Elma Electronic: Börsenerfolg im nebligen Umfeld

Vom «handgestrickten KMU zum prozessorientierten Industrieunternehmen»

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Der Hauptsitz des Industriezulieferers in Wetzikon. Bild: Elma

Die Aussichten für Elma Electronic sind rosig. Doch für Investoren ist es schwer, den Weg des Unternehmens zu erkennen. Anhaltspunkte lassen sich vor allem aus dem Jahresabschluss für das vergangene Jahr, der Anfang März publiziert wurde, ableiten. Das zweite Halbjahr 2022 fiel deutlich besser aus als das erste, und ins laufende Jahr stieg das Unternehmen aus Wetzikon mit einem hohen Auftragsbestand ein. Die zunehmende Dynamik in den vergangenen Jahren ist auch der Börse nicht verborgen geblieben. Von Anfang 2020 bis Mitte 2022 kletterten die Valoren von 440 CHF auf über 1’100 CHF. Seither oszillieren die Titel auf einem Niveau von knapp über 1’000 CHF.

Von diesem Kursfeuerwerk haben nur wenige Privatinvestoren profitiert, denn das Unternehmen weist einen tiefen Streubesitz auf. Doch das ist nicht der einzige Makel, der die Freude an dem sich entwickelnden Unternehmen trübt. Wegen der hohen globalen Unsicherheiten und der geringen Visibilität verzichtet das Management mit der Publikation des Jahresabschlusses 2022 auf einen konkreten Ausblick für das laufende Jahr.

«Elma Electronic hat klare strategische Ziele»

«Die Gesellschaft kommuniziert keinen Ausblick, weil wir dies als nicht seriös betrachten», sagt Martin Wipfli, der seit dem Jahr 2008 dem Elma-Verwaltungsrat als Präsident vorsteht. Wenn man mit dem Unternehmen spreche oder die Kommunikation betrachte, dann sehe man, dass Elma Electronic klare strategische Ziele habe, die es hartnäckig verfolge. «Im Übrigen kommunizieren wir auch, wo wir unsere Schwächen sehen und woran wir am meisten arbeiten. Langfristig orientierte Investoren beurteilen eine Gesellschaft aufgrund ihrer Strategie und nicht aufgrund eines Jahresausblickes», fügt Wipfli an.

Martin Wipfli ist Gründer und geschäftsführender Partner der Baryon AG. Er ist auch Verwaltungsratspräsident der gewichtigen Industriegruppe Metall Zug. An Baryon angegliedert ist die von Wipfli präsidierte börsenkotierte Beteiligungsgesellschaft Nebag. Der Rechtsanwalt ist Verwaltungsrat bei mehreren kotierten und nicht kotierten Unternehmen sowie Stiftungsrat bei gemeinnützigen Stiftungen und Vorsorgeeinrichtungen. Insgesamt hat er etwa dreissig Mandate, etliche als Präsident, etwa bei Müller Martini, Newrox und Fisba.

Bescheidener Free-float

Über die Bayron hält Wipfli einen Viertel der Elma-Aktien. Weil sich nur knapp 10% der Aktien im Free-float befinden, gehört Elma zu den «ruhigen» Gesellschaften an der Schweizer Börse SIX (vgl. Tabelle Hauptaktionäre). Die Handelstätigkeit ist bescheiden, an vielen Börsentagen im Jahr finden keine Transaktionen in den Aktien statt. «Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten findet mit den Grossaktionären ein regelmässiger Austausch statt. Inhaltlich geht dieser Austausch aber nicht weiter, als was wir in der Öffentlichkeit auch sagen», antworte der VR-Präsident auf die Frage, wie die Zusammenarbeit unter den Grossaktionären sei.

Quelle: Aktienführer FuW

Andere Unternehmen in einer ähnlichen Position mit wenig Free-float sowie kaum Beachtung durch Analysten und Broker haben den Entscheid gefällt, sich von der Börse zurückzuziehen. Wird Elma auch diesen Weg gehen? Wipfli antwortet: «Bis jetzt war dies kein Thema. Ich bin überzeugt, dass das Unternehmen nach der Transformationsphase auf reges Investoreninteresse stossen wird».

Zu Sulzer, weg von Sulzer

Josef Mayr gründete 1961 in Mönchaltdorf Elma Electronic, die Schalter und Zähler fabrizierte. Innert weniger als zehn Jahren stieg das Unternehmen zu einem der bedeutendsten Schweizer Zulieferer von Elektronik-Bauteilen auf. 1965 expandierte das Unternehmen mit einer Tochterfirma nach München. Ende der sechziger Jahre erwies sich der Standort in Mönchaltdorf als zu klein. In Wetzikon entstand 1970 der neue Firmensitz, an dem 200 Personen beschäftigt wurden. Heute arbeiten rund 820 Mitarbeitende für die Gruppe. 1974 übernahm der Industriekonzern Sulzer das Unternehmen vollständig – einen Teil hatte der Industriekonzern bereits vier Jahre zuvor erworben. Mit der Gründung einer Tochtergesellschaft expandierte Elma 1985 in die USA, wo es einige Jahre später ein weiteres Tochterunternehmen gründete.

