Seit drei Jahren ist die Vermögensverwaltungsgesellschaft Peter J. Lehner & Partner AG am Markt aktiv. Hinter der Gesellschaft stehen mit Peter J. Lehner sowie den Portfoliomanagern Franco Cortesi und Adrian Lechthaler drei erfahrene Investoren. Sie kennen das Schweizer Small- und MidCap-Universum aus einer langjährigen Tätigkeit im Anlagegeschäft. Einen Fonds managen sie allerdings nicht. Sie setzen ganz auf diskretionäre Vermögensverwaltungsmandate. Im Gespräch mit schweizeraktien.net erläutern sie die Vorzüge des Segments und erklären auch, warum sie mit Schweizer Aktien auf eine geografische Diversifikation im Portfolio getrost verzichten können.
Herr Cortesi, Peter J. Lehner & Partner AG ist eine Vermögensverwaltung mit Fokus auf Schweizer Aktien. Warum setzen Sie dabei ausschliesslich auf Schweizer Small- und Mid Cap-Unternehmen?
Franco Cortesi: Schweizer Small- und Midcaps gehören seit Jahren zu unserer Kernkompetenz. Die Schweiz verfügt in diesem Segment über eine Vielzahl von interessanten und sehr innovativen Gesellschaften. Daher sehen wir in Schweizer Small- und Midcaps ein grosses Potenzial, um langfristig attraktive Renditen zu erzielen. Die vorteilhaften Rahmenbedingungen für die hiesigen Gesellschaften gepaart mit einem international wettbewerbsintensiven Umfeld ermöglichen es den Unternehmen, eine überdurchschnittliche, operative Leistung zu erbringen.
Welche Faktoren spielen für Sie bei der Auswahl der Unternehmen eine wichtige Rolle?
Eine ganze Reihe an Faktoren hat Einfluss auf die Wertentwicklung von einzelnen Aktien, was gerade zu dieser Zeit offensichtlich ist. Uns interessiert weniger ein Index, sondern wie sich eine Firma im jeweiligen Umfeld verhält und zielgerichtet die Zukunft gestaltet. Als Stockpicker konzentrieren wir uns deswegen auf kleine und mittlere Schweizer Unternehmen, wo wir mit dem Umfeld der Firmen und der Börse bestens vertraut sind. Der direkte Zugang zu den Unternehmen und deren Management ist ein grosser Vorteil.
Adrian Lechthaler: Die Landschaft der Schweizer Small- und Midcaps ist von einer hohen Diversität geprägt. Trotzdem werden heute rund 80 Gesellschaften der über 210 Schweizerischen Aktien von keinem oder weniger als zwei Analysten abgedeckt. Die Mehrheit der Finanzanalysten konzentriert sich auf die Marktabdeckung von gross- und mittelkapitalisierten Titeln. Folglich ist die Informationseffizienz bei Small- und Midcaps tiefer, und darin sehen wir die Möglichkeit einer Outperformance durch unsere Expertise. Während den vergangenen 20 Jahren resultierte in der Schweiz eine durchschnittliche Small-Cap-Prämie, also eine Überrendite gegenüber Blue Chips, von etwa 4% pro Jahr.
Wie halten Sie es mit der geografischen Diversifikation, wenn Sie ausschliesslich in Schweizer Titel investieren?
Franco Cortesi: Die geographische Diversifikation soll auf Umsatz-Ebene der im Portfolio gehaltenen Gesellschaften gemessen werden und nicht aufgrund der Tatsache, wo die Aktien kotiert sind.
Wer in Schweizer Small- und Midcaps investiert, ist aufgrund der Umsatzverteilung der Unternehmen bereits global diversifiziert. Angesichts des kleinen Binnenmarktes sind die meisten Schweizer Firmen weltweit tätig.
Adrian Lechthaler: Unsere eigene Auswertung auf Basis der Geschäftsberichte von 121 gleichgewichteten kleineren und mittleren SPI-Gesellschaften, ohne Banken, Versicherungen, Versorgern und Immobilienaktien, zeigt, dass der Umsatz dieser Gesellschaften zu 78% im Ausland erzielt wird. Der durchschnittlich in der Schweiz erwirtschaftete Umsatzanteil von 22% ist vor allem auf wenige, inlandorientierte Gesellschaften wie APG, TX Group, Burkhalter oder Valora zurückzuführen.
