MCH Group: Warum der Deal mit James Murdoch ein Gewinn für alle sein könnte

Basler Messefirma war schon vor Corona in Schieflage

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Geschickt inszenierten erfahrene PR-Berater den Einstieg der Investmentfirma Lupa Systems von James Murdoch bei dem Basler Messebetreiber MCH Group. Erst wurden Medien gezielt mit «Primeurs» gefüttert und publizierten diese auch willfährig. Die Retourkutsche folgte kurze Zeit später. Auf einmal war Murdoch nicht mehr der gefeierte Retter der Messe Basel. «Passen Murdoch und das rot-grüne Basel überhaupt zusammen?», wurde da gefragt. Schliesslich stehe hinter der Familie der global tätige Medienkonzern News Corporation, der mit Fox News Trumps Sprachrohr und deren britisches Boulevardblatt The Sun mitverantwortlich für den Brexit sei. Die Öffentlichkeitsarbeiter rückten auch diese Punkte schnell wieder zurecht. Und auch die Angst, dass der Messestandort Basel an Bedeutung verlieren könnte, wurde dank Standortgarantien aus der Welt geräumt.

Am Schluss blieben nur noch Kritikpunkte an der Transaktion selbst übrig: Bei einem Preis von 10.50 CHF je Aktie erhalte Lupa Systems die Kontrolle über die MCH Group zu einem Spottpreis. Und die Altaktionäre erfahren eine Verwässerung durch die Wandlung eines 30-Mio.-CHF-Darlehens des Kantons Basel-Stadt in Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts. Auch verliere der Steuerzahler Geld, weil die Aktionäre der öffentlichen Hand zugunsten von Murdochs Lupa Systems auf ihr Bezugsrecht verzichten. Zudem seien andere Interessenten zu wenig berücksichtigt worden.

Es lohnt sich allerdings auch eine andere Sicht auf die Geschehnisse in Basel: auf eine Messegesellschaft, die im Juli 2020 mit dem Rücken zur Wand steht und daher keine andere Wahl hat.

Ein Totalversagen des bisherigen Verwaltungsrates

Denn die Lage der MCH Group ist schon seit einigen Jahren desaströs. Der bisherige Verwaltungsrat und auch das frühere Management haben ihre Aufgaben zu wenig oder gar nicht wahrgenommen, sonst hätten sie schon viel früher auf die sich abzeichnende Transformation in der Branche reagiert. Zu arrogantes Verhalten der Messebetreiber, zu teure Investitionen in die Infrastruktur und ein Millionenflop mit der Oldtimermesse Grand Basel sorgten bereits vor knapp zwei Jahren für grobe Kritik an dem Unternehmen. MCH-Verwaltungsräte wie Präsident Ulrich Vischer und Christoph Brutschin als Vertreter der öffentlichen Hand gestanden damals ihr Versagen sogar ein, zogen daraus aber keine Konsequenzen. Es wurde weitergewurstelt. Eine Antwort auf die digitale Transformation blieb vorerst aus, während sich das Umfeld rasant veränderte. Das sollte sich nun in der Corona-Krise rächen.

MCH war weder strategisch noch finanziell auf Krise vorbereitet

Mitten im Totalumbau der Messegesellschaft schlug die Corona-Pandemie zu. Sie traf auf ein Unternehmen, das weder strategisch noch finanziell solide aufgestellt war. Mit dem vom Bundesrat verordneten Lockdown brachen von einem auf den anderen Tag die Einnahmen weg. Während sich andere Messebetreiber wie die Bernexpo in Bern agil zeigten und neue Projekte an Land ziehen konnten, verharrte Basel weitestgehend in Schockstarre. Reihenweise wurden die grossen Messen erst verschoben und dann abgesagt. Bis zum Jahresende werden wohl nur noch wenige Veranstaltungen in den überdimensionierten Hallen in Basel stattfinden. Damit fehlen dringend benötigte Einnahmen. Die Absage von fünf wichtigen Uhrenmarken war schlussendlich auch das Aus für die Durchführung der Baselworld in ihrer bisherigen Form. Der Turnaround-Case MCH Group sei mittlerweile ein Sanierungsfall geworden, geben VR-Präsident Vischer und CEO Bernd Stadlwieser in den letzten Tagen offen zu. Ohne fremde Unterstützung wäre das traditionsreiche Basler Unternehmen in der jetzigen Form am Ende.

Einstieg von Murdoch ein geschickter Schachzug?

Der Einstieg von James Murdochs Lupa Systems könnte sich – trotz zahlreicher berechtigter Kritikpunkte an der Transaktion – als geschickter Schachzug erweisen. Denn er löst gleich mehrere Probleme, mit denen sich die Gruppe beim Einstieg andere Investoren oder gar der Finanzierung durch Kredite der öffentlichen Hand hätte herumschlagen müssen.

