Kursaal Bern: Kontinuierliche Verbesserung im Geschäftsjahr 2022

Trotz hohem Umsatzanstieg führen steigende Kosten und Wegfall der Härtefallhilfen zu Verlustausweis

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Da kommt Ferienstimmung auf: Rooftop-Bar des Kursaal Bern. Bild: kursaal-bern.ch

Es war eine kühne Entscheidung, mitten in der Pandemie eine Kapitalerhöhung und ein IPO an der BX durchzuführen. Davor war die Aktie der Kursaal Bern AG ausserbörslich auf OTC-X gehandelt worden. Der Börsengang spülte, wie beabsichtigt, 14 Mio. CHF in die Kassen und war somit erfolgreich. Im ersten Geschäftsjahr als börsenkotiertes Unternehmen stieg der Umsatz um 61,8% auf 74.8 Mio. CHF, und auch das EBITDA fiel mit 7.9 Mio. CHF wieder positiv aus.

Sondereffekte sorgten dennoch für einen Verlust von 2.5 Mio. CHF. Der Hauptgrund sind die im vorigen Geschäftsjahr bezogenen Härtefallhilfen, die sich in Höhe von über 14 Mio. CHF im Zahlenwerk niederschlagen. So konnte für das äusserst schwache Pandemiejahr 2021 ein Gewinn von 1.6 Mio. CHF ausgewiesen werden – ohne Härtefallhilfen wäre es ein Verlust von 13 Mio. CHF gewesen. Ein besserer Massstab für die operative Profitabilität ist das EBITDA-Ergebnis. Das drehte von -2.5 Mio. CHF in 2021 auf positive 7.9 Mio. CHF.

Schwieriges erstes Halbjahr 2022

Das Geschäftsjahr 2022 begann für den Kursaal Bern auf schwacher Basis, doch das Geschäftsklima und der Geschäftsgang entwickelten sich dann kontinuierlich stärker. Das erste Quartal 2022 war noch von den Auswirkungen der Pandemie gekennzeichnet – viele Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben. Der Kriegsbeginn in der Ukraine führte zu weiteren Belastungen, vor allem zu einem Preisschub, der sich in mehreren Aufwandsposten niederschlug.

Besserung im zweiten Halbjahr

Dennoch zeigte sich im zweiten Halbjahr eine erste Normalisierung. Events, die mehrere Jahre nicht stattgefunden hatten, erlebten ein Comeback, und neue Formate starteten, was auch für bessere Auslastung in Hotellerie und Gastronomie sorgte. Auch die Touristen kamen wieder in grösserer Zahl in das Hotel, wobei Individualreisende und Kleingruppen vor allem aus Südost-Asien und der Golf-Region ins Gewicht fallen. Grössere Reisegruppen blieben 2022 aus, obwohl die Hoffnungen hoch waren, dass ein Ende der chinesischen Lock-down-Politik den Ferntourismus beflügeln würde.

Steigende Auslastung

Das Unternehmen fand andere Wege, um den Zielen näherzukommen. Offensichtlich mit Erfolg, denn die Auslastung von Hotellerie und Gastronomie bewegte sich im September und November auf Rekordniveau. Zu den Faktoren für den operativen Umschwung zählt die Kooperation mit dem französischen Hotelkonzern Accor, die zu wesentlich besseren Buchungen führen, vor allem an den Wochenenden. Dazu zählt auch die gemeinsame Initiative «Congress Hub Bern» mit Bernexpo und Bern Welcome, um die Bundeshauptstadt als Kongress-Standort nach vorne zu bringen. Weiterhin werden die florierenden Themen-Restaurants renoviert und das Angebot erweitert.

Plastikfreies Swissôtel Kursaal Bern. Bild: kursaal-bern.ch
Nachhaltigkeit als Priorität

Nicht zuletzt positioniert sich die Kursaal Bern Gruppe als Trendsetter im nachhaltigen Hotel- und Restaurantbetrieb, was, den Zahlen nach zu urteilen, von der Zielklientel sehr gut angenommen wird. Das Hotel ist Stand Ende 2022 «plastikfrei». Selbst die Zahnbürsten sind aus Holz, die Schreiber aus Papier. Im ganzen Hotel finden sich keine Einmalverpackungen aus dem angeblich unverzichtbaren Plastik, stattdessen aus nachwachsenden Rohstoffen. Seit Anfang 2023 werden «CO2-neutrale Kongresse und Hotelübernachtungen» angeboten. Die mehrjährige Bilanz der Investitionen in den nachhaltigen Betrieb spricht Bände. Nicht ohne Stolz präsentieren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung im Geschäftsbericht die Einzelheiten: Zwischen 2019 und 2022 wurde die Menge an Foodwaste um 19,8% reduziert, im Hotel sank der Wasserverbrauch um 21,5% und der Stromverbrauch um 17,5%.

