Kongresshaus Zürich: In den perfekten Sturm geraten – und findet nicht mehr heraus

Einschneidende Bilanzmassnahmen beantragt

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Das frisch renovierte Kongresshaus direkt am Zürichsee. Bild: © Kongresshaus Zürich AG

Die Betriebsgesellschaft Kongresshaus Zürich AG ist überschuldet. Am 16. November 2022 werden an einer ausserordentlichen Generalversammlung einschneidende Bilanzmassnahmen beantragt. Vielen Aktionären scheint der Ernst der Lage aber nicht bewusst zu sein.

Frisch renoviert, aber finanziell in Schieflage. Das ist kurz zusammengefasst die Lage, in der sich die Kongresshaus Zürich AG befindet. Die Aktien der Betriebsgesellschaft für das Kongresshaus und die Tonhalle werden ausserbörslich gehandelt. Der Gebäudekomplex selbst gehört einer öffentlich-rechtlichen Stiftung. Die Aktiengesellschaft besitzt kein Anlagevermögen. In den vergangenen Jahren entwickelte sich der perfekte Sturm für die Betriebsgesellschaft. Eine ausserordentliche Generalversammlung am 16. November 2022 soll zumindest die finanzielle Misere lösen. Doch Aktionäre scheinen die angekündigten Kapitalmassnahmen nicht ernst zu nehmen. Die Aktien der Kongresshaus AG wurden eine Zeitlang noch auf einem nicht zu rechtfertigendem Kursniveau gehandelt. Mittlerweile hat sich das Kursniveau auf otx-x.ch bei 125 CHF eingependelt.

Die Betriebsgesellschaft ist seit 1984 für die Veranstaltungen im Kongresshaus verantwortlich. Im neuen Jahrtausend zeigte sich jedoch immer mehr, dass die Anlage nicht mehr den Bedürfnissen von Kongressveranstaltern entsprach. Alle Lösungen für den Bau eines Kongresshauses an einem anderen Standort in der Stadt wurden verworfen. Eine umfassende Sanierung und eine Erweiterung kristallisierten sich als einzige Lösung heraus. Ein erstes Projekt, welches den Kauf des Landes neben dem Kongresshaus und eine deutliche Erweiterung inklusive des Baus eines neuen Hotels umfasste, scheiterte am Nein des Zürcher Stimmvolks im Jahr 2008. Nach einer umfassenden Planung wurde im Jahr 2013 ein Vorprojekt für die komplette Sanierung aller Gebäudeteile vorgestellt. Im Juli 2017 schloss das Kongresshaus die Türen und die Umbauarbeiten begannen. Wegen fehlender Planungssicherheit konnten bereits für das ganze Geschäftsjahr 2017 kaum mehr Veranstaltungen akquiriert werden.

Verzögerung und Mehrkosten

Während den Umbauarbeiten kam es zu zwei je sechsmonatigen Bauverzögerungen und der Umbau wurde 13 Mio. teurer als die 165 Mio. CHF, die von der Stadt genehmigt worden waren. Nach den Umbauarbeiten verzögerte die Pandemie die Eröffnung des Hauses. Erstaunlich ist, wie viel Geld die Betriebsgesellschaft in geschlossenen Zustand «verbrannte», weil grosse Teile des Personals weiter beschäftigt wurden. Anspruch auf staatliche Corona-Hilfe konnte das Unternehmen nicht in Anspruch nehmen, weil in den Vorjahren – der Berechnungsgrundlage für die Pandemie-Hilfsgelder – bereits keine Einnahmen erzielt worden waren. Im Geschäftsjahr 2020 sanken die flüssigen Mittel auf 5,6 Mio. CHF. Das Eigenkapital belief sich per Ende des Jahres 2002 auf 6,31 Mio. CHF. Vier Jahre zuvor betrug es noch 9,4 Mio. CHF.

Der Verwaltungsrat des Kongresshauses erwartet erst für das Geschäftsjahr 2024 wieder einen «normalen Betrieb». Ob dieser das bisherige Volumen erreichen kann, muss sich noch weisen. Denn in den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche neue Anbieter in Stellung gebracht – oder bisherige haben ihr Event-Angebot verbessert. So haben sich im Flughafen Zürich im Circle und in der Samsung Hall in Stettbach moderne, neue Event Locations etabliert. Bestehende Veranstaltungsorte wie die ABB-Hallen in Oerlikon, die Hotels Dolder und Marriott, Räumlichkeiten im Puls 5 sowie im Casino Lakeside haben ihr Angebot verbessert, und selbst im neuen Kunsthaus wurden schon Generalversammlungen und Events durchgeführt.

Stadt wird bis zu 4,5 Mio. CHF einschiessen

Um die Kongresshaus Zürich AG zu retten, beschloss die Stadt Zürich Mitte September, die Rolle als Hauptaktionärin auszubauen. Der Gemeinderat genehmigte einen Kredit über maximal 4,5 Mio. CHF. So soll die Gefahr einer Überschuldung des Kongresshauses gebannt und gemäss Finanzplänen eine Rückkehr in die Profitabilität möglich sein. Die Stadt weist auf die Wichtigkeit des Kongresshauses für die Tourismus- und Veranstaltungsbranche hin und will die 480 Arbeitsplätze schützen. Bereits im März 2021 sprang die Stadt mit einem Kredit von 1,9 Mio. CHF in die Bresche, um den drohenden Konkurs der Betriebsgesellschaft abzuwenden. An der Sitzung im September 2022, an der die Kapitalmassnahme «Harmonika» beschlossen wurde, äusserten einzelne Stadträte die Befürchtung, dass das Engagement für die Stadt ein «Fass ohne Boden» werden könnte.

