23 Kilometer Stau am Gotthard-Nordportal über Pfingsten. Autofahrern wird viel Geduld abverlangt, wenn sie von Norden nach Süden wollen. Über drei Stunden Wartezeit vor der Tunneldurchfahrt, das verdirbt so manchem den Beginn der Ferien.
Das Leid der Autofahrer ist der Raststätten Freud, denn sie profitieren deutlich von der nach Corona wieder erwachten Reisesehnsucht und von den gestressten Urlaubern, die sich wenigstens beim Raststättenhalt etwas Erholung vom Wahnsinn auf den Strassen gönnen.
Besucherfrequenzen steigen deutlich an
Die Autobahnraststätten haben die dramatischen Einbrüche während der Pandemie endgültig hinter sich gelassen und befinden sich, sowohl was die Rentabilität als auch die Umsätze betrifft, wieder auf Vor-Corona-Niveau. Das wird aus den Geschäftsberichten der Gotthard Raststätte AG sowie der Luzerner Raststätte AG (Lurag) Neuenkirch ersichtlich.
Die beiden Unternehmen aus den Kantonen Uri und Luzern konnten den Umsatz 2023 um 3% (Gotthard Raststätte) bzw. um 1,3% (Lurag) steigern. Deutlich stärker legte die Rentabilität zu. Der operative Gewinn (EBIT) wuchs im Uri um 80%, in Neuenkirch bei Luzern um 45%. Unter dem Strich erwirtschafteten die Raststätten Gewinnzuwächse von 70% auf 1.3 Mio. CHF (Gotthard Raststätte) bzw. 50% auf 1.0 Mio. CHF (Lurag).
Auch die Besucherfrequenzen stiegen gegenüber den späten 10er Jahren an der Gotthard Raststätte deutlich an. 1.65 Mio. Gäste machten im letzten Jahr Halt auf dem Weg gen Süden oder Norden, das sind 8,5% mehr als im Vorjahr und gar 14% gegenüber der Zeit vor Corona.
Gesamtsituation eher ungünstig
Aber: Angesichts des starken Frankens, der Inflation und der sinkenden Kaufkraft sei die Gesamtsituation für die Gotthard Raststätte grundsätzlich eher ungünstig. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Pandemie, fehlten immer noch ausländische Gäste, insbesondere aus China und Grossbritannien, bedauern Barbara Merz Wipfli, Verwaltungsratspräsidentin, und Daniel Kaufmann, CEO, im Vorwort zum Geschäftsbericht.
Fossiler Treibstoffabsatz mit rückläufigem Trend
«Die Treibstoffabsätze setzten 2023 ihren rückläufigen Trend fort, hauptsächlich bedingt durch die hohen Benzinpreise, den schwachen Eurokurs und die leicht, aber ständig wachsende Tendenz zu weniger fossilem Treibstoffverbrauch», schreibt Lurag-Verwaltungsratspräsident Franz Wüest im Geschäftsbericht. Dennoch stieg der Umsatz an Benzin und Diesel marginal gegenüber dem Vorjahr an.
«Mit der Aufhebung der Treibstoffsubventionen im benachbarten Ausland hat sich der Treibstoffabsatz etwas erholt und konnte im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden. Der Ausstoss verbesserte sich von 3.37 Mio. auf 3.56 Mio. Liter (+5.6 %)», schreibt die Gotthard Raststätte.
In Neuenkirch konnten die Benzinabverkäufe zwar um etwas über 1% gesteigert werden, aber an die Literabsätze von vor der Pandemie kommen sie nicht heran. Die Einkaufspreise für alle fossilen Sorten bleiben weiterhin auf hohem Niveau. Der negative Wechselkurs sowie die allgemein steigenden Kosten belasteten die Kundenbudgets zusätzlich, so die Lurag.
Gastronomie, Shops und Hotellerie mit deutlichen Aufwärtstrends
Die Lurag macht den tendenziellen Rückgang bei der Abgabe von fossilen Energien mit deutlichen Umsatzsteigerungen bei Shops, Gastronomie und beim angeschlossenen Hotel wett. «Wir freuen uns, dass die Umsätze in den Tankstellen-Shops einen deutlichen Anstieg verzeichnet haben, die sowohl die budgetierten Ziele als auch die Ergebnisse des Vorjahres deutlich übertreffen. In unserem Hotel ‹Holiday Inn Express› konnten wir, mangels Gruppenanfragen aus Fernost, wieder vermehrt auf europäische Individualreisende während der Hauptreisezeit setzen», so Franz Wüest.
