später folgten Züge wie der legendäre TEE, Waffen, Werkzeugmaschinen sowie die Entwicklung und Produktion von Fabrikationssystemen. Letzteres führte bereits 1906 zum Einstieg in die Verpackungsindustrie, zunächst für Schokoladenriegel und Suppen, später für Milchverpackungen.

Innovationen und Konzentration

Die Geschichte dieser SIG-Sparte ist reich an Innovationen, wie z.B. die ersten Vakuumverpackungen für Kaffee. Die Fokussierung auf Getränke wie Milch und Säfte, das heutige Hauptgeschäft, erfolgte erst 1989. SIG hatte sich von den früheren Aktivitäten stets getrennt – durch Verkäufe oder die Einbringung in Joint Ventures, u.a. mit Fiat und Alsthom. So veräusserte SIG auch 2004 und 2008 die Verpackungsdivision und die Getränkedivison. Was blieb, ist die heutige SIG Combibloc, die sich gänzlich auf aseptische Getränkeverpackungen konzentriert. In diesem Bereich ist das Unternehmen mit 21% Weltmarktanteil die klare Nummer 2 nach TetraPak.

Sustainability in der DNA

Bild: sig.biz

Der Markt zeigt langfristig gute Wachstumsraten, da die Verpackungen es erlauben, Milch, Säfte oder Suppen langfristig ohne Kühlung aufzubewahren. Dazu kommt, dass die Produktion heute aus Recyclingmaterial und zu 100% aus erneuerbarer Energie erfolgt. Der Transport ist weniger umweltschädlich, weil weltweit 40 Produktionsstätten die Transportwege verkürzen und die leichte Verpackung die zu bewegenden Lasten verringert. 2017 gewann SIG Combibloc mit dem Signature Pack den World Beverage Innovation Award für die erste aseptische Getränkeverpackung, die zu 100% aus nachwachsenden Pflanzenrohstoffen hergestellt wird.

Marktentwicklung

Die Positionierung im Markt ist erstklassig, was weiterhin Zuwachsraten über dem Marktdurchschnitt erlauben sollte. Raum für Wachstum ist gegeben, das Management sieht SIG Combibloc in der Rolle des Angreifers auf die Nummer 1, TetraPak.

Attraktives Geschäftsmodell

Das Unternehmen ist fit und wettbewerbsfähig, die Bewertung zum IPO ist nicht überspannt, sondern durchaus branchenüblich. Die Industrie wird von wenigen Playern dominiert, wobei SIG Combibloc die starke Nummer 2 ist. Das sind schon bessere Voraussetzungen für eine langfristige Erfolgsgeschichte nach dem Börsengang und der Öffnung für das Anlegerpublikum als bei den anderen IPOs an der SIX, bei denen Private Equity Investoren die Vorbesitzer waren. Das Besondere an SIG Combibloc ist das Geschäftsmodell, das auf wiederkehrende Cashflows ausgerichtet ist. Nur 10% des Umsatzes entfällt auf Verkauf und Service von Verpackungsmaschinen, 90% dagegen auf das Verpackungsmaterial.

Besitzerwechsel seit 2007

Die Gesellschaft wechselte seit 2007 zweimal den Besitzer. Graeme Hart, der reichste Neuseeländer, erwarb 2007 über sein Verpackungskonglomerat Reynolds SIG Combibloc für 2.3 Mrd. USD. 2014 erfolgte der Verkauf über eine Auktion. Basispreis waren 4 Mrd. Euro (damals 5.2 Mrd. USD). Nachdem industrielle Interessenten bereits abgesprungen waren, blieben nur PE-Adressen im Spiel, namentlich CVC, Bain, BC, die Schweizer Partners Group sowie Onex aus Kanada, die letztlich mit 3.75 Mrd. Euro das höchste Angebot unterbreitete und im März 2015 den Zuschlag erhielt. Das EBITDA von SIG Combibloc hatte 2014 bei 500 Mio. USD gelegen. Das Equity Investment des Onex-Konsortiums betrug 1.2 Mrd. USD, der Anteil von Onex 405 Mio. USD.

Fazit

Die Aktie verspricht für Erstzeichner mehr als Ceva Logistics und Landis + Gyr bezogen auf die Bewertung zum Zeitpunkt des IPO. Beide Gesellschaften sind insofern vergleichbar, als sie jeweils aus dem Besitz von Finanzinvestoren auf den Markt kamen, aber auch, weil sie eine nennenswerte Stellung in einem oligopolartigen Markt haben. Die Fundamentaldaten sprechen zudem bei SIG Combibloc für nachhaltige Wachstumsraten um die 5%. Nach der geplanten Schuldenreduzierung steht genügend Cashflow für gute und steigende Dividendenzahlungen zur Verfügung. Die Aktie wird bei institutionellen Anlegern beliebt sein, da das Zahlenwerk stimmt und die langfristige Entwicklung prognostizierbar erscheint. Aufgrund der Überzeichnung dürfte die Bookbuildingspanne ausgereizt werden, doch selbst bei einer post-money Bewertung von 4 Mrd. CHF bleibt für langfristig orientierte Anleger noch Kurssteigerungsfantasie. Wer jedoch vergleichsweise günstig einsteigen will, sollte nicht mehr als 11.50 CHF bieten. Ein jährlicher Total Return, also inklusive Dividende, von 5%-10% erscheint auf dieser Basis realistisch. Der Enterprise Value, d.h. Verschuldung plus Marktkapitalisierung, sollte nicht über dem 10fachen EBITDA liegen. Im Auge behalten sollten die Aktionäre zudem die Konsortialbanken, die Kurse durch ihre manchmal wechselhaften Einschätzungen beeinflussen, siehe Ceva Logistics. Weiterhin sollte beachtet werden, dass das Management sich einer lock-up-Verpflichtung von einem Jahr unterwirft, die Finanzinvestoren jedoch nur von einem halben Jahr.

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