Weisse Arena Gruppe: Mit einem „tiefblauen Auge“ davongekommen

Reto Gurtner zieht sich in den Verwaltungsrat zurück und übergibt operative Leitung an Markus Wolf

0
3822

Es hatte alles so gut ausgesehen bis zum 13. März 2020. Die Weisse Arena AG (WAG) befand sich auf Rekordkurs, die Frequenzen lagen mit 874‘400 Ersteintritten um 17‘700 (+2,1%) über der vergleichbaren Vorjahresperiode. Zwischen Mitte März und Ende April gab es darüber hinaus optimale Schnee- und Wetterbedingungen, die gute Frequenzen gezeitigt hätten. Doch mit dem Lockdown musste die Gruppe alle gesellschaftlichen Aktivitäten komplett einstellen. Über 1‘000 Mitarbeiter waren plötzlich ohne Arbeit. Von da an ging es nur noch darum, den Schaden so gering als möglich zu halten, wie die Weisse Arena Gruppe im Vorwort des Geschäftsberichts schreibt. „Dank sofortiger Anmeldung von Kurzarbeit für die gesamte Belegschaft und verschiedenen weiteren Massnahmen – insbesondere auch zur Sicherung der Liquidität – konnte der Lockdown mit einem tiefblauen Auge überstanden werden“, so fassen die Verantwortlichen die Lage zusammen.

Sofort Kurzarbeit angemeldet

Das „tiefblaue Auge“ sieht folgendermassen aus: Der Umsatz im Geschäftsjahr 2019/20 (bis zum 30.04.2020) ging um 9,4% auf 88.6 Mio. CHF zurück, das EBITDA sank um 25,4% auf 19.2 Mio. CHF. Da mit 19.7 Mio. CHF Abschreibungen in einer ähnlichen Grössenordnung wie im Vorjahr getätigt wurden, rutschte das konsolidierte Gruppenergebnis mit 1.65 Mio. CHF ins Minus. Im Vorjahr war unter dem Strich noch ein Gewinn von 4.4 Mio. CHF erwirtschaftet worden.

Durch die sofortige Anmeldung der Kurzarbeit ging der grösste Aufwandposten, die Personalkosten, um knapp 5% auf 35.1 Mio. CHF zurück. Mittels kurzfristig eingeleiteter Massnahmen konnte zudem der Warenaufwand mit minus 14,5% überproportional zum Umsatzrückgang reduziert werden. Das gilt allerdings nicht für den Betriebsaufwand: Dieser konnte auf die Schnelle nicht reduziert werden und erhöhte sich um knapp eine Million auf 24.8 Mio. CHF. Zusammen mit den Abschreibungen ergibt dies ein negatives EBIT von 0.5 Mio. CHF (Vorjahr + 6.5 Mio. CHF).

Netzwerkabstürze beim Vorreiter von Smart Data

Neben Corona mussten im Geschäftsjahr auch noch hausgemachte Probleme gelöst werden. Ein Softwarefehler bei einem externen Partner führte in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr zu Netzwerkabstürzen mit zeitweise totalen Shutdowns. Diese Panne stellte für die WAG eine grosse Herausforderung dar, da die Digitalisierung in der Unternehmung und in der Geschäftsphilosophie eine tragende Rolle spielt. Dabei war das Jahresende für die WAG eigentlich ein Grund zum Feiern, es gab ein Plus bei den Ersteintritten an Weihnachten und Neujahr von 9,4%, das waren 14‘700 Gäste mehr als im Vorjahr.

Statt Feiern also Schadensbegrenzung: Die Shutdowns verärgerten viele Gäste. Das Unternehmen entschuldigte sich mit einem Shutdown-Drink, „quasi eine Wiedergutmachung mit Augenzwinkern“, wie die WAG im Vorwort zum Geschäftsbericht schreibt. Auch hätten dank der digitalen Services betroffene Kunden direkt erreicht und entschädigt werden können.

Der „Übervater“ gibt die operative Leitung ab

Und als sei all dies noch nicht genug, gab es noch eine dritte Veränderung. Der studierte Betriebswirtschafter und Jurist Reto Gurtner, der bereits anfangs der 80er Jahre die Laaxer Bahnen von seinem Vater übernahm und sie 1996 mit den Betrieben der Nachbargemeinde Flims zusammen legte, zieht sich aus der operativen Spitze zurück und konzentriert sich in Zukunft auf sein Mandat als Verwaltungsratspräsident. Sein Nachfolger Markus Wolf führt seit März das Management-Team.

