SoftwareOne: Opportunistische Zeichnungsempfehlung für Glamour-IPO ohne Kapitalerhöhung

Neuemission schon am ersten Tag der Zeichnungsperiode überzeichnet

0
4689

SoftwareOne ist das vierte echte IPO an der SIX in diesem Jahr. Wie bereits bei Medacta und Stadler Rail handelt es sich um eine reine Umplatzierung von Aktien der Altaktionäre, da SoftwareOne als profitables Unternehmen kein frisches Kapital benötigt. Und wie bei Medacta und Stadler liegt die IPO-Bewertung im Milliarden-CHF Bereich. Lohnt sich die Zeichnung?

Im Vorfeld des Börsengangs von SoftwareOne stand eine Unternehmensbewertung zwischen 3.2 Mrd. CHF und 4 Mrd. CHF im Raum. Doch zuletzt hat sich das IPO-Klima weltweit, und speziell in Europa, merklich eingetrübt. Das Einhorn WeWork in den USA sagte das Going Public mangels Interesse und einer als zu hoch eingeschätzten Bewertung ganz ab. In Australien musste die Bookbuilding-Spanne von Latitude Financial beim aktuellen IPO um bis zu 21% abgesenkt werden, nachdem schon der erste Anlauf zum Börsengang verschoben worden war. Das ist insofern relevant, als KKR auch bei Latitude Financial wesentlich beteiligt ist.

Bewertung von 3 Mrd. CHF zu erwarten

Auf Basis der Bookbuilding-Spanne von 16.50 CHF bis 21 CHF errechnet sich für den Börsendebütanten nun eine Bewertung von 2.5 Mrd. CHF bis 3.2 Mrd. CHF. Zur Platzierung kommen 38,55 Mio. Aktien aus dem Besitz der Altaktionäre sowie ein Greenshoe von weiteren 5,78 Mio. Aktien. Sollte dieser vollständig ausgeübt werden, liegt der Free Float bei 28%, im Mindestfall jedoch bei 24,3%. Das Platzierungsvolumen beträgt somit 636.1 Mio. CHF bis 809.5 Mio. CHF.

Altaktionäre sind verkaufswillig

Die Altaktionäre gliedern sich in folgende Gruppen: die Gründer Beat Curti, René Gilli und Daniel von Stockar, die nach dem IPO unter Annahme der Vollplatzierung noch 30,8% an SoftwareOne halten werden, KKR mit einem Post-IPO Anteil von 15% sowie die ehemaligen Eigner der im letzten Jahr akquirierten Comparex in Form der Beteiligungsgesellschaft Peruni. Weiterhin bleibt die Witwe des verstorbenen Gründers entsprechend beteiligt. Nicht zuletzt sind auch die Mitarbeiter in Form eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes (ESP) wesentlich beteiligt. 8 Mio. Aktien des Platzierungsvolumens stammen aus dem ESP, so dass auch viele Mitarbeiter von SoftwareOne an dem Geldsegen aus dem Börsengang partizipieren.

Motive des IPOs und Interessengruppen

Die Gründe, warum SoftwareOne überhaupt an die Börse gebracht wird, sind dieselben wie bei den anderen Börsengängen im Mrd.-CHF-Bereich. Nach dem langen Börsenaufschwung sind hohe Bewertungen am Markt durchsetzbar, und angesichts des globalen Tiefzinsniveaus sind auch die Anleger noch immer stark an Neuemissionen interessiert. Das zeigt sich an der starken Performance der Neuemissionen im Aftermarket. Im dritten Quartal 2019 lag laut EY die First-Day Performance der IPOs durchschnittlich bei 27% und zum Quartalsende bei 32%. KKR als Beteiligungsgesellschaft ist über einen Fonds engagiert, der aus Investorengeldern gespiesen ist. Im Private-Equity-Geschäft ist eine Haltedauer von 5-10 Jahren üblich. Die Investoren erwarten Kapitalrückzahlungen und Gewinnbeteiligungen. Bereits im April war über die IPO-Pläne von KKR bezüglich Selecta und SoftwareOne auf schweizeraktien.net informiert worden. Die Gründungsaktionäre wollen ihr im Unternehmen gebündeltes Vermögen monetarisieren, auch die der akquirierten Comparex, ebenso die beteiligten Mitarbeiter. Doch das Sagen haben auch nach dem IPO die Altaktionäre.

Opting-up-Klausel

Das zeigt sich u.a. in einer in den Prospekt integrierten sogenannten Opting-up-Klausel. Üblicherweise muss bei Überschreiten der 33,5%-Schwelle ein öffentliches Übernahmeangebot an alle Aktionäre unterbreitet werden, es sei denn, dass es eine anderslautende Opting-Klausel gibt, wie die bei SoftwareOne vorliegende bis 49% reichende. Bis zu einer Beteiligungsquote von 49% ist rechtlich die Umgehung der 33,5%-Regelung möglich, aber eben nur, wenn es eine solche Opting-up-Klausel gibt. Dies bedeutet im Klartext, dass ein zukünftiger Aufkäufer bis zu 49% der Aktien akquirieren kann, ohne ein öffentliches Angebot vorlegen zu müssen!

Lock-up und erwartete Aftermarket-Performance

Während sich die Verwaltungsräte und das Management einer 12 Monate währenden Lock-up Verpflichtung unterwerfen, läuft die der sonstigen Altaktionäre nur sechs Monate. Das Interesse der Pre-IPO-Aktionäre ist es also zwangsläufig, durch ein Underpricing der Emission dafür zu sorgen, dass es sowohl am ersten Handelstag als auch in der Zeit danach zu steigenden Kursen kommt, so dass die neuen Aktionäre bei der Stange bleiben und weitere dazukommen. Dann können sie zu späteren Zeitpunkten weitere Aktien zu möglicherweise höheren Kursen verkaufen. Dass dies funktionieren kann oder nicht, zeigen die Kursverläufe von strukturell vergleichbaren anderen IPOs der letzten Jahre, die nicht immer so waren, wie von Altaktionären und Erstzeichnern erträumt.

