Die Corona-Krise trifft Anleger und Aktionäre nicht nur durch die starken Kursverluste in den letzten Tagen. Sie wirkt sich auch auf die laufende Generalversammlungs-Saison aus. Die Unternehmen stehen vor der Wahl, die Aktionärstreffen zu verschieben oder ohne Publikum durchzuführen. Die Energie Zürichsee Linth AG war eines der ersten Unternehmen, das eine solche «Geister-GV» durchgeführt hat.
Neue Verordnung schafft Rechtssicherheit
Mit der neuen Verordnung 2 zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2), welche der Bundesrat am 16. März erlassen hat, wurde für die Unternehmen nun Klarheit geschaffen. Sie dürfen gemäss Art 6a «ohne Einhaltung der Einladungsfrist» anordnen, dass die Aktionäre ihre Rechte ausschliesslich auf schriftlichem Weg, in elektronischer Form oder durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtvertreter ausüben dürfen. Diese Anordnung muss spätestens vier Tage vor der Veranstaltung schriftlich mitgeteilt oder elektronisch veröffentlicht werden. Diese neue Verordnung ermöglicht es, dass die Versammlungen ordnungsgemäss durchgeführt werden können. Gleichzeitig erhalten alle Aktionäre die Möglichkeit, ihre Rechte wahrzunehmen. Ein Recht auf persönliche Teilnahme besteht damit nicht mehr.
Titlisbahnen können GV nicht verschieben
Für Unternehmen wie die Bergbahn Engelberg-Trübsee Titlis ist diese neue Verordnung insbesondere deshalb wichtig, weil sie ihre Generalversammlung nicht wie die meisten Gesellschaften noch bis Ende Juni verschieben kann. Denn das Geschäftsjahr 2018/19 endete am 31. Oktober 2019. Der Gesetzgeber sieht vor, dass die GV gemäss OR Art. 699 innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres durchzuführen ist. Mit dem 27. März war das Zeitfenster für eine Verschiebung daher sehr klein. Nun findet die Versammlung quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch die börsenkotierten Finanzfirmen BB Biotech und Bellevue Group haben sich für diesen Weg entschieden. Ebenso wird die Acrevis Bank in diesem Jahr am 27. März eine Aktionärsversammlung ohne Aktionäre durchführen. In der Mitteilung weist die Bank auch nochmals explizit darauf hin, dass die Versammlung «ohne gesellschaftlichen Teil, das heisst ohne Nachtessen» durchgeführt werde. Auch der Milchverarbeiter Emmi verzichtet in diesem Jahr auf das traditionelle Raclette-Essen und wird die GV am 2. April nur im kleinen Kreis durchführen.
Dividendenzahlungstermin hängt vom GV-Beschluss ab
Ein wichtiger Aspekt für die fristgerechte Durchführung einer GV ist der Dividendenzahlungstermin. Denn nur, wenn die GV dem Antrag des Verwaltungsrates auf Ausschüttung einer Dividende zugestimmt hat, kann die Zahlung auch erfolgen. Gerade bei den börsenkotierten AGs, deren Aktien vor allem von Finanzinvestoren gehalten werden, ist die Dividendenzahlung von grosser Bedeutung. Wird die GV verschoben, fliesst auch die Dividende entsprechend später.
Gesellschaftlicher Teil als Aktionärspflege
Anders sieht es bei den nicht kotierten Gesellschaften aus. Hier steht der gesellschaftliche Teil im Vordergrund. Apéro oder Nachtessen sind Bestandteile der Aktionärspflege und gehören zur Tradition der Unternehmen. Daher haben sich gerade Firmen, deren Generalversammlung mehr ist als nur das Abarbeiten der Traktandenliste, dafür entschieden, die Generalversammlung zu verschieben. Ein neuer Termin wurde in den meisten Fällen noch nicht festgelegt. Bisher bekannt sind Verschiebungen u.a. von der Schweizer Zucker AG, der Spar+LeihkasseFrutigen, der Bank Brienz Oberhasli, der Spar+Leihkasse Bucheggberg, der EK Affoltern, der Hypi Lenzburg und der Loeb Holding. Letztere wird ihre GV erst am 25. Juni durchführen. Auch der Nahrungsmittelhersteller Bell Food Group hat sich entschieden, die Aktionärsversammlung zu verschieben. Diese soll nun am 12. Mai stattfinden. Bei den anderen Gesellschaften sind die neuen Termine noch nicht bekannt.
Wir werden die Entwicklung bei den GV-Terminen auf schweizeraktien.net weiterverfolgen und unseren Terminkalender regelmässig aktualisieren. Dabei können Sie uns auch helfen, indem Sie uns Terminverschiebungen mitteilen. Bitte senden Sie eine E-Mail an info@schweizeraktien.net.
Besten Dank.
Eine Frage: Ist bei kotierten Unternehmen nicht vorgeschrieben innert welcher Zeit nach dem Jahresabschluss die GV abgehalten werden muss?
Gemäss OR Art. 699 findet „die ordentliche Versammlung alljährlich innerhalb sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt“. Daher können die AGs, deren Geschäftsjahr Ende 2019 endete, ihre Generalversammlung noch bis zum 30. Juni 2020 durchführen. Verschiebungen bis zu diesem Datum sind also möglich.