Teuerungstendenzen

Am deutlichsten zeigt sich die kräftige Erholung ab April 2022 im Segment Hotel & Gastronomie mit einem Umsatzanstieg von 78% auf 13.7 Mio. CHF, gefolgt vom Segment Kongresszentrum mit einem Zuwachs von 61,7% auf 13.8 Mio. CHF. Im Segment Casinos stieg der Betriebsertrag um 57,7% auf 46.4 Mio. CHF. Die allgemeine Teuerung schlug sich in den verschiedenen Aufwandsposten wie Dienstleistungs-, Verwaltungs- und Diverser Betriebsaufwand nieder, nicht jedoch bei den bedeutenden Positionen Personal und Energie. Weitsichtig hat der Kursaal Bern die Energiepreise mit dem EVU bis 2024 festgelegt, was das Unternehmen vor den Preisschüben an den Energiemärkten bewahrt hat.

Quoten zeigen Gesundung

Und obwohl die Anzahl der Mitarbeitenden innert Jahresfrist von 357 auf 426 erhöht wurde, sank die Personalkostenquote wieder unter die 50%-Marke. Mit 34.2 Mio. CHF ist der Personalaufwand um 9.4 Mio. CHF gegenüber dem Vorjahr gestiegen und der grösste Kostenblock. Insgesamt beträgt der Betriebsaufwand 66.8 Mio. CHF. Die Aufwandquote hat sich von 105,4% im Vorjahr markant auf 89,4% verbessert. Die Eigenkapitalquote hat sich allerdings um 1.4 Prozentpunkte auf 62,7% reduziert.

Online-Casino beendet

Höhere Marketingaufwendungen waren erforderlich im Hinblick auf die Strategie im Casinobereich respektive deren Änderung. Der Kursaal Bern war mit zwei konzessionierten Online-Casinos aktiv. 2022 wurde die Einstellung des zuletzt gestarteten Angebots beschlossen. Die Gründe sind nicht unbedingt überraschend. Das Online-Marktvolumen liegt in der Schweiz mit rund 250 Mio. CHF deutlich unter den Erwartungen der Branche – und der Kampf um Marktanteile ist teuer. Der Konsolidierungsprozess ist bereits in vollem Gang.

Drittes terrestrisches Casino

Bei den terrestrischen Casinos steht die Neuvergabe der Konzessionen bis Ende 2024 an. Die Perspektiven scheinen gut. Einer Neuerteilung der bestehenden zwei A-Konzessionen steht nichts im Weg. Zusätzlich werden zwei neue A-Konzessionen vergeben. Für eine davon in Romanel-sur-Lausanne ist der Kursaal Bern der einzige Antragsteller.

Risiken und Chancen

Trotz der beachtlichen Erholung im Jahresverlauf 2022 und den unzweifelhaften Erfolgen in der Umsetzung der Strategie sowie den vielversprechenden Weichenstellungen: Der Ausblick ist nicht rosarot. Abgesehen von den allgemeinen Risiken stellen Teuerungstendenzen und Personalmangel fundamentale Herausforderungen dar. Bisher ist die Personalakquise aus eigener Kraft erfolgt, inzwischen werden aber auch Personal-Vermittler eingeschaltet. Zudem sind Kandidaten für die Ansprüche in der gehobenen Hotellerie und Gastronomie am Personalmarkt nur schwer zu finden. Aus- und Weiterbildung sowie gute Sonderleistungen könnten ein Weg sein, um die branchenüblich hohe Fluktuation zu reduzieren. Die Inflation verlangt verschiedene Antworten, eine davon ist die beschlossene Installierung einer PV-Anlage auf dem Dach des Kursaals, welche zugleich die Energiekosten und die Emissionen reduzieren wird.

Fazit

Die strategische Initiative inmitten der Pandemie hat Stand Mai 2023 zu erstaunlich klaren Ergebnissen geführt. Das Kongressgeschäft läuft gut an, die Auslastung von Hotel und Restaurants nimmt zu, nicht zuletzt dank dem Accor-Deal, und der eher unkluge Start eines zweiten Online-Casinos wurde recht schnell beendet. Stattdessen soll zukünftig ein drittes terrestrisches A-Casino betrieben werden. Steigende Kosten, Personalengpässe und Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Touristenströme sind als Risiken nicht zu ignorieren. Die klare nachhaltige Ausrichtung und die Positionierung mit den Partnern im Congress Hub Bern zeigen aber auch, dass die Chancen des Marktwandels entschlossen und mit Weitsicht am Schopf gepackt werden. Mit einem Verlust je Aktie von 20.10 CHF im Geschäftsjahr 2022 werden die Aktionäre nicht glücklich sein, doch musste ihnen klar sein, dass die nachhaltige Überwindung des Krisenszenarios seit 2020 Zeit und auch Geduld erfordert. Die erreichten Etappenziele bieten durchaus Grund zu einer optimistischen Einschätzung.

Kursverlauf der Aktie der Kursaal Bern AG seit Juni 2021. Chart: bxswiss.com

Die Aktien der Kursaal Bern AG sind am SME Main Market der BX Swiss kotiert. Zuletzt wurden Kurse von 342.50 CHF je Aktie bezahlt. Damit wird der Titel fast 50% unter dem per Ende 2022 ausgewiesenen Buchwert von 671 CHF je Aktie gehandelt. Seit dem Börsengang Ende Juni 2021 hat der Aktienkurs rund 7% verloren. Die Aktien wurden zum Preis von 370 CHF ausgegeben.

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