«Menschen wollen über das Meer und über die Berge schauen», das ist einer der Leitsätze von Norbert Patt. Damit das Erlebnis des Panoramablicks auf 3020 Höhenmetern noch nachhaltiger in den Köpfen der Titlis-Besucher verankert wird, investiert das Bergbahnunternehmen in den nächsten Jahren über 120 Mio. CHF in den Ausbau der Gebäude auf dem Gipfel.
Im Interview mit schweizeraktien.net erklärt Patt, welche Zielgruppen für ihn besonders wertvoll sind, wie er mit den Basler Architekten Herzog & de Meuron in der Champions League auf dem Berg spielen will und warum man ein Visionär sein muss, um Erfolg zu haben.
Herr Patt, wie hat sich am Ende eines wettermässig strahlenden Sommers die Besucherfrequenz am Titlis entwickelt?
Wir sind mit dem ersten Halbjahr sehr zufrieden, im zweiten Halbjahr ist es schwieriger geworden. Vor allem das Geschäft mit China läuft nicht ganz rund, was sich aber tendenziell schon abgezeichnet hatte. Wir werden in der zweiten Jahreshälfte auf Vorjahresniveau sein.
Allerdings gingen im Winter, obwohl Sie mehr Besucher hatten, EBIT und Reingewinn deutlich zurück. Worauf ist das zurückzuführen?
Auf der Kostenseite hatten wir einmalige Belastungen. Insbesondere im Bereich Informatik. Zudem verbuchten wir einmalige Abschreibungen. Das erste Halbjahr mit der Wintersaison ist kostenseitig immer intensiver als das zweite. Das zweite ist, was die Performance betrifft, deutlich besser.
Gehen Sie davon aus, dass sich die Besucherzahlen weiter Richtung Sommer verschieben werden? Sind die Besucherzahlen im Winter und Sommer etwa gleich hoch?
Unsere Strategie ist es, 365 Tage im Jahr geöffnet zu haben. Selbstverständlich wollen wir eine Glättung des Geschäfts erreichen. Die Unterscheidung Sommer und Winter ist aber für uns eher sekundär.
Wir unterscheiden drei Gästesegmente: den Schneesport-Gast, der im Winter Umsatz macht. Den Individualgast, der auf den Titlis hoch- und wieder runterfährt, dies über das ganze Jahr verteilt, aber mit deutlichen Zuwächsen im Sommer. Und den Gruppengast, der sehr stark saisonal unterwegs ist. Nicht im Winter; aber nehmen Sie das Beispiel des indischen Gastes, der kommt vom April bis Juni, während der chinesische Gast wieder etwas anders getaktet ist.
Der Shift in Richtung Sommer findet statt, auch aufgrund des gestiegenen Individualgast-Segments, und das wollen wir so.
In einem Gespräch mit schweizeraktien.net sagten Sie uns 2016, dass das Rekordjahr 14/15 eine Ausnahme bleibe. Da haben Sie etwas tief gestapelt. Auch in den Folgejahren stiegen die Besucherzahlen an, 2018/19 lagen Sie mit 1,24 Mio. Besuchern deutlich über dem Jahr 14/15. Wie bewältigen Sie den Besucheransturm, und gibt es eine Grenze nach oben, wo sich der Andrang nicht mehr bewältigen lässt?
Eine Grenze nach oben gibt es theoretisch schon. Wir kommen an einzelnen Tagen mit 11‘000 Besuchern an unsere Kapazitätsgrenzen. Wenn dann noch mehr Gäste kommen, können wir z.B. keinen zusätzlichen Gastronomieumsatz mehr abschöpfen.
Wir wollen also nicht noch 1‘000 Gäste mehr. Hier können wir mit dem Dynamic Pricing gegensteuern und an wirklichen Spitzentagen darüber abschöpfen.
Aber nehmen Sie den heutigen Tag (17.9.). An dem haben wir 2‘300 Gäste am Berg. Also haben wir hier noch deutlich Potenzial nach oben; deshalb stellt sich für uns nicht die Frage nach der Gesamtkapazität, sondern wie wir die Spitzen und die Täler besser managen können. Das ist die Herausforderung, die sich uns stellt.
