Thomas Kühne, LLB Regiofonds Zürichsee: «Ein Soft Landing ist nicht ausgeschlossen»

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Der Bank Linth Regiofonds Zürichsee der LLB investiert in kleine und mittelgrosse Unternehmen, die ihren Haupt- oder Holdingsitz in der Region um den Zürichsee haben – konkret in den Kantonen Glarus, Schwyz, St. Gallen, Zürich, Zug, Aargau, Schaffhausen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden sowie Graubünden. Er orientiert sich am Swiss Small & Middle Companies Index (SPISMC) als Benchmark und strebt einen möglichst hohen Gesamtertrag durch aktives Management an. Die Titelselektion basiert auf einer quantitativen und fundamentalen Analyse. Die quantitative Analyse erhält dabei ein hohes Gewicht. Das Fondsvermögen beträgt derzeit 67 Mio. CHF.

Thomas Kühne, 34, verantwortet bei der LLB als Portfoliomanager den Regiofonds Zürichsee. Bild: schweizeraktien.net

Herr Kühne, 2022 hat die LLB die Bank Linth zu 100% übernommen. Was heisst das für den Bank Linth Regiofonds Zürichsee? Werden Sie dem Fonds ein neues Label verpassen?

Für den Bank Linth Regiofonds Zürichsee (CHF) ändert sich nichts.

Sie haben im Sommer 2021 eine Rendite von 20% für Ihren Fonds prognostiziert. Gratulation – mit 20,8% haben Sie praktisch eine Punktlandung hingelegt. Wagen Sie auch in diesem Jahr eine Prognose, wo Ihr Fonds Ende 2022 stehen wird?

Aktuell hat der Fonds rund 15% verloren. Ich denke, dass es realistisch ist, dass dieser Verlust bis Ende Jahr nur noch einstellig ist. Sagen wir also -9% für die Punktlandung.

Energiepreise, die durch die Decke gehen; Unklarheit, wie lange der Krieg in der Ukraine weitergeht; Inflation, die auch in der Schweiz mittlerweile bei 3,5% angekommen ist und tendenziell eher weiter steigen wird. Welche Schlüsse ziehen Sie angesichts dieser Gemengelage für den Regiofonds Zürichsee?

Das Umfeld ist tatsächlich einmal mehr nicht einfach. Die wirtschaftliche Lage kann meines Erachtens auf beide Seiten kippen. Ich bin also nicht einer derjenigen Marktteilnehmer, die eine heftige Rezession als unvermeidbar sehen. Ich sehe diese eher als Risiko und erwarte, wenn schon, eher eine relativ milde Delle. Aber auch ein «Soft Landing» ist m. E. gerade in den USA nicht ausgeschlossen – die letzten Arbeitsmarktzahlen zeigten dies mit der stark gestiegenen Partizipationsrate. Generell bevorzuge ich darum Titel, bei denen ich strukturelle Wachstumstrends sehe wie Flüssiggas oder Solar bei Burckhardt Compression sowie 5G, Rechenzentren und Elektromobilität bei Huber+Suhner.

Bei unserem letzten Gespräch hoben Sie Ihr Engagement in Sulzer heraus. Auch Vetropack und Gurit hielten Sie für attraktive Investments. Was hat Ihnen da einen Strich durch die Rechnung gemacht?

Gurit leidet weiterhin unter der Delle im Windmarkt, die viel tiefer ist, als wir das vor einem Jahr erwartet hatten. Mittelfristig bin ich überzeugt, dass Windenergie als eine der günstigsten Formen der Stromproduktion ein hohes Potenzial hat. Ausserdem schlägt man damit zwei Fliegen mit einer Klatsche: Klimaziele und das geopolitische Ziel der höheren Unabhängigkeit von externen Energielieferanten. Dies ist für den Westen und insbesondere für Europa attraktiv, aber eigentlich für alle Länder erstrebenswert, auch beispielsweise Indien oder China. Bei Vetropack und Sulzer hat der Ukraine-Krieg die Resultate beeinträchtigt. Mittelfristig bin ich aber für beide Titel positiv.

Da wir gerade bei Industrietiteln sind. Was überzeugt Sie an Burckhardt Compression?

