Schweizer Raststätten: Das Rasten verliert an Bedeutung

Millionen-Investitionen in die Immobilien

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Die erste Schweizer Autobahnraststätte in Kölliken. Die Tankstelle wurde 1967 eröffnet, der Restaurationsbetrieb im ausgemusterten Bahnwaggon kurze Zeit später. Bild: srf.ch

Gerade mal gut 50 Jahre ist es her, dass in Kölliken (AG) die erste Autobahntankstelle eröffnet wurde. 1967 war es soweit – und bald danach reifte bei den Pächtern die Erkenntnis, dass neben dem Durst der Automobile nach Sprit das Verpflegungsbedürfnis der Fahrer und Mitfahrer mit Essen und Getränken bedient werden musste. Ein Restaurant war damals allerdings nicht erlaubt, weshalb die findigen Pächter in Kölliken kurzerhand einen ausrangierten Eisenbahnwaggon aufstellten, den sie zum ersten Autobahnrestaurant der Schweiz ummodifizierten.

Heute sind Tankstellen und Autobahnraststätten an Sonn- und Feiertagen immer noch oft der einzige Ort, an dem Lebensmittel und Getränke eingekauft werden können. Viele Autobahnraststätten haben sich deswegen gleichsam zu Verpflegungstempeln gemausert, mit Restaurants und zahlreichen Spezialitäten-Shops. Die Betreiber der Raststätten sind permanent gefordert, in Modernisierung zu investieren. Anschaulich wird dies mit einem Blick auf die vier auf OTC-X gehandelten Raststättenbetreiber: Alle haben sie in den letzten Jahren hohe Investitionen in Um- und Ausbau gesteckt oder machen, wie die Raststätte Stalvedro am Südportal des Gotthards, wegen Totalumbau aktuell einen Grossteil des Betriebs vorübergehend dicht.

Totalsanierungen und Neubauten allerorten

«Im Januar 2019 haben wir die vierte und letzte Erneuerungsphase gestartet. Und auch das Hauptgebäude einer kompletten Erneuerung unterzogen. Somit waren insgesamt zwei Erneuerungsphasen mit dem Rück- und Neubau der Tankstelle Ost (bis März 2019) und der Totalsanierung des Hauptgebäudes Ost (bis April 2019) gleichzeitig am Laufen», sagt Thomas Lohmann, Geschäftsleiter der Luzerner Raststätten AG. 6 Mio CHF. wurden 2018/2019 insgesamt investiert. Eine Umsatzsteigerung sei durch die Komplettschliessung im ersten Quartal nicht zu erwarten, aber seit den Neueröffnungen lägen die Umsätze gut innerhalb der Prognosen.

Auch die Gotthard Raststätte in Fahrtrichtung Süd wurde Mitte 2018 mit einem Neubau wieder eröffnet. 16 Mio. CHF betrug das Investitionsvolumen. «Die Umsatzentwicklung liegt noch etwas unter unseren Erwartungen. Die Kundenfeedbacks sind jedoch sehr positiv. Wir gehen davon aus, dass wir die Umsätze weiter steigern können», so CEO Daniel Kaufmann.

In der Ostschweiz soll im Januar 2020 mit dem Abbruch der Raststätte Thurau Nord begonnen werden; geplant sei ein Neubau mit Einführung einer Frische-Theke, umreisst Erwin Scherrer, Verwaltungsratspräsident der Gruppe Thurau, zu der die Raststätten Thurau, Rheintal und Walensee gehören, das Investitionsvorhaben fürs nächste Jahr.

Die vom Tessiner Stararchitekten Mario Botta entworfene neue Raststätte Stalvedro am Südportal des Gotthards (Fahrtrichtung Nord). Die Eröffnung ist Mitte 2020 geplant. Bild: tio.ch

Seit Sommer im Neubau befindet sich die Raststätte Stalvedro, ein reduzierter Service wird seit 1. November wieder angeboten. 2020 soll die neue Raststätte, von niemand Geringerem als Stararchitekt Mario Botta entworfen, wieder eröffnet werden. 8 Mio. CHF wird die Metallstruktur, eine Hommage an das Gotthardmassiv und das Tessin, die Betreiber kosten.

Rückläufige Treibstoffabsätze

Die Investitionen in die Immobilien der Gruppe Thurau Raststätten, der Luzerner Raststätten AG (Lurag), der Gotthard Raststätte und in Stalvedro sind nötig, da im klassischen Geschäft mit Treibstoffabsatz Stagnation herrscht. Zwar steigerte die Gotthard-Raststätte ihren Verkauf von Benzin und Diesel im Vergleich zu den anderen Segmenten in diesem Jahr deutlich, das sei aber ausschliesslich auf die Schliessung von Stalvedro zurückzuführen, sagt Daniel Kaufmann, CEO der Gotthard Raststätten AG. Laut Erwin Scherrer, Verwaltungsratspräsident der Gruppe Thurau, konnte die Gruppe zwar die Umsatzzahlen halten, die Treibstoffverkäufe stagnierten aber in der Schweiz bzw. seien rückläufig. Thomas Lohmann, Geschäftsleiter der Lurag AG, sieht ebenfalls stagnierenden Treibstoffabsatz, will aber erst 2020 eine genauere Aussage treffen, «wenn wir wieder volle 365 Tage geöffnet haben werden».

