Erhard Lee, AMG Fonds: «Der konservativen Strategie treu bleiben»

Warum der AMG Substanzwerte Schweiz Fonds in IVF Hartmann, Jungfraubahn, Arbonia und Sulzer investiert

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Der AMG Substanzwerte Schweiz Fonds wurde 2004 mit dem Ziel aufgelegt, den Investoren gute Anlagen im Schweizer Aktienmarkt zu vernünftigen Konditionen zu ermöglichen. Er zielt darauf ab, vorsichtig und unternehmerisch in erprobte, solide Schweizer Firmen zu investieren und damit eine ansprechende Rendite zu erwirtschaften. Das Portfolio besteht sowohl aus Bluechips als auch aus Mid- und Smallcaps bis hin zu einem OTC-Wert wie Holdigaz.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussert sich Erhard Lee, AMG Fonds, zum Revival der Substanzwerte, zur Zinswende und warum der Fonds an Werten wie IVF Hartmann oder der MCH Group trotz der nicht befriedigenden Kursperformance in 2021 festhält.

Herr Lee, vor dem Hintergrund steigender Zinsen und einem möglichen deutlichen Abflauen der Pandemie sind die Börsen sehr volatil geworden: Kommt jetzt die Zeit der Substanzwerte, Ihre Zeit?

Die Zinssituation ist in der Tat speziell. Sie resultiert aus der steigenden Inflation, welche aber nicht durch einen Nachfrageüberhang wegen überschäumender Konjunktur getrieben wird, sondern durch einen Angebotsmangel wegen mangelnder Verfügbarkeit von Rohstoffen und Materialien. Es ist zu hoffen, dass sich mit dem Ende der Pandemie die Versorgungssituation langsam normalisiert. Die Auswirkungen werden aber noch zwei, drei Jahre zu spüren sein. Für die Substanzwerte verbessert sich die Situation insbesondere mit dem erwarteten Ende der Negativzinsphase. Diese haben die Substanz belastet, Schulden dagegen waren praktisch gratis! An der Börse ist eine klare Trendwende bereits schon zu beobachten. Die Substanzwerte sind derart günstig bewertet, dass sie von der diesjährigen Baisse gar nicht betroffen sind.

Macht es überhaupt noch Sinn, Substanz- gegen Wachstumswerte zu stellen? Hat nicht gerade die Pandemie gezeigt, dass andere, äussere Einflüsse viel wichtiger sind als die Frage, ob ein Unternehmen auf Value oder Growth setzt?

Es ist eben genau die Nullzinslage, welche dieser Frage die Berechtigung gab. Mit steigenden Zinsen kommt es wieder darauf an, ob eine Firma eine solide Bilanz hat oder ob diese nach Casino aussieht. Wenn die Schulden keinen Zins kosten, geht kaum eine dieser spekulativen Firmen in Konkurs. Mit höheren Zinsen wird sich zeigen, dass eine starke Substanz wieder etwas wert ist!

Der AMG Substanzwerte Schweiz Fonds hat 2021 eine relativ bescheidene Rendite von 3.4% erzielt, deutlich unter der Marktentwicklung. Wie wollen Sie 2022 zu einem erfolgreichen Jahr machen?

Die Weichen sind dieses Jahr bereits deutlich zugunsten unseres AMG Substanzwerte Schweiz Fonds gestellt. Dieser hat seit Jahresbeginn alle Indizes wie auch die ganze Konkurrenz in den Schatten gestellt und nur um 2% eingebüsst. Die geringe Volatilität und die hohe Kontinuität des Portefeuilles zahlen sich gerade jetzt in Zeiten grosser Unwägbarkeiten aus.

Wer wie wir über Jahre Ihren Fonds verfolgt, sieht relativ wenig Bewegung in den Titeln. Das heisst, Sie halten an einmal gefassten Entscheidungen fest und nehmen wenig Rücksicht auf externe Entwicklungen. Zahlt sich diese Strategie aus?