Globaler Marktführer

Was aber kauft nun der interessierte Erstzeichner von SoftwareOne? Der beim Endkonsumenten nahezu unbekannte Weltmarktführer hat mittlerweile 65’000 Unternehmenskunden und berät, betreut, managt und optimiert deren Software-Portfolio sowie die Migration hin zur Nutzung von Cloud-Technologien. SoftwareOne ist in 90 Ländern präsent und bedient rund 150 Länder. Dazu kommen regionale Zentren sowie in Delhi, Mexiko und Leipzig sogenannte Global Service Delivery Center. Das betreute jährliche Einkaufsvolumen wird auf bis zu 13 Mrd. CHF geschätzt. Das Unternehmen verwendet Software- und Cloud-Produkte von rund 7’500 Publishern, beispielsweise Adobe und IBM, und verkauft deren lizensierte Produkte. Je grösser diese Publisher sind, umso weniger lizensierte Verkäufer ihrer Produkte wollen sie.

Auswahl von Anbietern von Softwareprodukten, die durch SoftwareOne verkauft werden. Quelle: softwareone.com

Microsoft – Chancen und Risiken

Das für SoftwareOne relevante Unternehmen ist Microsoft, auf deren Produkte 56% des Geschäftsvolumens entfallen. Microsoft ist wählerisch, und die Partner müssen sich jährlich für jede Region einzeln erneut qualifizieren. SoftwareOne gilt als weltweit grösster Microsoft-Vertriebspartner. Das ist einerseits ein Teil des Erfolgsrezeptes von SoftwareOne, andererseits jedoch ein vielschichtiges Risiko. Offensichtlich ist die Abhängigkeit von einem Hauptlieferanten, der bekannt dafür ist, sein Umfeld zu dominieren. Dahinter verbirgt sich jedoch ein weiteres Risiko, denn Microsoft ist auch, wieder einmal, im Fadenkreuz der anti-monopolistischen Kräfte – sowohl in Europa als auch in den USA. Eine Zerschlagung, wie von mehreren demokratischen Präsidentschaftskandidaten gefordert, könnte auch unabsehbare Folgen für den Börsenneuling haben.

Markt, Gewinnentwicklung und Dividende

Der von SoftwareOne adressierte Markt wird von Gartner Group auf global 757 Mrd. USD im Jahr 2022 geschätzt. Höhere Wachstumsraten erzielt das noch junge Segment Cloud. Der Markt für kundenorientierte Lösungen und Services wird auf 58 Mrd. USD beziffert. Die vielversprechende Positionierung von SoftwareOne zwischen den Software Publishern und den Anwendern in der Unternehmenswelt führt nicht zuletzt zu einem steigenden Anteil wiederkehrender Einnahmen, denn zufriedene Kunden wechseln nicht. In den letzten 10 Jahren stieg der Bruttogewinn, die von SoftwareOne bevorzugte Messgrösse, um 29% jährlich – und das auf organischer Basis. Die EBITDA-Marge erreichte zuletzt 33%, Ziel sind 35%. Im Jahr 2018 erreichte der operative Free Cashflow 166 Mio. CHF. Die Dividendenpolitik sieht vor, zukünftig 30% bis 50% des Jahresgewinns auszuschütten. Eine Dividende wurde auch schon in den Vorjahren gezahlt: 0.45 CHF je Aktie für 2016, 1.02 CHF für 2017 und 1.64 CHF für 2018.

Von Vision zu Vision

Die Gesellschaft operiert mit 4-Jahres-Visionen. Ziel der 2018 beendeten Phase war die globale Positionierung als end-to-end technology solution provider. In der Vision 2022 geht es nun dagegen darum, die digitale Transformation der Kunden durch die Nutzung der neuen Technologien zu ermöglichen. Drei „P“s stehen für die neue Orientierung: people, portfolio, provoke! Letzteres signalisiert die innovative Nutzung von innovativen Technologien. Dabei geht SoftwareOne systematisch vor. Am Anfang steht Beratung und Design, am Ende Management und Optimierung.

Risiken

Neben den Chancen eines weiterhin überdurchschnittlichen Wachstums empfiehlt sich für interessierte Anleger auch der Blick auf die Risiken, die im Prospekt detailliert dargestellt sind. So könnte sich der mit 66% noch immer hohe Anteil Europas angesichts der schwachen Konjunktur auch nachteilig auswirken. Zwar gab es bisher keine Probleme mit Akquisitionen, dennoch könnten bisher unerkannte Risiken aus der Integration von Comparex oder der Nutzung der angenommenen Synergien erwachsen. Weiterhin gilt es, die Altaktionäre genau im Blick zu behalten, die ab April 2020 ohne Einschränkungen verkaufen können. Das grösste Risiko aber erwächst aus der engen Beziehung zu Microsoft.

Opportunistische Zeichnungsempfehlung

Da bereits am ersten Tag der Zeichnungsfrist Aktien im Wert von 700 Mio. CHF gezeichnet wurden, ist zu erwarten, dass die Neuemission ein Erfolg wird. Die Zuteilung dürfte am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne erfolgen. Eine positive Performance ist wahrscheinlich, die kurzfristigen Kursrisiken erscheinen beschränkt. Die Zeichnung ist daher durchaus empfehlenswert, bei zu euphorischen Kursgewinnen im Aftermarket empfehlen sich jedoch baldige Gewinnrealisierungen.

Kommentar verfassen