Germann Wiggli, CEO WIR Bank: «Wir befinden uns in einer Transformation»

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Die WIR Bank hat im vergangenen Jahr trotz einem Wachstum im Hypothekengeschäft einen Gewinnrückgang hinnehmen müssen. Das Geschäft mit den WIR-Krediten hat sich derweil verlangsamt, wobei die Bank auf ungünstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen verweist.

Der Gewinn bildete sich im vergangenen Jahr um 11,3% auf 13.5 Mio. CHF zurück, wie die WIR Bank Genossenschaft mitteilte. Der Generalversammlung wird nun eine unveränderte Dividende von 10.25 CHF je Stammanteil vorgeschlagen, wobei die Anteilseigner erneut zwischen einer Dividende mit Reinvestition oder einer Barausschüttung wählen können.

Zum 1. Juni gibt es bei der WIR Bank einen Führungswechsel. Der langjährige CEO Germann Wiggli übergibt die operative Verantwortung an Bruno Stiegeler. Wiggli wird der GV zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen.

Germann Wiggli, 54-jährig, arbeitete in den vergangenen 26 Jahren in verschiedenen Kaderfunktionen bei der WIR Bank, 13 davon als CEO. Anfang Juni übergibt er das operative Geschäft an seinen Nachfolger Bruno Stiegeler. Der passionierte Jäger Wiggli ist der GV zur Wahl in den Verwaltungsrat der WIR-Bank vorgeschlagen. Bild: schweizeraktien.net

Herr Wiggli, zum 1. Juni werden Sie die operative Verantwortung der WIR Bank an Bruno Stiegeler, den jetzigen Leiter der Kundenbetreuung, abgeben. Warum dieser interne Wechsel?

Ich habe mich schon einige Zeit mit meiner Nachfolgelösung  befasst. Es war mein Ziel, nicht bis zur Pensionierung die Position des Vorsitzenden der GL einzunehmen. Seit dem 1. Mai dieses Jahres bin ich schon 26 Jahre in einer Kaderfunktion der WIR Bank Genossenschaft tätig und per 1. Juni die Hälfte davon als CEO.

Sie selbst bleiben der WIR Bank erhalten und sind für einen VR-Sitz vorgeschlagen. Sie wollen Ihr profundes Fachwissen operativ weiterhin im strategischen Bereich einbringen. Was ist darunter zu verstehen?

Als CEO einer mittleren Bank ist man sehr stark im operativen Teil eingebunden. Man ist getrieben von regulatorischen Anpassungen, Zielverfolgung der quantitativen und qualitativen Vorgaben, Change Management im laufenden Betrieb und vielem mehr.  So kommen heute die strategischen Aspekte aus meiner Sicht zu kurz. Das kann man überall im „Old Banking“ sehen. Fintec und Startups drängen nun ins klassische Bankgeschäft. Ganz neue Modelle mit hohen Skaleneffekten kommen auf den Markt. Es ist eine Herausforderung für den Verwaltungsrat einer Bank, im Gremium genügend Fachwissen und Erfahrung einzubringen. Es soll ja nicht einfach ein Aufsichtsgremium sein, sondern sich vor allem bei strategischen Themen wie der Weiterentwicklung einbringen können. Und der VR sollte auch die Anforderungen der Kunden verstehen resp. spüren.

Die WIR Bank hat 2018 deutlich weniger Gewinn gemacht als noch 2017. Auf was führen Sie die negative Performance zurück?

Wir befinden uns in einer Transformation. Wir haben per November 2016 unsere Sichtbarkeit mit einem neuen Brand erhöht und sind sehr digital unterwegs. Wir haben da stark investiert. Noch bringen diese Investitionen nur einen Teil des Returns on Investment. Und natürlich schlagen auch die Negativzinsen bei uns zu Buche.

In was haben Sie konkret investiert?

Unsere Firmenkunden können seit 2016 innert rund 15 Minuten ein Konto inkl. Identifikation von überall eröffnen. Wir bieten unseren Firmenkunden ein geniales, kostengünstiges Kontopaket an. Mit einer Gebühr von 12.50 CHF im Monat können sie unsere Marketingplattform „WIRmarket“ nutzen, sich präsentieren und Geschäfte anbahnen oder direkt über unseren Shop abwickeln, inklusive  Bezahlung. Welche Bank bietet ihnen für 12.50 eine Verkaufs- und Marketingplattform mit rund 30‘000 Firmenkundenteilnehmer an?

Einen Rückgang um 4,6% mussten Sie auch bei den Kundeneinlagen hinnehmen. Insbesondere reduzierten sich die übrigen Verpflichtungen gegenüber Kunden, also die Kontokorrentguthaben, um 18,9%. Ist daran nur die derzeitige Zinslandschaft schuld?

Ja sicher. Die Kundengelder in Spar- und Anlageform haben leicht zugenommen. Hingegen sind die Kontokorrentguthaben eher volatil. Einen markanteren Rückgang hatten wir eher bei den Termingelder zu verzeichnen, da die Anleger die Mittel nicht mehr gerne auf mittlere oder längere Sicht binden wollen.

Leichtes Wachstum bei den Hypothekarkrediten, aber gleichzeitig haben die WIR Hypotheken abgenommen. Wie wollen Sie die Attraktivität des WIR erhöhen?

Aufgrund der weiter andauernden Negativzinspolitik der SNB haben  WIR-Geldmenge und WIR-Kreditvolumen abgenommen. Hingegen war die Nachfrage nach CHF-Finanzierungen weiterhin gut. Mit einer Zunahme von 4,4% in diesem Bereich waren wir zufrieden.