Gut gerüstet für die Anforderungen der Zukunft

Im Zuge der umfangreichen Um- und Neubauten richten sich die Raststätten auf die geänderten Mobilitätsbedürfnisse und insbesondere die Elektromobilität ihrer Kunden ein. «Die Gotthard Raststätte hat im Sommer letzten Jahres Schnellladestationen auf beiden Seiten der A2 in Erstfeld erstellt und in Betrieb genommen. Unsere Raststätte weist im Moment vier ultraschnelle IONITY-Ladestationen und vier MOVE-Stationen pro Seite auf, total bieten wir auf unserem Areal 16 Ladestationen mit Reserven für 4 zusätzliche Stationen. Alle Elektrofahrzeuge – einschliesslich Tesla – mit allen gängigen Steckertypen können bei uns geladen werden», so Daniel Kaufmann. Die Gotthard Raststätte verfügt damit über eine der leistungsfähigsten Elektro-Ladeinfrastrukturen in der Schweiz.

Auch die Elektroladesäulen der Luzerner Raststätten seien auf dem neuesten Stand und könnten Fahrzeuge mit bis zu 350 kWh laden, sagt Thomas Lohmann. «Derzeit verfolgen wir intensiv die Entwicklungen der Mobilität mit den kommenden Antriebsgenerationen und natürlich auch das Thema Wasserstofftankstelle». Am Gotthard beobachtet man die Entwicklung im Bereich Gas und Wasserstoff ebenfalls genau: «Unsere Zielsetzung ist es, unseren Kunden mit allen Treibstoffarten versorgen. Wir werden in neue Energieträger investieren, sobald diese marktfähig sind», sagt Daniel Kaufmann.

Dienstleistungsangebote müssen angepasst werden

Die Luzerner Raststätte profitiert neben den Einnahmen aus den Restaurants, den Shops und der Tankstelle darüber hinaus vom direkt anliegenden Hotel Holiday Inn Express. Das 2016/2017 erneuerte Hotel schwimme auf einer Erfolgswelle und könne die Umsätze 2019 nach dem absoluten Rekordjahr 2018 wohl erneut steigern, sagt Lohmann.

Auch die Gotthard Raststätten diversifizieren; sie haben den Gastrobetrieb «Zum schwarzen Uristier» übernommen und sind ins Event- und Cateringgeschäft eingestiegen.

Die Dienstleistungsangebote müssten von Standort zu Standort auf die sich ändernden Bedürfnisse der Kundschaft weiter angepasst werden, sind sich die Raststätten-Verantwortlichen einig. «Die immer komplexeren Assistenzsysteme in den Fahrzeugen, wie das autonome Fahren mit Autopiloten, wird künftig das reine Ausruhen eher in den Hintergrund für einen Halt an einer Raststätte drängen. Es bleibt der zu stillende Hunger, das schnelle Aufladen der Fahrzeuge mit Antriebsenergie und die klassische ‚Pinkelpause’», so Lohmann.

Es verwundert daher nicht, dass als nächste Massnahme bei den Gotthard Raststätten eine umfassende Erneuerung der Toilettenanlagen im Vordergrund steht. 2020 soll 1 Mio. CHF investiert werden.

Fazit

Die auf OTC-X gelisteten Raststättenbetreiber haben mit ihren in den letzten Jahren vorgenommenen Investitionen in Tankstellen und Gebäude die Herausforderungen der Zukunft angenommen. Mit Stalvedro zieht jetzt auch das vierte Unternehmen nach und tunt seine Raststätte mit Hilfe der Tessiner Architektur-Ikone Mario Botta auf.

Trotz der Teil- und Vollschliessungen in den vergangen Jahren ist es den Betreibern gelungen, die Umsätze stabil zu halten. Mit Diversifizierungen soll der absehbare Rückgang der fossilen Treibstoffabsätze kompensiert werden. Weiterhin gehen die Betreiber von einem Wachstum des Individual- und Freizeitverkehrs von 1 bis 1,5% im Jahr aus. Sie sind aber vom internationalen Umfeld, das direkten Einfluss auf ihr Geschäft hat, abhängig. So hängt der zurückhaltende Konsum der internationalen Kundschaft direkt mit der Entwicklung des Eurokurses in den letzten zehn Jahren zusammen, gibt Kaufmann von den Gotthard Raststätten zu bedenken.

Peer-Group-Vergleich Raststättengesellschaften

Firma Kurs (2.12.) CHF MarketCap in Mio. CHF P/E ’18 P/B ’18 Div. Rendite ‚18
Gotthard Raststätte A2 209.40 26.13 31.6 1.5 3.1%
Raststätte Rheintal 1’500.00 7.50 19.2 1.4 4.0%
Raststätte Thurau 5’905.00 12.99 11.7 0.9 2.5%
Raststätte Walensee 1’060.00 2.97 24.3 0.9 1.9%
LURAG Luzern Raststätten AG 1’150.00 16.10 24.8 1.6 3.5%
Stalvedro 400.00 2.12 n/a 0.8 0.0%
Quelle: Geschäftsberichte 2018, www.otc-x.ch

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