Stefan Schulthess, CEO SGV-Gruppe: «Der Umsatz der Shiptec wird sich um 70% erhöhen»

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In den vergangenen Wochen sorgte die Luzerner SGV Holding gleich zweimal für Nachrichten. Erst kündigte das Schifffahrtsunternehmen, zu dem auch eine Werft- und eine Cateringfirma gehören, einen schwächeren Gewinn für 2019 an, der auf höhere Kosten für die Ausbaggerung des Seebeckens zurückzuführen ist. Dann gab die Gesellschaft bekannt, dass die Tochter Shiptec den Zuschlag für den Bau von zwei Personenfähren erhalten hat.

Stefan Schulthess ist CEO der SGV Holding AG in Luzern. Bild: zvg

Mit dem Grossauftrag über 57 Mio. CHF wächst die SGV Gruppe, welche in 2018 einen Gesamtumsatz von 80.3 Mio. CHF erzielte, in neue Dimensionen. Bei dem Auftrag für die zwei Fähren der Westschweizer CGN wird das Know-how genutzt, welches sich Shiptec beim Bau des neuen eigenen Motorschiffes Diamant und der Personenfähre zum Bürgenstock-Resort erarbeitet hat. CEO Stefan Schulthess betont im Interview mit schweizeraktien.net, dass die SGV mittelfristig weitere Aufträge im Schiffbau gewinnen möchte. Er äussert sich auch zu den Risiken des Grossauftrages sowie zu den Aussichten für die Gruppe in den kommenden Jahren.

Herr Schulthess, Ihre Tochterfirma Shiptec hat einen Auftrag für zwei Personenfähren der CGN über insgesamt 57 Mio. CHF erhalten. Was bedeutet dieser Auftrag für Ihr Unternehmen?

Für Shiptec bedeutet dies grosse Freude und grossen Respekt zugleich. Es ist der mit Abstand grösste Einzelauftrag in der noch jungen Firmengeschichte von Shiptec. Mit der Abwicklung dieses Grossauftrages wird Shiptec einen grossen unternehmerischen Entwicklungsschritt vollziehen können. Es ist, wie wenn sich der Fussballclub Luzern für die Champions League qualifiziert hätte … (lacht).

Dem Auftrag ist eine öffentliche Ausschreibung nach WTO-Recht vorausgegangen. Warum haben Sie sich gegen die Mitbewerber durchsetzen können?

Es war die Summe der vom Kunden CGN bewerteten Kriterien, in denen wir insgesamt ein besseres Angebot unterbreiten konnten als unsere ausländischen Konkurrenten. Sogar preislich waren wir ein paar Prozente günstiger. Wobei der Preis bei öffentlichen Submissionen ja nicht verhandelt werden darf. Vielleicht hat auch die Tatsache ein wenig geholfen, dass CGN schon lange ein guter Kunde von Shiptec ist und CGN uns als verlässliche Schiffswerft kennt und schätzt.

Das Auftragsvolumen ist mit 57 Mio. CHF fast dreimal so hoch wie der Jahresumsatz der Shiptec in 2019. Wie wollen Sie einen solchen Mammutauftrag bewältigen?

Eine berechtigte Frage, wobei sich die 57 Mio. CHF ja auf vier Jahre bis Ende 2022 verteilen. Pro Jahr sind das also rund 14 Mio. CHF. Das heisst, der heutige Jahresumsatz der Shiptec wird sich um rund 70% erhöhen. Und jetzt zu Ihrer Frage, wie wir dies bewältigen. Die gesamte Projektplanung und -koordination wird in Luzern bei Shiptec abgewickelt. Die Ausführungsarbeiten erfolgen dann aber nur teilweise in Luzern, sondern vielmehr mit Zulieferbetrieben aus Europa. Die Montage der beiden Personenfähren wird in der Werft der CGN SA in Lausanne ausgeführt, unter anderem auch mit Mitarbeitenden aus den europäischen Zulieferbetrieben. Ohne dieses Produktionsmodell hätten wir tatsächlich weder ressourcenmässig, terminlich noch preislich eine Chance, diesen Grossauftrag zu bewältigen.

«Grossaufträge» bergen ein grosses Risiko, insbesondere wenn die Margen dünn sind und es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt, wie das Projekt der SBB-Dosto-Züge zeigt. Wie gehen Sie mit diesen Risken um, und was tun Sie, um die Risiken für die SGV Gruppe so gering wie möglich zu halten?