Die langfristige, unternehmerisch orientierte Strategie des Fonds bewährt sich über die Zeit sehr gut. Es gibt für uns Substanzwert-Investoren kaum Gründe, von unseren Perlen abzuweichen, solange diese Jahr für Jahr auf der Gewinnzeile verlässlich liefern wie z.B. die Vaudoise Versicherung. Einige Werte wie die Jungfraubahn oder IVF Hartmann wurden in der Pandemie hart getroffen, werden aber jetzt, wo Schluss damit ist, schnell zur erfreulichen Normalität zurückkehren und wieder ein schönes Gewinnwachstum ausweisen.

Gibt es Unternehmen, die Sie sich gerade im Hinblick auf Ihre Substanz genauer anschauen? Wo stocken Sie auf, welche Gesellschaften werden neu ins Portfolio aufgenommen?

Ja, wir haben beispielsweise eine Position in Metall Zug neu aufgebaut und wir sind auch bei Arbonia und Sulzer engagiert, zwei Werten, welche erst in jüngerer Zeit zu Substanzperlen aufgestiegen sind.

Ihre grösste Position ist IVF Hartmann. Ein klassischer Substanzwert. Allerdings verlief die Kursperformance in den letzten 12 Monaten enttäuschend mit einem Kursrückgang von über 30%. Was treibt Ihre Hoffnung, dass es wieder aufwärts gehen könnte?

Wir sind auch enttäuscht über die Entwicklung des Kurses von IVF Hartmann, aber wir stehen der Gesellschaft nahe und beobachten, wie sich viel Gutes tut dort. Die grosse Investitionsphase ist abgeschlossen und die Erntezeit steht bevor. Das Geschäft litt im 2021 stark unter der fortgesetzten Pandemie: Die Anzahl der Operationen war sehr tief, und die Heime stehen halb leer, weil viele Insassen starben. Das Ende der Pandemie wird schnell zu einer erfreulichen Erholung führen!

Stark sind Sie auch in die Jungfraubahnen investiert. Sehen wir mit dem Blick auf ein mögliches Abflachen der Pandemie hier bald ein Kursfeuerwerk?

Bei den Jungfraubahnen sieht es ähnlich aus: Eine mehrjährige Investitionsphase ist mit der Inbetriebnahme der V-Bahn abgeschlossen, und die Erntezeit kommt mit der Rückkehr der Tourismusströme jetzt sehr schnell. Selbst im extremen Krisenjahr 2021 hat die Gesellschaft vermutlich noch einen Cashflow erwirtschaftet! Wir sehen den Kurs 50% höher in zwei Jahren.

Ein weiteres grosses Investment von Ihnen ist dasjenige in die MCH Group. Die Kurse des Messeveranstalters sind in der Vergangenheit enttäuschend verlaufen. Warum halten Sie an der MCH Group fest?

Unter unserem Druck und mit unserem Massnahmenplan war die MCH Ende 2019 auf Kurs für ein starkes Revival, doch dann brachten die Corona-Wellen das Geschäft zum fast kompletten Stillstand. Dies liess sich nicht voraussehen. Der Kurs wäre heute ganz woanders ohne die Pandemie, aber immerhin ist die MCH jetzt definitiv fit und bereit für einen afterpandemischen Höhenflug.

Mit welchem Verlauf der Finanzmärkte rechnen Sie in 2022?

Der Verlauf wird weiterhin holprig ausfallen, insbesondere im ersten Halbjahr, bis die neue Zinslandschaft sich in den Köpfen etabliert hat. Wachstumshoffnungen wurden zuletzt sehr teuer bezahlt, und diese Übertreibungen werden jetzt abgebaut. Die Standardwerte und besonders die Substanzperlen handeln aber zu günstigen Kursen. Da ist das Risiko klein, und die Chancen sind intakt.

Ihr persönliches Motto für dieses Jahr?

Unserer konservativen Substanzwerte-Strategie treu bleiben und nichts anbrennen lassen!

Herr Lee, vielen Dank für dieses Gespräch.

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