Daniel Kaufmann, CEO Gotthard Raststätte: «Das Geschäftsmodell funktioniert auch bei sich verändernder Mobilität»

Individualverkehr zieht im Sommer 2021 wieder stark an

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Die Gotthard Raststätte im Kanton Uri hat ein schwieriges 2020 hinter sich. Der monatelange Lockdown und die damit verbundene Schliessung der Gastronomie sowie die stark reduzierte Mobilität hinterliessen ihre Spuren in der Erfolgsrechnung des Unternehmens. Umso erfreulicher blicken die Verantwortlichen auf das laufende Jahr, in dem trotz des Wegfalls der Restaurationsbetriebe von Januar bis Mai der Umsatz wieder deutlich anzog.

Daniel Kaufmann stieg vor 10 Jahren bei der Gotthard Raststätte als Leiter Gastronomie ein. Seit 2016 amtet er als CEO. Der ausgebildete Hotelier und Betriebswirtschaftler kommt aus Grindelwald, wo er als Pächter u.a. das Bergrestaurant First führte. Bild: schweizeraktien.net

Im Interview mit schweizeraktien.net erläutert Daniel Kaufmann die Strategie für die Zukunft der Gotthard Raststätte, die in normalen Jahren 1,5 Mio. Besucher hat, und erklärt, warum dem Gesamtunternehmen trotz monatelanger Schliessung der Gastronomiebetriebe kein Schaden entstanden ist. Was kommt an Mobilitätsveränderungen auf uns zu? Was wird sich durch Elektromobilität und autonomes Fahren an der Raststätte ändern? Die Antworten darauf gibt Daniel Kaufmann.

Sie schreiben im Geschäftsbericht, dass 2020 mit einem um 40% tieferen Betriebsertrag ein Jahr zum Vergessen gewesen sei. Wie hat sich 2021 bisher für Sie entwickelt?

Daniel Kaufmann: Die schlechten Nachrichten kamen Ende 2020, als die Gastronomie-Betriebe geschlossen werden mussten. Deshalb lief bis Mai umsatzmässig überhaupt nichts. Aber weil unsere Epidemie-Versicherung alle Gastronomieumsätze abgedeckt hatte, ist uns kein grosser Schaden entstanden. Gut liefen die Shops, die wegen der geschlossenen Gastronomie im Winter und im Frühling einen höheren Umsatz machten. Das ist der grosse Unterschied zur Pandemie im letzten Jahr.

Die Eröffnungsphase im Frühling war dann sicher finanziell die grösste Belastung. Auch wegen der weiter bestehenden Restriktionen. Hier hatten wir Einbussen zu verzeichnen. Seit Mitte Juli sind wir aber wieder auf der Spur. Der Individualverkehr, auch der internationale, zieht gut an. Was uns aber fehlt, sind Gruppenreisende. Sowohl aus Übersee, also vor allem aus Asien, als auch aus Europa und der Schweiz. Dieses Segment macht immerhin 10 bis 20% unseres Umsatzes in den Restaurants aus, etwas weniger in den Shops mit 5 bis 10%.

Es ist ja nicht selbstverständlich, als Raststätte eine Pandemieversicherung abgeschlossen zu haben. Wie kam es dazu?

Die Versicherung machte uns im Rahmen der Neuverhandlungen der Gesamtversicherung ein gutes Angebot, das kostenmässig attraktiv war. Wir haben dann einen umsatzmässigen Spitzenmonat genommen und ausgerechnet, welche Summe wir versichern müssen. Diese Versicherung hat bis heute sämtliche Ertragsausfälle in der Gastronomie abgedeckt.

Wie verhält es sich mit den Kraftstoffbezügen an Ihren beiden Raststätten im Vergleich zum letzten Jahr?

Die sind im letzten Jahr massiv eingebrochen, unter dem Strich um ca. 40%. Der Verkehr war ja teilweise komplett stillegelegt. Das ist sicher auch der Unterschied zu diesem Jahr, in dem der Verkehr nie wirklich eingebrochen ist. So konnten wir in den Wintermonaten, in dem es generell nicht so viel Reiseverkehr gibt, sozusagen vom Grundrauschen leben. Ich rechne bisher mit einem Rückgang der Kraftstoffbezüge von rund 15 bis 20% gegenüber einem normalen Jahr. Wir sind irgendwo auf halbem Weg zurück zur Normalisierung.

Sie haben das Angebot an Elektro-Ladesäulen in den vergangen Jahren deutlich ausgebaut. Wie entwickelt sich hier der Umsatz, und werden Sie weiter ausbauen?

Im Gegensatz zu allen anderen Geschäftsfeldern haben wir die Ladestationen outgesourct. Deshalb kann ich betreffend Ausbau nicht viel sagen. Wir haben aber bezüglich unserer Trafoleistung noch Kapazitäten für zwei zusätzliche Ladestationen pro Fahrtrichtung. Ich denke, diese werden auch in den nächsten ein, zwei Jahren realisiert werden, denn die Entwicklung von Elektro-Betankungen verläuft ähnlich exponentiell wie der Verkauf von Elektrofahrzeugen. Wir werden also relativ schnell  Engpässe zu vergegenwärtigen haben. Da hat aber das ASTRA mit der Förderung Ladestationen auf schweizweit 25 Rastplätzen, die an 5 E-Mobilty-Anbieter vergeben wurden, etwas vorgesorgt.