An erster Stelle dürfte hier das Netzwerk stehen, das Lupa Systems mit in die Transaktion einbringt. Dazu gehören nicht nur die Portfoliofirmen, von denen sich einige mit Medien, Technologie, Kommunikation und Bildung beschäftigen. Es gehört auch das Umfeld der News Corp und damit eines international tätigen Medienkonzerns dazu.

An zweiter Stelle steht die Internationalität des Investors. Bisher lagen die Aktien mehrheitlich in den Händen von Schweizer Investoren, 49% davon sogar staatlich kontrolliert. Diese neue Weltoffenheit könnte eine Chance für die MCH Group sein, denn mit der Art Basel und auch anderen Unternehmensbereichen ist MCH heute schon global unterwegs. Vielleicht eröffnen sich dank des neuen Aktionariats auch weitere Chancen jenseits der Schweizer Grenzen.

An dritter Stelle steht auch der geplante Wechsel im Verwaltungsrat. Mit James Murdoch und zwei weiteren Vertretern von Lupa Systems wird der Verwaltungsrat nicht nur eine dringend notwendige Verjüngung erfahren, sondern auch ganz neue Kompetenzen erhalten. Kompetenzen und Erfahrungen, die den bisherigen Verwaltungsrat fehlten und das Unternehmen so an den Rand des Abgrunds geführt haben.

An vierter Stelle steht das Kapital. Sofern eine zusätzliche Finanzierung notwendig sein sollte, beispielsweise für Zukäufe oder die organische Expansion, kann Lupa Systems weiteres Kapital zur Verfügung stellen. Insgesamt soll James Murdoch 2 Mrd. US-Dollar in Lupa System investiert haben. Diese stammen aus dem Verkauf der Anteile der Murdoch-Familie von 21st Century Fox an die Disney Corporation, wie der Datenbank CB Insights zu entnehmen ist.

Schlussendlich dürfte Murdoch auch die immer wichtiger werdende ESG-Thematik in das Basler Messeunternehmen einbringen. Denn nicht nur bei den Investments von Lupa Systems setzt er sich für diese Themen ein. Gemeinsam mit seiner Frau Kathryn engagiert sich die Stiftung Quadrivium für Demokratie, Wissenschaft und Technik sowie gegen den Klimawandel und die Zerstörung der Ozeane.

Kommt eines Tages ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre?

Mittel- bis langfristig könnten wohl alle Aktionäre vom Einstieg der Lupa Systems profitieren. Denn es ist durchaus denkbar, dass Lupa Systems, sofern die MCH Group den Turnaround schafft und sich positiv entwickelt, ihren Anteil erhöht. Ebenso denkbar ist, dass Lupa für seine Beteiligung eines Tages den Exit sucht, diese also zu einem höheren Preis wieder abstösst. In beiden Fällen dürfte es sich für die öffentliche Hand gelohnt haben, auf das Bezugsrecht zu verzichten. Und auch die übrigen Aktionäre würden von einem solchen Szenario profitieren.

Der Verkauf der Immobilien ist zwar eine Option, um kurzfristig Liquidität zu beschaffen. Dies hat die Bernexpo so gemacht. Ohne Mietvertrag dürften die Messehallen, insbesondere im aktuellen Umfeld, nur schwer verkäuflich sein. Zumal die Stadt Basel der MCH Group die wesentlichen Grundstücke nur im Baurecht zur Verfügung gestellt hat. Ohnehin wäre der Preis für die Immobilien abhängig vom Mietvertrag, den die MCH Group beim Verkauf wieder abschliessen müsste.

Ebenso ist fraglich, ob ein Teil- oder Komplettverkauf der Art Basel die in den Medien herumgebotenen 300 bis 500 Mio. CHF einbringen würde. Denn es ist noch völlig offen, ob und wie im kommenden Jahr eine Art Basel in Miami Beach und in Hong Kong überhaupt stattfinden kann. Der Standort Hong Kong könnte auch unter dem neuen chinesischen Sicherheitsgesetz an Attraktivität verlieren. Auch die digitale Transformation bleibt für die mittlerweile 50 Jahre alte Kunstmesse eine Herausforderung.

Es würde daher wenig überraschen, wenn sich der Deal mit James Murdoch in einigen Jahren als Gewinn für alle Beteiligten herausstellt: für Lupa Systems, für die öffentliche Hand, für die übrigen Aktionäre und auch für den Standort Basel.

Beteiligungen der Lupa Systems
Greenlight Biosciences greenlightbiosciences.com

Morning Consult

morningconsult.com
Daily Hunt m.dailyhunt.in/news/india/english

Notpla

notpla.com
Cove drinkcove.com

Harappa Education

harappa.education
The Void thevoid.com

Vice Media

company.vice.com
Percipeint.ai percipient.ai
Tribeca Enterpsises tribecaenterprises.com
MCH Group mch-group.com
Quelle: CB Insights

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