Der Kredit der Stadt kommt zum Einsatz, wenn an der ausserordentlichen GV vom 16. November die geplante Bilanzmassnahme, die sogenannte «Harmonika», eine Mehrheit erhält. Dabei erfolgt in einem ersten Schritt ein Kapitalschnitt. Die 5000 Aktien mit einem Nominalwert von 1000 CHF werden auf 100 CHF herabgesetzt. Das Aktienkapital reduziert sich damit von 5 Mio. CHF auf 500’000 CHF. In einem zweiten Schritt wird das Aktienkapital wieder auf 5 Mio. CHF erhöht. Jeder Aktionär kann pro bereits gehaltene Aktie neun weitere à 100 CHF erwerben. Die Stadt Zürich garantiert diese geplante Erhöhung mit dem gesprochenen 4,5-Mio.-Kredit. Sie übernimmt die neuen Aktien, die keinen Käufer finden. Das könnten im Extremfall alle neuen Aktien sein.

Einfachere Strukturen

Zukünftig werden zudem die komplizierten Strukturen der Betriebsgesellschaft etwas vereinfacht, doch dadurch reduziert sich auch das Einnahmepotenzial der Kongresshaus AG, welche die Aktien ausstehend hat. Eigentümerin des Gebäudeensembles am See mit Kongresshaus und Tonhalle bleibt wie zuvor die öffentlich-rechtliche Kongresshaus-Stiftung Zürich. Der Betrieb von Kongresshaus und Tonhalle wird finanziell getrennt. Das Kongresshaus wird künftig durch die Kongresshaus Zürich AG organisiert, die Tonhalle-Gesellschaft Zürich AG wird alleinige Mieterin des Tonhalle-Gebäudeteils. Die Einnahmen der Tonhalle fallen nicht mehr unter die Rechnung der Kongresshaus Aktiengesellschaft.

Seit Mitte September die Kapitalmassnahmen beschlossen wurden, hätte eigentlich der Kurs der Aktien auf rund 100 CHF oder tiefer sinken müssen. Doch noch Ende Oktober gab es auf der Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) Abschlüsse zwischen 292 und 640 CHF. Mittlerweile haben sich zumindest die Geldkurse im Orderbuch der 100-CHF-Grenze angenähert. Doch selbst, wenn man die Valoren aus der Kapitalerhöhung zu 100 CHF erwerben könnte, scheint das wenig attraktiv zu sein angesichts der durchzogenen Aussichten des Kongresshauses unter wahrscheinlich verstärkter «Kontrolle» der Stadt.

Wenig Information und Liquidität

«An der regulären Börse wäre dieser Titel ein klassischer Fall für Short-Verkäufer», sagt ein Händler in ausserbörslichen Aktien. In diesem Fall scheine es so, als ob es Aktionäre gebe, welche die Titel aus Interesse an Kunst und Kultur halten. Andere seien wohl einfach schlecht informiert. Zudem sei die Liquidität so gering, dass es eine gewisse Zeit brauche, bis sich der Kurs dem «fairen» Wert annähere, so der Händler.

«Ich habe die Kongress-Aktien vor Jahren für 2300 Franken gekauft und muss zugeben, es war eine Fehlinvestition», sagt ein Vermögensverwalter. Er habe sich zu wenig mit der komplizierten Struktur auseinandergesetzt und dann vor dem Umbau den rechtzeitigen Absprung verpasst. Er sieht wegen der intensiven Konkurrenz, einer neuen Leitung, die eher «branchenfremd» sei, und der Abtrennung der Tonhallen-Einnahmen wenig Potenzial für die Zukunft. Ihm sei zudem aufgefallen, dass das neue Restaurant bestenfalls noch medioker sei, wohingegen das frühere «Intermezzo» höchste Ansprüche erfüllt habe.

Der Aktienkurs der Kongresshaus-Zürich-Aktie hat sich mittlerweile dem Ausgabepreis der neuen Aktien von 100 CHF angenähert. Chart: www.otc-x.ch

Das Kongresshaus Zürich bleibt ein Trauerspiel – die Hoffnung auf Besserung besteht kaum. Anleger sollten sich von dieser Aktie fernhalten, egal wie die Generalversammlung und die anschliessende Kapitalerhöhung ausfallen. Den Valoren des Kongresshauses könnte ein ähnliches Schicksal wie jenen des Opernhauses Zürich blühen. Diese werden kaum gehandelt. Die Titel mit einem Nominalwert von 900 CHF gehen momentan – wenn überhaupt – zu einem Kurs von 600 bis 700 CHF um. Die Inhaber sind meist Kulturinteressierte, die bei stark gesuchten Vorstellungen teilweise mit Vorzugsbedingungen rechnen können. Bei der «neuen» Betriebsgesellschaft des Kongresshauses ohne Tonhallen-Ertrag ist dieses Potenzial aber beschränkt.

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