Oftmals ist die Liquidität eine Hemmnis für Investitionen gerade in Small Caps für institutionelle Anleger. Wie gehen Sie damit um?
Franco Cortesi: Wir halten in der Regel unsere Kernpositionen langfristig, und damit ist eine geringere Liquidität für uns weniger entscheidend.
Wir kennen die Mehrheit der Akteure im Small- und Midcap-Bereich, und somit sind oft auch Blocktrades möglich. Ausserdem haben wir die notwendige Geduld und können unsere Positionen auch über mehrere Wochen auf- bzw. abbauen.
Nehmen Sie bzw. Ihre Kunden auch aktiven Einfluss auf die Portfoliounternehmen, z.B. in Form von Verwaltungsratssitzen?
Adrian Lechthaler: Wir sind engagierte Investoren, jedoch sicher keine Aktivisten. Daher streben wir auch keine VR-Mandate an. Wenn uns etwas aber nicht passt, kommunizieren wir dies direkt dem Management. Wir stellen falls nötig auch Anträge an Generalversammlungen, wie kürzlich zum Beispiel bei der APG, wo wir mit der kompletten Streichung der im Vorjahr verdienten Dividende nicht einverstanden waren.
Wie gehen Sie bei der Analyse in dem von Ihnen bevorzugten Small- und Mid-Cap-Segment vor?
Franco Cortesi: Unser Ansatz ist «bottom up» getrieben. Durch die akribische Analyse der einzelnen Gesellschaften suchen wir nach unterbewerten Aktien.
Die fundamentale Analyse beinhaltet Firmenbesuche, DCF-Modelle, Branchen-Vergleiche und Sekundär-Research als Ergänzung. Im Schweizer Small- und Midcap-Segment muss man zudem aufpassen, dass das Portfolio nicht nur aus Industrie- und Gesundheitstiteln besteht, da aus diesen beiden Segmenten am Schweizer Markt unzählige interessante Unternehmen kotiert sind. Die einzelnen Aktien müssen am Schluss ein Puzzle bilden, das heisst, sie müssen alle verschieden sein, aber auch in einem Gesamtbild zusammenpassen.
Wo sehen Sie im Schweizer Small- und Mid Cap-Segment derzeit trotz der herrschenden Unsicherheiten in der Wirtschaft Anlagechancen? Nennen Sie uns doch drei Titel.
Drei Aktien sind zu wenig, um einen Diversifikationseffekt zu erreichen. Ich nenne aber trotzdem drei Aktien, die wir zurzeit als attraktiv einstufen und welche nicht bereits in jedermann’s Portfolio enthalten sind: Bobst, CPH und Medartis.
Welchen Einfluss wird die Corona-Pandemie auf diese Titel haben?
Bei Medartis wird die Corona-Pandemie im Jahresabschluss 2020 Spuren hinterlassen. Wir rechnen vor allem im 2. Quartal 2020 mit deutlichen Einbussen. In der Zeit des Lockdowns haben die Notfalloperationen, die zwei Drittel zum Produktumsatz von Medartis beitragen, deutlich abgenommen. In dieser Zeit waren alle zuhause, und es sind somit weniger Unfälle passiert. Diese Umsatzeinbussen werden logischerweise auch in Zukunft nicht aufgeholt. Bei den verschiebbaren Operationen wurden während der Corona-Krise kaum Umsätze generiert. Wir gehen aber davon aus, dass diese Operationen mehrheitlich nachgeholt werden. Auch der Markteintritt in China musste virusbedingt verschoben werden. Da sich diese negativen Effekte auf das Geschäftsjahr 2020 beziehen, bleibt für uns der Business Case weiterhin intakt. Vorausgesetzt, es gibt keine zweite Welle. Der neue CEO Brönnimann überzeugt, und die neuen Prioritäten sind unseres Erachtens richtig gesetzt.
Wie sieht es bei CPH aus?