Wir haben mit zwei Anbietern Verträge bis 2033, aber die Grundinfrastruktur, also die Trafostationen, gehört uns. So haben wir, wenn sich der Markt konsolidiert hat, die Chance, dass wir einen Teil der Wertschöpfung, den wir jetzt im Treibstoffbereich verlieren, wieder zurückholen können.

Inwiefern wirkt sich die Wiedereröffnung von Stalvedro am Südportal des Gotthardtunnels auf Ihre Raststätte Richtung Norden aus? Können Sie die Ertragsausfälle beziffern?

2019 profitierten wir extrem von den dortigen Umbauten und der Schliessung der Raststätte. In der Gegenwart ist es aber schwierig abzuschätzen, wie sich Stalvedro quantitativ auf unser Geschäft auswirkt, weil sich die Rahmenbedingungen komplett verändert haben.

Das Konzept von Stalvedro unterscheidet sich deutlich von unserem. Dort geht es im Gegensatz zu uns eher Richtung Fast Food, auch im Frühstücksbereich sind wir meines Erachtens deutlich stärker aufgestellt.

Wie sieht Ihre Gewinnschätzung für dieses Jahr aus?

Das ist natürlich sehr schwierig zu sagen. Stand heute werden wir einen Gewinn realisieren, das ist aber sehr abhängig davon, wie sich das zweite Halbjahr entwickelt, vor allem bezüglich des internationalen Reiseverkehrs.

Kursverlauf der auf OTC-X gehandelten Gotthard-Raststätte-Aktie in den letzten drei Jahren. Quelle: otc-x.ch

Der Kurs Ihrer Aktie hat sich nach einem Taucher auf 175 CHF Ende 2020 wieder auf 195 CHF erholt. Die Aktionäre haben demnach Vertrauen in Ihr Geschäftsmodell. Für 2019 und 2020 wurde aber keine Dividende ausgeschüttet. Auch in 2021 werden die Anteilseigner wohl leer ausgehen. Wann ist wieder mit einer Dividende zu rechnen?

Wir haben in den letzten Jahren keine Verluste eingefahren. Auch die Liquidität ist gut. Das lässt eigentlich die Wiederaufnahme einer Dividendenzahlung zu. Wir hatten die Ausschüttung an die Aktionäre und Aktionärinnen ja nur ausgesetzt, um für ein Worst Case Szenario gewappnet zu sein. Für nächstes Jahr würde ich deshalb eine Dividendenzahlung nicht ausschliessen, immer vorausgesetzt, das zweite Halbjahr 2021 und der Beginn 2022 entwickeln sich so weiter, wie dieses Jahr begonnen hat.

Wie wird sich die Mobilität ändern, und was heisst das für Sie?

Wir unterscheiden zwischen touristischer und Pendlerraststätte. Als touristische Raststätte sind wir sicher besser aufgestellt. Die Elektromobilität wird das Betankungsverhalten massiv verändern. Das heisst, man tankt für Kurzdistanzen zu Hause, so weit als möglich. Bei den Langdistanzen hingegen ist nach wie vor die Pause ein Thema. Wenn irgendwann autonom gefahren wird, sind immer noch Pausen erforderlich, z.B. für Verpflegung oder den Toilettengang.

Wir sehen also eigentlich keine gravierenden Änderungen auf uns zukommen. Die Frequenzen auf der Nord-Süd-Achse werden weiter zunehmen. Pandemiegetrieben stellen wir einen Trend weg von den weit entfernten Destinationen fest. Durch die Klimadiskussion gehe ich davon aus, dass sich dies auch nach der Pandemie nicht wieder umdrehen wird. Auch der Trend zu Kurzausflügen versus längerer Ferien wird erhalten bleiben.

Was macht die Gotthard-Raststätten besonders?

Wir wollen den Kunden einen Mehrwert bieten. Wir sind nicht einfach eine funktionale Raststätte. Deshalb investieren wir laufend in die Infrastruktur, um auf einen höheren Standard zu kommen. Dabei achten wir besonders auf die Qualität der Küche, in dem wir z.B. vorwiegend Produkte aus der Urner Region verwenden. Auch das allgemeine Wohlbefinden während des Aufenthalts bei uns steigern wir ständig. So planen wir in Fahrtrichtung Nord einen Alpengarten und werden eine halbe Mio. Franken investieren.

Storytelling an der Raststätte: Den Besuchern möchte Kaufmann Geschichten zum Mitnehmen erzählen, wie mit der Skulptur von Wilhelm Tell und der entsprechende Sage zum Download. Bild: schweizeraktien.net

Mit dem Neubau Richtung Süd, in den wir in den letzten Jahren 15 Mio. CHF investiert haben, haben wir einerseits stärker die Umgebung mit der Reuss durch eine Fussgängerbrücke einbezogen und eine kleine Naherholungsoase direkt hinter dem Restaurant und den Shops geschaffen. Andererseits haben wir das Storytelling intensiviert. So kann sich der Besucher an einer Wilhelm-Tell-Statue aus Holz im Aufgang zu den Waschräumen und Toiletten die Sage rund um unser Schweizer Nationalsymbol in vier Sprachen runterladen und so eine Erinnerung mit auf die weitere Reise Richtung Süden mitnehmen.

Zum Abschluss: Unter welches Motto würden Sie das Jahr 2021 stellen?

Erholung und Zuversicht. Man sieht an der Umsatzentwicklung, dass das Geschäftsmodell funktioniert und in Zukunft funktionieren wird, auch wenn es Veränderungen in der Mobilität geben wird.

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