Andreas Buri, CEO Clientis: «Krise wird Bremsspuren in den Büchern von KMU und Banken hinterlassen»

Clientis Banken wollen KMUs einfach, schnell und unbürokratisch helfen.

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Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Schweizer Wirtschaft lässt sich noch nicht abschätzen. Innert weniger Tage mussten Tausende Kleinstunternehmen und Gewerbebetriebe von einem Tag auf den anderen ihr Geschäft schliessen. Ihnen wurde damit die Existenzgrundlage entzogen. Kurzarbeit und zügig geschnürte Kreditpakete des Bundes über vorerst 20 Mrd. CHF sollen den grössten Schaden abwenden. Bei der Vergabe der Kredite spielen die Schweizer Banken eine zentrale Rolle. Im Interview erklärt Andreas Buri, CEO der Clientis AG, wie sich die Mitglieder seiner Regionalbankengruppe auf diese Situation vorbereiten. Und er nimmt auch zu den Folgen der Krise für die KMU und Banken Stellung: «Alle werden Einbussen erleiden», so sein Fazit.

Die 14 Clientis Banken nehmen auch am Garantieprogramm des Bundes für KMU teil. Clientis-CEO Andreas Buri sagt, dass die Banken bei Liquiditätsengpässen einfach, schnell und unbürokratisch helfen sollen. Bild: zvg

Herr Buri, nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der Schweiz hat sich die Lage für Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb kürzester Zeit fundamental verändert. Wie spüren die Clientis Banken diese Krise, und wie gehen sie damit um?

In der Tat wurde die Welt schockartig in einen Krisenmodus gestürzt. Bei unseren Banken geht es um zwei Dinge: Erste Priorität hat der Schutz aller Mitarbeitenden mit geeigneten organisatorischen Massnahmen; in zweiter Priorität gilt es sicherzustellen, dass die Banken operativ funktionieren und wir für unsere leidgeprüften Kunden zur Verfügung stehen. Wir haben frühzeitig dafür gesorgt, dass ein grosser Teil unserer Mitarbeitenden problemlos von zu Hause arbeiten kann. Wo persönliche Kontakte weiterhin stattfinden müssen, finden diese sehr vorsichtig unter Berücksichtigung der BAG-Auflagen statt.

Die Corona-Krise verschlechtert die Existenzgrundlage vieler Unternehmen und Privatpersonen massiv. Durch ein Massnahmenpaket von 42 Mrd. CHF versucht der Bund nun ein Massensterben von Unternehmen zu verhindern. Teil davon ist die Soforthilfe mittels verbürgter COVID-Überbrückungskredite, welche eigentlich solventen KMU bei Liquiditätsproblemen helfen soll. Wie schätzen Sie die Wirkung dieser Massnahme ein, und wird sie die betroffenen Betriebe retten können?

Wir halten das unter Federführung des Bundes – speziell dem Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen – und der professionellen Kooperation der Schweizerischen Bankiervereinigung und aller Banken geschnürte Paket für tragfähig und belastbar. Es erlaubt die kurzfristige Sicherung der Liquidität der Schweizer Wirtschaft für eine gewisse Zeit. Bei der Erarbeitung dieser Massnahmen erlebte ich unter den Banken eine grosse Kooperations- und Hilfsbereitschaft für unsere KMU-Kunden. Subsidiär stehen zudem die verschiedenen Hilfsprogramme der Kantone zur Verfügung. Das Gesamtpaket wird fürs erste helfen, Konkurse zu vermeiden. Ob und wie weit die Massnahmen ausreichen, hängt vom Verlauf der Pandemie und vom Erfolg ihrer Eindämmung ab. Da wage ich keine Prognose.

Viele Unternehmen könnten über bestehende Vereinbarungen mit ihrem Finanzinstitut zusätzliche Liquidität erhalten, jedoch zu schlechteren Konditionen als bei der vom Bund verbürgten Soforthilfe. Wie ist der Erhalt der Hilfe geregelt, falls Unternehmen auch auf regulärem/altem Weg noch zu Krediten kommen könnten, beispielsweise über ein Kontokorrent?

Hier sind im Clientis Verbund die Mitgliedbanken gefragt: Es ist wichtig, dass die Einzelbanken mit ihren Kunden in engem Kontakt stehen, die individuelle Situation beurteilen und gemeinsam adäquat lösen. Das kann zum Beispiel durch Sistierung von fällig werdenden Amortisationen oder durch das zur Verfügung stellen von weiteren Überbrückungskrediten geschehen.