Das Risiko von grossen Projekten ist uns natürlich bewusst, weil das auch nicht neu ist für Shiptec. Wenn man im Projektgeschäft wie Shiptec tätig ist, hat das Risikomanagement immer einen hohen Stellenwert. Vereinfacht gesagt, versucht man sich im Vorfeld eines Projektes möglichst genau zu überlegen, was alles schiefgehen könnte und was man vorbeugend dagegen tun kann, damit dieser Fall nicht eintritt. Ich bin überzeugt, damit können wir die wesentlichen Risiken reduzieren und verantwortlich damit umgehen. Aber klar, risikofrei ist ein so grosses Unterfangen über mehrere Jahre natürlich nicht, und die eine oder andere uns heute noch unbekannte Knacknuss müssen wir dann sicher lösen.

Jetzt haben wir viel von Risiken gesprochen. Kommen wir zu den Chancen. Wird die Shiptec in den kommenden Jahren weitere Grossaufträge dieser Art anziehen können, und ist der Standort Schweiz hier nicht zu teuer?

Kurzfristig werden wir sicher keinen weiteren Auftrag in dieser Grössenordnung bewältigen können; mittelfristig aber natürlich sehr gerne. Noch ein Wort zum teuren Produktionsstandort Schweiz. Wie bereits erwähnt, waren wir preislich nur konkurrenzfähig, weil wir einen substanziellen Teil der Arbeiten in Europa vorfabrizieren können. Sonst hätten wir preislich keine Chance gehabt, und das gilt natürlich auch für alle zukünftigen grossen Projekte.            

Sie sprachen davon, eventuell einmal eine Werft im Ausland übernehmen zu wollen. Wie weit sind Sie mit diesen Plänen?

Diese Frage ist schnell beantwortet. Wir haben zwar unsere Fühler ausgestreckt, aber bekanntlich braucht es immer zwei Partner, die sich finden müssen, und dann noch ein Unternehmen, das zu uns passt. Beides zeichnet sich momentan nicht ab.

Wie wichtig war der «hybride Antrieb» bei dem neuen Auftrag für den Gewinn der Ausschreibung; wo liegen die Besonderheiten, und wo sehen Sie hier Potenzial?

Sehr wichtig. In der laufenden Klimadiskussion werden ökologische Fragen bekanntlich immer wichtiger; das ist auch bei der CGN der Fall, und obwohl natürlich auch die Konkurrenz hybride Antriebe liefern kann, hat es sich positiv ausbezahlt, dass die SGV seit einigen Jahren hybride Antriebe in der eigenen Flotte stark forciert und Shiptec damit Erfahrungen sammeln konnte, die sie jetzt gewinnbringend für die CGN und andere Kunden einsetzen kann.

2019 soll der Jahresabschluss durch die Ausbaggerung des Werftbeckens belastet werden. Warum sind die Kosten dort so explodiert?

Explodiert sind die Kosten nicht. Wir wussten einfach lange Zeit nicht genau, was uns im Seegrund genau erwartet und damit auch nicht genau, um wieviel die Rückstellungen aus den Vorjahren von CHF 2.5 Mio. überschritten werden. Zwischenzeitlich sind die Arbeiten abgeschlossen, und wir rechnen mit Gesamtkosten von rund CHF 3 Mio. Das heisst, die Jahresrechnung 2019 wird mit CHF 0.5 Mio. belastet.

Wie sind die Aussichten für 2020, und in welchen der drei Bereiche sehen Sie mittelfristig (3-5 Jahre) das grösste Wachstumspotenzial: in der Schifffahrt, dem Catering oder bei der Shiptec?

Wir beurteilen die Aussichten 2020 weiterhin optimistisch, wie wir das bereits im Aktionärsbrief Ende 2019 geschrieben haben. Wachstumspotenzial haben Tavolago in der Gastronomie/Hotellerie und Shiptec im technischen Schiffsbaubereich sicher ein grösseres als die SGV. Im Gegensatz zu Tavolago und Shiptec ist die SGV standortgebunden und abhängig von der Tourismusentwicklung in der Stadt Luzern und am Vierwaldstättersee mit Rigi, Pilatus und Bürgenstock.

Die Aktien der SGV Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden Kurse von 319.50 CHF gezahlt.

1 Kommentar

  1. Hallo Stefan – herzlich Gratulation zu diesem Grossauftrag der CGN. Obwohl der seinerzeitige Auftrag für die Renovierungsarbeiten am DS „Neuchâtel“ hier auch etwas mitgespielt haben dürfte, welchen die CGN mit der Zurverfügungstellung der Maschinisten an die LNM auch beteiligt war?
    Lieben Gruss auch an Ruedi Stadelmann.
    Mit dampfschifferischem Gruss
    Ernst O. Kuster, gew. VP Verein TRIVAPOR – Dampfer auf den Juraseen

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