Ein VW-Käfer von 1972 mit Elektromotor im Heck: So begann die Geschichte von Revive. Die Firma ist überzeugt, dass «auf elektro» getrimmte Oldtimer eine hochspannende Marktnische sind. Zwei Millionen frisches Kapital sollen jetzt für ein passendes Drehmoment sorgen.
Der Elektroantrieb als Erfindung der Neuzeit – als Antwort auf die drängende Klimafrage: Eine schöne Story, wenn sie denn wahr wäre. Seit dem Erfolg des US-Autobauers Tesla erleben Elektroautos nämlich vielmehr ein Jahrhundert-Revival. Im Jahr 1899 war es ein Elektroauto, das den Weltrekord von mehr als 105 km/h aufstellte. Bis zu 40% der Autos auf amerikanischen Strassen waren damals elektrisch betrieben, über 500 Modelle dürfte es weltweit gegeben haben. Doch die damaligen Bleibatterien boten eine geringe Reichweite, waren wartungsintensiv und kurzlebig. Der Automobilpionier Henry Ford – und fliessbandgefertigte Benzinmotoren – gewannen ergo das Rennen um den «König der Strasse». Auch die E-Autos der 1990er, grösstenteils «fahrende Schuhkartons», vermochten nichts daran zu ändern. Bis Tesla den Viertaktern buchstäblich das Heck zeigte. 400 Newtonmeter Drehmoment und das Aussehen einer Rakete auf Rädern läuteten den Siegeszug der Elektromobilität 2.0 ein. Das Start-up REVIVE Conversions SA um den Gründer Serge de Wilde geht einen anderen – aber nicht weniger radikalen – Weg. Es modelt altgediente Verbrenner kurzerhand zu E-Autos um.
Revive-Zielgruppe: Liquide Oldtimer-Besitzer mit Lust auf die Moderne
«In der Schweiz sind etwa 100’000 Classic Cars und 15’000 Veteranenfahrzeuge registriert», sagt Serge de Wilde, Gründer und CEO von Revive. Als Classic Car oder «Oldtimer» gälten Fahrzeuge, die vor mindestens 30 Jahren in Verkehr gesetzt wurden – unabhängig von allfälligen Umbauten und Reparaturen. «Veteranenfahrzeug darf sich im Grunde nur nennen, was keine einzige Schraube jüngeren Datums in sich trägt». Revive hat es vor allem auf die Besitzerinnen und Besitzer der Classic Cars abgesehen. 35 bis 60 Jahre alt und zu zwei Dritteln männlich ist diese Zielgruppe. Und sie verdient im Schnitt mehr als 150’000 CHF/Jahr. «Wir können im Prinzip alles umrüsten, was zwischen 1945 und 1992 konstruiert wurde», erklärt der Chef des Start-ups. Der Aufwand betrage 60 bis 80 Stunden, die Kosten bewegen sich zwischen 30’000 bis 70’000 CHF. So mag etwa ein Fiat 500 mit einem 10-Kilowatt-Batterieblock auskommen – dürfte aber nicht mehr als 150 km Reichweite bieten. Grössere Autos, wie ein alter Land Rover, würden drei solche Blöcke benötigen – und könnten dann bis zu 300 km mit einer Ladung fahren.
Auch den Markt der Geschäftskunden will Revive bedienen. Vorgefertigte E-Umrüstkits sollen Garagen ein attraktives Produkt für jene Klientel bieten, die sich nicht von ihren alten Lieblingen mit Ottomotor verabschieden möchte – sondern nur vom regelmässigen Besuch des Benzin-Zapfhahns. «Wir verfügen über sechs Spezialisten mit einem breiten Spektrum an Know-how. Es reicht vom Elektroingenieur und Elektrotechniker über den Designer bis zum Software-Ingenieur und zertifizierten Spezialisten für Homologation, also das Zulassungsprozedere», erklärt Serge de Wilde. In der Tat sind Autos, welche die Revive-Generalüberholung überleben, auch eher Computer als fahrbarer Untersatz. «Wir wandeln nicht nur die Thermik in Elektrizität um, sondern bieten zudem ein digitales Update aller Fahrzeugfunktionen». Will heissen: Die Retrofit-Stromer verfügen nach ihrer Geburt über eine Echtzeit-Überwachung der wichtigsten Fahrzeugfunktionen, ebenso wie über GPS, DAB+ und Bluetooth.
Investment Case: Rückenwind vom Zeitgeist sowie Kurven, die es in sich haben
(Klima-)politisch gesehen setzt Revive auf die richtige Karte. Der Verkehr in der Schweiz verursacht 32% der Treibhausgas-Emissionen, der Löwenanteil geht auf das Konto von PKWs. Bund und Kantone fördern darum die E-Mobilität – und für die Strom-Verteilnetze dürften Elektroautos dereinst als wertvolle Speicher fungieren. «Revive-Autos unterstützen das bidirektionale Laden, könnten also netzdienlich ins Energiesystem der Energiestrategie 2050 integriert werden», sagt Serge de Wilde. Oldtimer, die sonst in Garagen vor sich hin altern, würden kurzum zu Batterien für die smarten Netze der Zukunft. Subventioniert werden solche Retrofit-Elektroautos, anders als in Frankreich, zwar nicht. Doch die eher solventen Liebhaber-Kunden von Revive dürften auf den Obolus vom Staat auch gar nicht angewiesen sein. So oder so profitieren Elektroautofahrer im Schnitt von tieferen Betriebs- und Wartungskosten im Vergleich zu Besitzern von Benzin- und Dieselautos.
Auch Gegenwind für den Investment Case von Revive könnte indes vonseiten des Gesetzgebers wehen. Bisher existiert in der Schweiz nämlich noch kein ausformulierter Standard für E-Auto-Umbaukits, weshalb sich die Firma an einen internationalen Benchmark hält. Die Zulassungskriterien in der Schweiz sind üblicherweise streng: Einhaltung der Achslasten, Befestigung der Batterien, sehr begrenzte Änderungen im Vergleich zum Basisfahrzeug etc. Überdies ist Revive auf hochwertige Lithiumbatterien und moderne Computerchips für seine Umbauten angewiesen. Dies in Zeiten gestiegener Batteriepreise – und vor dem Hintergrund der schon länger andauernden Chipknappheit. Ein Mangel an qualifizierten Ingenieuren in diesem sehr spezifischen Bereich könnte für das Start-up ebenso zur Herausforderung werden – falls das Unternehmen zu rasch wachsen sollte.
Serge de Wilde schätzt das Marktpotenzial von Revive auf 100 Mio. CHF – bei etwa 15’000 Privatkunden. 8 Garagen sollen bislang zugesagt haben, die E-Umrüstkits zu verkaufen (50 potenzielle Partner). 2021 hat das Start-up 220’000 CHF Umsatz erzielt. Die Verlustzone will es bereits 2024 verlassen, mit 6.2 Mio CHF Umsatz und einem EBITDA von 1.2 Mio CHF. Bis 2024 will sich die Firma über die Vergabe von 5% der Aktien mit mindestens 2.5 Mio. CHF frischem Kapital auf Zielkurs bringen. Überzeugte Investoren sollen die Anteilsscheine eines Tages über den digitalen Marktplatz SME|X erwerben können. Das Listing dort wird nach Informationen von Revive angestrebt.