Ihr Kollege Urs Kessler von den Jungfraubahnen kritisiert die Vollintegration der Bergbahnangebote in den Swiss Travel Pass. Das würde den Massentourismus befördern. Wie stehen Sie zu diesem Angebot?
Der Swiss Travel Pass ist ein Instrument, das für eine zahlungsbereite Kundschaft im Ausland geschaffen wurde. Mit diesem Pass kann ich Schiff, Bahn und Postauto gratis fahren, aber die Berge muss ich dazuzahlen. Jetzt sind vor allem kleine Bergbahnen hingegangen und haben gesagt, sie seien auch gratis. Das ist völlig falsch. Der Gast ist zahlungsbereit, es kann nicht sein, dass wir den Berg jetzt gratis dazugeben und sehr wenig abschöpfen, und das auch noch zulasten des Öffentlichen Verkehrs.
Die Leute können z.B. gratis auf das Stanserhorn; bei uns geht das nicht, weil der Gast hier so viele Erlebnisse geboten kriegt, dass es ihm nichts ausmacht, wenn er dafür bezahlen muss. Wir gehen sicher nicht in eine Tiefpreisstrategie, wo wir uns über den Preis verkaufen müssen.
Der Konkurrenzdruck unter den Tourismusdestinationen ist hoch. Der Investitionsdruck steigt. Sie haben bekannt gegeben, dass Sie im Rahmen der Strategie „Titlis 3020“ (Projekt nach m. ü. M. benannt) das Bergrestaurant komplett neu bauen wollen. Wie weit sind diese Planungen fortgeschritten?
Technisch ist das Projekt praktisch fertig geplant. Wir sind jetzt auf Stufe Bauprojekt und könnten es eingeben. Sehr viele Leute arbeiten an den vier Teilprojekten: der Aussichtsturm mit Restaurant auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Bergstation mit Restaurant, Shops und Aufenthaltsräumen, der bestehende Verbindungsstollen und eine Pendelbahn als zweite Linie.
Zurzeit müssen wir die raumplanerischen Grundlagen schaffen, was nicht ganz einfach ist. Es braucht einen Kantonsgrenze-Abtausch, weil ein Teil des Gebäudes noch ein bisschen auf den Kanton Bern überlappt. Das ist ein anspruchsvolles und sehr langwieriges Verfahren. Wir hoffen, dass wir Mitte 2020 mit dem Bau einzelner Teilprojekte beginnen können.
Der Umbau des Richtstrahlturms zu einem Aussichtsturm wurde von niemand geringerem als den Stararchitekten Herzog und de Meuron entworfen. Kann man nur mit den Besten der Besten konkurrenzfähig bleiben?
Wir wollen Champions League spielen, das ist ganz klar. Das ist ein Leuchtturmprojekt und soll eine enorme Strahlkraft erhalten. Wir haben es zuvor auch mit lokalen Architekten versucht, waren da aber nicht zu 100% zufrieden. Mit Herzog & de Meuron haben wir Architekten, die sich andere, tiefgründigere Gedanken zu dem Projekt machen. Es ist fantastisch, mit solchen Profis zusammenzuarbeiten. Natürlich gibt es ein Risiko auf der einen Seite, aber die Chancen, dass wir reüssieren, sind viel grösser.
Von welcher Investitionssumme bezüglich „3020“ und Richtstrahlturm gehen Sie aus?
Wir gehen von 100 Mio. CHF aus, ohne die zweite Linie.
Die zweite Linie ist eine „Notbahn“, die wir vom Stand auf den Titlis hinauf bauen. Sie kostet zusätzlich 20 Mio. CHF. Das ist im Prinzip wie bei einem Tunnel, bei dem man einen Notstollen baut. Es geht nicht um eine Kapazitätserhöhung, sondern ist eine Frage der Sicherheit. Wenn wir 1‘000 Menschen auf dem Titlis haben und es passiert etwas, dann müssen wir die sicher wieder ins Tal bringen.