Auch die Gotthard Raststätte geht von einer weiter abnehmenden Tendenz beim Absatz von fossilen Brennstoffen aus und spricht von «neuer Normalität». Diese sieht so aus: «Die Umsätze in den Shops und Restaurants der Gotthard Raststätte stiegen im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie von 15 Mio. CHF auf fast 17 Mio. CHF (+12 %). Die Einbussen aus dem rückläufigen Treibstoffabsatz sind damit mehr als kompensiert worden», klingt es aus dem Kanton Uri.
Elektromobilität mit starken Zuwachsraten
Gleichzeitig gewinnt die Elektromobilität weiter an Bedeutung: Insgesamt wurden an den Ladesäulen der Gotthard Raststätte 683’000 kWh gegenüber 436’000 kWh im Vorjahr geladen (+56%). Geht man von einem Verbrauch von 20 kWh für 100 Kilometer pro Fahrzeug aus, entspricht diese Lademenge der Energie für 3.4 Mio. Fahrkilometer. Dies stellt im Vergleich zur Fahrleistung aus dem Treibstoffabsatz einen Marktanteil von 6,7% dar.
Ähnliche Wachstumsraten verzeichnet auch die Luzerner Raststätte. 2019 wurden 32’000 kWh an rund 1’300 Fahrzeuge abgegeben. Im Jahr 2023 waren es dann bereits über 555’000 kWh an knapp 19’000 Fahrzeuge. Dies entspricht rund 50 Ladungen pro Tag. Zu Spitzenzeiten werde es also bereits knapp, warnt die Lurag. Lange Warteschlangen vor den E-Ladesäulen wären zweifellos nachteilig für die Attraktivität des Standorts, zumal wartende Fahrerinnen und Fahrer währenddessen im Fahrzeug verbleiben müssten und somit keine weiteren Dienstleistungen in Anspruch nehmen könnten.
An der Gotthard Raststätte hingegen reichen die bestehenden Kapazitäten noch für 2 bis 3 Jahre aus. «Für die Zeit danach werden wir frühzeitig mit der Planung für den Zubau von weiteren Kapazitäten beginnen, also im Verlauf des nächsten Jahres», sagt Daniel Kaufmann auf Nachfrage von schweizeraktien.net.
Ausblick
Aufgrund des hohen Bedarfs an elektrischer Energie rüstet die Lurag ihre Dächer in diesem Jahr mit 320 Solarpanelen aus. Die Anlage wird eine Jahresproduktion von ungefähr 128’000 kWh erzielen können. Wenn alle äusseren Bedingungen stimmen, kann die Anlage im Sommer 2024 ans Netz gehen und tagsüber einen wesentlichen Teil des Eigenverbrauchs abdecken. Ziel sei die Senkung der Energiekosten auf der gesamten Raststätte mittels ZEV, namentlich für die Lurag und ihre Mietpartner, sowie natürlich eine mögliche Kooperation mit den Ladesäulenbetreibern in ihrer Rolle als Energiebezüger.
Die Gotthard Raststätte prüft nach Worten von Kaufmann die Möglichkeiten zur Produktion eigenen Stroms mittels Solarzellen laufend. Konkret geplant sei jedoch noch nichts. Mit der Annahme des Stromgesetzes würden sich neue Möglichkeiten – Stichwort LEG (Lokale Elektrizitätsgemeinschaften) – ergeben, fügt Kaufmann hinzu.
Fazit
Es ist davon auszugehen, dass die Reiselust der Menschen weiter zunimmt. Wer mit seinen Dienstleistungen an einem Nadelöhr wie dem Gotthard platziert ist, hat gute Aussichten, an dem Wachstum direkt zu partizipieren. Dabei spielt der Trend zu mehr Elektromobilität den Anbietern in die Hände. Denn er verlängert durch Ladezeiten den Verbleib der Gäste, was der Gastronomie und den Shops zugute kommt.
Jetzt geht es darum, die elektrische Energie möglichst kostengünstig zu produzieren bzw. einzukaufen. Die Lurag baut deshalb ihre Kapazitäten mittels Gewinnung von eigener Energie durch Solarpanele deutlich aus. Bei der Gotthard Raststätte wartet man noch ab und prüft.
Am guten Geschäftsgang der Raststätten partizipieren die Aktionärinnen und Aktionäre. Die Gotthard Raststätte erhöht die Dividende von 4 CHF auf 6.50 CHF (Ausschüttungsrendite 3,25%), die Lurag von 35 auf 40 CHF, was einer Dividendenrendite von ansehnlichen 5.41% entspricht.
Nicht ganz mithalten mit der erfreulichen Geschäftsentwicklung können die Aktienkurse der beiden auf OTC-X gelisteten Unternehmen. Der Kurs der Lurag-Aktie ging im letzten Jahr von 850 CHF auf 740 CHF zurück, der der Gotthard-Raststätte-Aktie von knapp 210 CHF auf 190 CHF. Damit bewegen sich die Kursverluste im vergangenen Jahr um die 10%.