Adrian Lechthaler: Die Corona-Pandemie trifft die CPH-Gruppe als Industriekonglomerat mit seinen Bereichen Papier, Verpackung und Chemie unterschiedlich. Eine Folge davon ist das Fortschreiten der Digitalisierung, was für CPH als Papierhersteller den bereits strukturellen Nachfragerückgang beschleunigt. Seit der Corona-Pandemie sind die Altpapierpreise wieder gestiegen. Weil die Sammeltätigkeit in den Gemeinden eingeschränkt war und durch das Home-Office weniger gewerbliches Altpapier entstand, verteuerte sich dieser Input-Rohstoff. Durch die geringere Papiernachfrage (deutlich weniger Zeitungsseiten und Inserate) ist der Papierpreis weiter gesunken. Dank der modernsten und effizientesten Papiermaschine in Westeuropa ist CPH im Verdrängungsmarkt der Pressepapiere bereits Kostenführer. Mit einer nahezu CO2-neutralen Produktion müssten die Luzerner mittelfristig aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen als Gewinner der Krise herausstechen und könnten langfristig als einer der letzten, verbleibenden Papierhersteller Zentraleuropas profitieren.
Die Divisionen Verpackung und Chemie werden vom Markt unterschätzt, und der Aktienkurs widerspiegelt lediglich die Papierdivision. In den letzten fünf Jahren ist deren Umsatzanteil kontinuierlich auf fast 50% angestiegen. Ebenso ist deren Margenpotenzial deutlich höher.
Und bei Bobst?
Als weltweit führender Anlagebauer für die Verpackungsindustrie ist Bobst starken Zyklen ausgesetzt. Bobst hat in den letzten Jahren den Ausbau und die Modernisierung der Produktepalette forciert. Der Maschinenpark wurde digitalisiert, so dass Arbeitsabläufe vom Design bis zum Endprodukt automatisiert und digitalisiert ablaufen. Zudem wurde neben dem Marktausbau auch stark im neuen Geschäftsfeld Digitaldruck oder im Bereich der Nachhaltigkeit in eine für flexible Materialverpackungen neuartige, komplett rezyklierbare Folie investiert. Dieser Entscheid löste eine Margenerosion aus, was viele Investoren erschreckt hat. Aufgrund der Pandemie sind im laufenden Geschäftsjahr weniger Neumaschinen bestellt worden. Das höhermargige Servicegeschäft sollte aufgrund des Kundenassistenz-Service mittels Fernwartung durch virtuelle Realität deutlich weniger gelitten haben. Langfristig wird Bobst vom Trend zum Versandhandel und effizienteren Verpackungen, also keinen Doppelverpackungen, überproportional profitieren.
In welche Titel/Sektoren würden Sie derzeit lieber nicht investieren?
Franco Cortesi: Grundsätzlich schliessen wir keinen Sektor/keine Aktie aus. Es ist eine Frage der Bewertung. Wenn das Chancen/Risiko-Profil in der Bewertung vorteilhaft «reflektiert» ist, kaufen wir auch Aktien in weniger attraktiven Sektoren, wie zurzeit im Automobil-Sektor. Bei einem Kurs um die 130 CHF finden wir zum Beispiel, dass die Komax-Aktie eine Wette wert ist. «Schlechte», also operativ wenig erfolgreiche Firmen, können «gute» Aktien sein, weil diese sehr billig sind und umgekehrt: Aktien von Firmen, die operativ und finanziell sehr gut aufgestellt sind, sind auch sehr begehrt und damit meistens auch sehr teuer bewertet.
Welche Punkte sollten Anleger beachten, die in Schweizer Small Caps investieren möchten?
Franco Cortesi: Wer in Schweizer Small Caps investiert, sitzt in einem kleineren Boot, und die Wellen in Form der Volatilität sind daher deutlich spürbar. Dafür sind kleinere Boote auch viel agiler als ein schwerfälliger Tanker. Die Korrelation zum Gesamtmarkt ist tiefer, und man sollte nicht enttäuscht sein, wenn etwas manchmal ein wenig länger dauert, bis sich der Anlageerfolg einstellt. Daher ist ein langfristiger Anlagehorizont unerlässlich.
Besten Dank für das Interview.