Was erhoffen Sie sich von den Notdarlehen an die Kunden für die Clientis Banken?

Ich bin überzeugt, dass wir zusammen mit den verschiedenen «Hilfsprogrammen» unseren KMU aktuell bei Liquiditätsengpässen einfach, schnell und unbürokratisch helfen können. Die 14 Regionalbanken der Gruppe leisten so in ihren Regionen einen wichtigen, aktiven Beitrag an die Überlebenschancen vieler guter Unternehmen.

Welche Auswirkungen wird die momentane Krise auf das Geschäft der Clientis Banken mit KMU-Kunden haben? Rechnen Sie mit höheren Ausfällen in nächster Zeit?

In der heutigen Lage ist eine Aussage dazu kaum möglich. Sicher wird diese Shutdown-Situation – je länger sie dauert – bedeutende Bremsspuren in den Büchern der KMU und damit früher oder später auch der Banken haben. Dabei dürfen wir aber auch die angespannte Situation für Privatpersonen und auf dem Immobilienmarkt nicht vergessen – alle werden Einbussen erleiden! Unseren Banken und unseren Kunden kommt dabei sicherlich die von uns seit Jahren verfolgte konservativen Vergabepolitik für Kredite und Hypotheken zugute.

Das Geschäftsmodell der Clientis AG zielt darauf ab, Mitgliedsbanken und Drittbanken Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Auf welche Unterstützung können die Banken in der aktuellen Krise zählen?

Unsere Organisation und Governance funktioniert so, dass eine umsichtige und rechtzeitige Vorausplanung es erlaubte, unseren 14 Clientis Banken sowie weiteren 9 Regionalbanken, die bei uns Dienstleistungen beziehen, einen umfassenden «Krisen-Support» in allen Fachbereichen zu bieten. Dazu gehören Services und Support im ALM, bei Legal & Compliance, IT & Operations, bei regulatorischen Fragen und in der Kommunikation. In der Bewältigung aussergewöhnlicher Lagen kommt einer gegenseitigen intensiven und zeitnahen Kommunikation, sei es per Mail oder an Telefon- und Videokonferenzen, eine zentrale Bedeutung zu. Je unsicherer die Lage, desto mehr sind gemeinsamer Austausch und Informationen gefragt.

Durch den Austritt der Clientis ZRB fehlt der Clientis AG ein wichtiger Beitragszahler. Werden Sie diese Lücke durch neue Kunden kompensieren können?

Aktuell geht es darum, dass wir für alle unsere Kunden – und das sind neben den 14 Mitgliedbanken noch 9 Bezüger von Dienstleistungen, also 23 Regionalbanken – ein professioneller Partner und umfassender Dienstleister sind. Ziel ist, dass diese sich auf die Betreuung ihrer eigenen Kundschaft konzentrieren können. Die Clientis Gruppe ist mit den verbleibenden Einzelbanken gut aufgestellt und sehr kapitalkräftig. Die Banken sind mit den vielen, modular zusammengestellten Dienstleistungen offenbar sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit bestätigte auch eine kürzlich durchgeführte umfassende Befragung bei all unseren Banken.

Wie wird sich das Umfeld für Regionalbanken durch die Krise verändern? Welche Position wird die Clientis-Gruppe in diesem veränderten Umfeld in Zukunft spielen?

Die gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden werden immens sein und sich erst im Verlaufe der Zeit im vollen Ausmass zeigen. Dabei wird es in allen Teilen unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu Veränderungen und Anpassungen kommen. Vorerst werden in der Wirtschaft die Investitionen und bei den Privatpersonen der Konsum zurückgehen. Als Konsequenz wird sich bei allen Banken der Margendruck und die Ertragserosion weiter erhöhen. Dabei wird aber Grösse nicht immer ein Vorteil sein. Einige unserer Mitgliedbanken sind teilweise bald gegen 200 Jahre alt und haben schon viele Krisen durchgemacht – sie werden auch die Corona-Krise überleben.

Vielen Dank für das Interview.

Die Aktien und Genossenschaftsanteile von neun Clientis-Banken werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt.

Mitarbeit: Daniel Eichenberger

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