Dazu kommen zwei gewichtige Abgänge: Adrian Wolf, der langjährige CFO, verliess das Unternehmen im Sommer 2019 nach 23 Jahren, um eine neue berufliche Herausforderung in der Selbständigkeit anzunehmen. Anfang 2020 tat es ihm COO Flavio Battaini gleich. Mit Romano de Giorgi wurde die Stelle des CFO neu besetzt, während die Position des COO ersatzlos gestrichen wurde.

„Der kommende Winter wird sicherlich eine besondere Herausforderung sein, denn die zweite Corona-Welle wird kommen. Aber mittelfristig sind wir überzeugt, dass wir mit unserem Produkt und den eingeleiteten Massnahmen gut positioniert sind“, wird Reto Gurtner im Geschäftsbericht zitiert. Dabei sei für die WAG Smart Data absolut entscheidend. Damit habe die Gruppe einen Wissensvorsprung gegenüber anderen Mitbewerbern auf dem Markt und könne zielgerichtete, also der Community entsprechende, Angebote machen, so Gurtner. Denn die Bedürfnisse einer jungen Snowboarderin seien völlig andere als die eines Seniors. Massgeschneidert Produkte zu gestalten, das sei die Mission und Zielsetzung.

Fazit

Dass Gurtner sich aus der operativen Spitze verabschiedet, ist durchaus als Zäsur für das Unternehmen zu werten, auch wenn man abwarten muss, inwieweit sich der charismatische und eloquente Gurtner wirklich zurückzieht, war er doch schon bis anhin neben seiner Funktion als CEO Delegierter des VR. Auf alle Fälle sind die Fussstapfen gross, in die sein Nachfolger Markus Wolf tritt.

Softwarefehler, wie sie Ende 2019 viele Besucher verärgerten, sind Gift für ein Unternehmen, das sich rühmt, mittels Smart Data einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber Konkurrenten zu haben. Auch wenn der Fehler von einem externen Partner verursacht worden ist, so wird der neue CFO, der auch die Verantwortung für die Daten übernimmt, hier ganz besonders gefordert sein. Ein nochmaliger Software-Absturz zum Saisonhöhepunkt Weihnachten/Neujahr wäre für das Ansehen des Unternehmens bei Besuchern und Aktionären überhaupt nicht förderlich.

Jetzt gilt es, mit einer Eigenkapitalquote von 34,3% über den sehr ungewissen Winter 2020/21 zu kommen, in dem eine zweite Pandemie-Welle droht. Dividende für die Aktionäre wird es keine geben, zu unsicher ist die nahe Zukunft. Aber Gurtner wäre nicht Gurtner, wenn er jetzt nicht Optimismus versprühte und Projekte wie die „Verschmelzung von Tesla und Bergbahn“ ankündigte. Dazu mehr in untenstehendem Video Gurtners zum Geschäftsjahr 2019/20.

Der Kurs der Aktie hat sich trotz der vielen Widrigkeiten in diesem Jahr gut gehalten und notierte zuletzt bei 150 CHF. Der Geldkurs liegt bei 135.10 CHF und damit über dem Stand von Anfang Jahr. Er spiegelt wider, dass Anleger weiterhin davon überzeugt sind, dass die Weisse Arena Gruppe auf dem richtigen Weg ist. Im Gegensatz zu Destinationen, wie sie z.B. die Jungfraubahnen oder die Titlisbahn anbieten, ist die Abhängigkeit der WAG von Überseetouristen geringer. Jetzt kommt es also vor allem auf die Schweizer und Europäer an, dem Unternehmen ein einigermassen befriedigendes Geschäftsjahr 2020/21 zu bescheren.

Hinweis in eigener Sache: Am 20. Oktober 2020 findet im Berghaus auf dem Niesen der Branchentalk Tourismus statt. Im Fokus stehen „Innovationen im Tourismus und die Folgen von Covid-19“. Zu den Gästen und Referenten gehören u.a. Antoine Hubert, CEO der AEVIS Victoria-Gruppe, Christoph Egger, CEO der Schilthornbahn AG, Egon Gsponer, stv. CEO MG Bahn AG und GGB, und Gastgeber Urs Wohler, CEO der Niesenbahn AG. Reto Gurtner hat sich ebenfalls zu diesem hochkarätigen Anlass angemeldet. 

Kommentar verfassen