Burckhardt Compression verfügt über eine hervorragende Marktposition. Die Firma profitiert als Kompressorhersteller vom aktuell starken Gas- und Ölmarkt. Mittelfristig sehen wir auch Wachstumschancen im Wasserstoffbereich. Burckhardt hat dabei beispielsweise kürzlich Produkte für die weltgrösste Wasserstoffverflüssigungsanlage der Welt in Südkorea geliefert. Das starke Standbein in Asien (v.a. China und Südkorea) sehen wir positiv, da China und Südkorea sehr bedeutende Standorte beim Schiffbau sind und LNG-Importe in der Region stark an Bedeutung gewinnen. Auch die neue IMO-2020-Regelung zur Reduktion des Schwefelgehalts in der Schifffahrt dürfte Burckhardt helfen – vor allem durch Dual-Fuel-Antriebe bei LNG-Tankern. Dabei wird natürlich entweichendes Gas zum Antrieb genutzt. Burckhardt ist als Lieferant u. a. für MAN dabei führend. Schliesslich ist auch Solarenergie ein schnell wachsender Endmarkt mit sehr viel Potenzial für Burckhardt.

Nach Industrie sind Sie am stärksten in den Sektor Technologie investiert. Welche Titel aus Ihrem Portfolio möchten Sie hier herausheben?

Die grösste Position ist u-blox. Dieser Titel hat dieses Jahr alleine mehr als 3% zur Überrendite gegenüber dem Benchmark beigetragen. Ich habe die Position zwar vor 1 bis 2 Monaten, im Nachhinein zu früh, reduziert, sie beträgt aber immer noch mehr als 4%. Ich bin also weiterhin positiv für u-blox. Mir erschien einfach mehr als 7% als zu hoch für eine Aktie mit einem doch auch erheblichen Risiko.

Kursverlauf der u-blox-Aktie in 2022. Quelle: six-group.com

Als wir vor einem Jahr miteinander sprachen, sah Ihr Portfolio noch deutlich anders aus als heute. Grosse Positionen wie Orior und Julius Bär haben Sie reduziert, dafür Huber+Suhner und Kühne+Nagel deutlich ausgebaut. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt?

Wir mögen die Aktie von Kühne+Nagel als Portfoliobaustein, weil sie als eine Art «Versicherung» gegen anhaltende Komplexität in den globalen Lieferketten fungiert. Kühne+Nagel erwartet, dass die Seefrachtraten auch nach dem vollständigen Ende der Pandemie 2-3mal höher bleiben als vor der Pandemie. In diesem Fall wäre die Aktie sehr attraktiv bewertet – die Börse nimmt also ein pessimistischeres Szenario vorweg. Ausserdem ist die Bilanz sehr solid mit Nettoliquidität. Im Fall einer tiefen Rezession sehen wir K+N auch vergleichsweise gut positioniert, da das Geschäftsmodell wenig kapitalintensiv ist. Die Firma hat seit 1993 immer positive Free Cashflows (FCF) erzielt, auch während der Finanzkrise 2007 bis 2009. Aktuell beträgt die erwartete FCF-Rendite für 2023 attraktive 8%. Huber+Suhner profitiert von den oben erwähnten Megatrends 5G, Rechenzentren und Elektromobilität.

Lassen Sie uns noch auf Titel aus dem Gesundheitswesen zu sprechen kommen, auch wenn dieser Sektor mit 5% im Portfolio relativ schwach vertreten ist. Was überzeugt Sie an Galenica, und welche anderen Titel aus diesem Sektor halten Sie und können Sie empfehlen?

Galenica bietet ein defensives Geschäftsmodell, da rund die Hälfte des Umsatzes im Apothekenbereich mit rezeptpflichtigen Medikamenten generiert wird. Schliesslich ist auch der B2B-Service-Bereich gerade im Logistikbereich klar führend, u. a. dank einem hochautomatisierten Verteilzentrum in Niederbipp. Insgesamt betrachten wir das Apothekenportfolio zu über 75% und den gesamten Service-Bereich als nicht zyklisch, womit Galenica insgesamt zu über 80% nicht zyklische Erträge generiert. Weil Galenica auch zu 99% im Inland tätig ist und darüber hinaus längerfristig vom demografischen Trend der Überalterung profitiert, erachten wir die Dividende als sehr sicher. Mit einer Dividendenrendite von über 3% ist die Aktie darum unseres Erachtens eine attraktive Anlage. Als zweitgrösste Position im Sektor halten wir auch Coltene im Portfolio. Die Aktie ist attraktiv bewertet. Allerdings möchte ich diese Position aus Liquiditätssicht nicht zu gross werden lassen.

Gibt es weitere Titel aus Ihrem Portfolio, die Sie besonders herausheben möchten?

Helvetia überzeugt uns weiterhin durch eine attraktive Bewertung und ein defensives Geschäftsmodell.

Wie ist Ihr Gemütszustand, wenn Sie auf die Zukunft der Märkte blicken?

Natürlich versuchen wir, negative absolute Renditen so gut wie möglich zu vermeiden – vom Markt abkoppeln können wir uns dennoch nicht. Für die längerfristige Zukunft bin ich optimistisch, weil ich überzeugt bin, dass die Aktien im Portfolio ein klares Renditepotenzial aufweisen.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Kühne. 

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