Im Handelsgeschäft schreiben Sie nach einem Vorjahresgewinn von 16,5 Mio. CHF jetzt einen Verlust von 16,8 Mio. CHF. Worauf führen Sie das zurück?

Im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmer halten wir einen gewissen Eigenbestand an Obligationen und Aktien im Handelsbestand. Diese dienen uns als Liquiditätsreserve, welche durch die neuen regulatorischen Vorschriften wichtiger als noch vor 10 Jahren waren. Durch diese Methode sind die Schwankungen auf den Wertschriften direkt über die Erfolgsrechnung abzubilden.  Ein schlechtes Jahr an den Börsenmärkten führt dann zu einen volatilen und schlechten Ergebnis. In guten Jahren legen wir hingegen einen Teil der Überperformance in die Schwankungsreserven für Wertschriften. Diese können in einer schlechten Phase wieder herbeigezogen werden.

Wie sieht es im Handelsgeschäft vor dem Hintergrund anziehender Aktienmärkte in diesem Jahr aus?

Im ersten Quartal dieses Jahres haben wir das Vorjahr beinahe schon aufgeholt. Wir agieren wie eine Pensionskasse oder ein Versicherer und haben einen langen Schnauf.

Was ist genau unter der Mehrwerthypothek zu verstehen, die Sie seit Mitte letzten Jahres mit einem Negativzins von 1,5% während 5 Jahren anbieten? Wie kommt sie bei den Kunden an?

Die Mehrwerthypothek vergeben wir an Firmen- und Privatkunden, welche Neuinvestitionen mit Kunden unseres Netzwerks ausführen. Sie können dabei einen Teil der Investition bei uns mit einer WIR-Mehrwerthypothek finanzieren. Wir zahlen ihnen somit während 5 Jahren fest 1,5% Zins in CHW aus. Dies soll ein Anreiz sein, das Netzwerk mit der WIR-Vergabe von unseren 30’000 Firmenkunden zu nutzen. Somit zirkuliert das Geld im Binnenmarkt und insbesondere bei KMU. Das ist der Sinn und Zweck unseres genossenschaftlich organisierten Bankinstituts.

Ihr Geschäftsaufwand ist mit -17,2% deutlich gesunken. Welches sind die Eckpfeiler für diesen eindrücklichen Rückgang der Ausgaben?

Der Rückgang ist auf den Abschluss unseres Relaunches im Jahr 2016 zurückzuführen. Das grosse Projekt ist im Verlaufe des Jahres 2017 dann ausgelaufen, und deshalb sind die Kosten im 2018 wieder tiefer.

Eine Erfolgsgeschichte ist Ihre Beteiligung an der VIAC. Was macht das VIAC-Vorsorgemodell der Säule 3a für die Kunden so attraktiv?

Das Produkt von VIAC ist einzigartig und das Beste im Markt. Inzwischen haben wir nach gut einem Jahr, wo wir damit auf dem Markt sind, schon 11‘000 Kundinnen und Kunden mit Assets under Management von über 160 Mio CHF. Einfach unglaublich. Unser Erfolg ist auf die einfache Nutzung via Smartphone von der Eröffnung bis zur Identifikation zurückzuführen. Und natürlich den riesigen Kostenvorteil für den Anwender. Auch kann hier – im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern – schon ab einem Franken in rund 2‘000 Aktien investiert werden. Wo kann man das sonst?

Zu erwähnen sind auch die drei Initianten von VIAC. Sie reagieren auf Chat-Anfragen auch am Samstag, am Sonntag oder am Abend und sind absolute Profis. Die Kunden loben den Service immer wieder, und die Bewertungen sind Spitze.

Wie hoch ist Ihre Beteiligung? Was haben Sie mit VIAC weiter vor?

Die Beteiligung der Bank liegt bei 40%. In den nächsten Tagen geht die Webversion live. Als nächster Schritt im Herbst kommt die Freizügigkeitslösung, und weiteres ist angedacht.

Ist der Weg hin zum zinsindifferenten Geschäft ein Muss, um Verluste im Zinsengeschäft auszugleichen?

Das indifferente Geschäft ist für die Banken immer interessant. Es bindet weniger regulatorisches Eigenkapital. Natürlich sind die Margen auch hier unter Druck geraten. Mit Fintec-Lösungen wird dies auch so weitergehen. Im analogen Banking wird es generell schwieriger werden. Innovationen sind gefragt.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Das bestehende analoge Geschäft – ich denke dabei an die persönlichen Kontakte zwischen Kunden und Berater – weiterhin zu pflegen und zu verbessern. Dies hinsichtlich Beratungsqualität und Kosteneffizienz. Somit auch die digitalen Kanäle weiter zu verbessern und die Kunden – je nach Bedürfnis – auf diese lenken.

Daneben gilt es, neue disruptive Kanäle wie VIAC zu suchen und zu entwickeln. Ich denke, in 10 Jahren sind die Kundenbedürfnisse wohl noch digitaler, und die Schalter werden gar nicht mehr benötigt. Die Qualität der digitalen Angebote muss aber erstklassig sein.

Herr Wiggli, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Die Genossenschaftsanteile der WIR Bank werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Die Kurse der Anteilsscheine lagen zuletzt bei einem Preis von 384 CHF.

Hinweis in eigener Sache: Am 4. Juni findet der Branchentalk Banken statt. Im Fokus stehen das Vorsorge- und Vermögensverwaltungsgeschäft. Weitere Informationen, das Programm und die Online-Anmeldung finden Sie hier.

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