Das Projekt einer zweiten Linie haben wir aber schon lange in den Finanzplänen abgebildet.
Wie wollen Sie das alles finanzieren? Aus den laufenden Einnahmen oder mittels Kapitalerhöhung?
Einerseits aus den laufenden Cashflows, das ist unser Ziel. Wir haben aber auch mit Finanzinstituten kurzfristige Finanzierungen vereinbart, wir brauchen das Fremdkapital für ein paar Jahre. Die sind im Verhältnis zu den eigenen Mitteln, die wir in das Projekt stecken, durchaus vertretbar und angemessen.
Es kommt jetzt natürlich darauf an, wann die Teilprojekte kommen; wenn sie etwas nach hinten verlagert werden, dann ist es für die Finanzierung besser.
Wann rechnen Sie mit der Fertigstellung Ihrer Projekte?
Wir haben vier Jahre Bauzeit veranschlagt; wenn wir nächstes Jahr beginnen, rechnen wir beim optimalsten Verlauf mit einer Beendigung der Arbeiten Ende 2023.
Beheizte Skilifte, sich drehende Gondeln, nichts bleibt unversucht, um das Erlebnis auf dem Weg zum Gipfel noch attraktiver zu machen – welche Innovationen haben Sie im Köcher, auf die wir uns freuen dürfen?
Das Skibusiness ist ein schwieriges Geschäft, da ist relativ wenig Zug drinnen. Die Situation beim Ausflugsgast ist eine ganz andere: Da kommt einer auf den Titlis-Gipfel und ist nur schon begeistert von der Landschaft.
Wenn Sie zum x-ten Male in einen Raum reisen und zum x-ten Mal auf einem geheizten Sessellift sitzen, dann nehmen Sie das als Standard wahr. Der Skifahrer, der immer wieder kommt, legt auf ganz andere Dinge wert: Er will mit der Fliehkraft spielen, mit der Geschwindigkeit. Die Möglichkeiten des Free-Rides, des In-der-Natur-Seins sind ein zentraler Wert, den wir bieten. Hier sind wir intensiv am Nachdenken, wie wir uns weiterentwickeln.
Für uns aber ist der Ausflugsbereich viel spannender. Das sind die Gäste, die kommen, um die Ewigkeit der Berge, der Gletscher, des Schnees zu geniessen. Die dann wieder nach Hause nach Mumbai oder wohin immer gehen und dort erzählen, wie fantastisch es oben auf dem Titlis war.
Menschen wollen über das Meer und über die Berge schauen. Die Bilder im Kopf, die wir schaffen, sind der zentrale Punkt, um Begeisterung auszulösen. Deshalb auch ist die Zusammenarbeit z.B. mit Herzog & de Meuron so wichtig: nicht nur aus Marketingaspekten, sondern eben auch, um einen einmaligen Film im Kopf bei unseren Besuchern ablaufen zu lassen.
Braucht es ein Stück Grössenwahn, um solche Projekte, wie Sie sie jetzt angehen, umzusetzen.
Es braucht eine Vision, eine Hartnäckigkeit zu sagen: „Ich will nicht scheitern.“ Wir werden das Projekt mit Herzog & de Meuron realisieren, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist wann, aber es kommt. Schon unsere Vorgänger haben visionär in die Berge investiert, ihre Träume verwirklicht – deshalb sind wir heute da, wo wir sind. Das Out-of-the-Box-Denken braucht es dringend, das braucht auch der Tourismus, und das nicht nur im Kleinen, sondern auch im Grossen.
Können Sie uns schon eine Prognose geben zum Geschäftsjahr 2018/2019?
Wir werden sicher ein sehr gutes Geschäftsjahr haben, und der Blick auf die Märkte erlaubt eine positive Prognose.
Herr Patt, herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Die Aktien der Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. Der letztbezahlte Kurs lag bei 350 CHF.