1996 spaltete Sulzer Elma Electronic ab, weil es nicht mehr zur Konzernstruktur passte und mit 65 Mio. CHF nur rund 1% zum Gruppenumsatz beisteuerte. Elma hatte sich inzwischen zum Spezialisten für das «Electronic Packaging» entwickelt. Sie passte für Kunden wie Olivetti und Ascom elektronische Baugruppen in Gehäuse ein, um diese vor Schmutz, Strahlung und Überhitzung zu schützen. Im Jahr 2000 gründete Elma Tochtergesellschaften in Frankreich, England sowie Israel und nahm Übernahmen in Deutschland und Rumänien vor. Die Expansion setzte sich 2004 mit der Gründung eines Tochterunternehmens in China sowie mit einer Firmenübernahme in den USA und England fort.

Umsatz steigt, Rentabilität sinkt

Der «starke und hochwertige» Auftragseingang spiegle das Vertrauen der Kunden», schreibt das Zürcher Oberländer Unternehmen im Geschäftsbericht 2022. Doch das aus der Vergangenheit bekannte Muster mit wachsendem Umsatz und zunehmenden Bestellungen bei rückläufigem Gewinn hat die Gesellschaft nicht durchbrechen können.

Im vergangenen Jahr legte der Umsatz um 3,6% auf 154,7 Mio. CHF zu. Währungsbereinigt ergab sich ein Plus von 3%. Der Bestellungseingang zog um 4,7% auf 167.8 Mio. CHF noch etwas deutlicher an – die neuen Aufträge von Kunden hätten vor allem im zweiten Halbjahr stark angezogen. Auch die Profitabilität ist gemäss Elma in den zweiten sechs Monaten klar besser ausgefallen als im Vorsemester. Dennoch hat sich der operative Gewinn (EBIT) auf 4.6 Mio. CHF beinahe halbiert, während der Reingewinn über 40% auf 4.2 Mio. CHF zurückfiel.

Weil die für einen positiven Dividendenentscheid massgebenden Faktoren wie eine verbesserte Bilanzstruktur, Abbau der Nettoverschuldung und eine Eigenkapitalquote von über 50% erfüllt wurden, wurde für 2022, wie für das Vorjahr, eine Ausschüttung von 2 CHF ausbezahlt. Von 2008 bis 2021 verzichtete das Unternehmen auf eine Dividendenausschüttung.

Globaler Ausrüster von Elektronikherstellern

Mit ein Grund für die tiefe Aufmerksamkeit, die Elma erfährt, ist ihr Produktangebot, das der Durchschnittskonsument kaum zu Gesicht bekommt. Der Industriezulieferer bedient die Kunden mit Elementen für die IT-Infrastruktur, darunter fallen etwa Rückwände mit Steckplätzen für elektronische Systeme, Drehschalter, Komponenten und Gehäuse – aber auch die kompletten Grundlagen für Computersysteme. Diese Bauteile sind oft Elemente von Einheiten, die in grossen Systemen verbaut werden.

Die Produkte und Dienstleistungen werden in drei strategischen Produktlinien in den drei Regionen Americas, Europe und Asia durch zehn Elma-Ländergesellschaften angeboten. Weil der IT-Zulieferer in den drei Regionen über Produktionsstandorte verfügt, kann er rasch auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Wegen dieser globalen Ausrichtung wird das Unternehmen aber auch von den geopolitischen Unsicherheiten und den daraus entstehenden Lieferengpässen beeinträchtigt.

Die Region Americas habe den Verlust aus dem ersten Halbjahr durch die Optimierung der Produktionsprozesse und dank personellen Verstärkungen bis Ende 2022 deutlich reduzieren können, heisst es im Jahresbericht. Der Umsatz litt aber unter der angespannten Lage am Arbeitsmarkt sowie den Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung. In der Region Europa sei dank robuster Systemlösungen die Entwicklung insgesamt positiv gewesen. Die Gesellschaft in Deutschland sei direkt von den von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland getroffen worden. Dafür wurde ein «bedeutender» Systemauftrag aus der Automobilbranche im Bereich des autonomen Fahrens gewonnen.

Wegen Pandemie performte Asien 2022 schlecht

Nach Regionen betrachtet hat das Unternehmen 2022 in Europa, woher rund die Hälfte aller Bestellungen kommt, und in Amerika Boden gutgemacht, während die Bestellungen aus Asien wegen der vor allem in der ersten Jahreshälfte angespannten Pandemiesituation deutlich hinter dem Vorjahr zurückgeblieben sind. Weil die höheren Inputkosten nicht vollumfänglich weitergegeben werden konnten, sank die Marge auf Stufe Betriebsgewinn vor Steuern (EBIT) von 6,1 auf 3,0%.

Elma-Verwaltungsratspräsident Martin Wipfli. 

«Elma Electronic entwickelt sich vom handgestrickten KMU zum prozessorientierten Industrieunternehmen»

VR-Präsident Wipfli hält fest: «Ich orientiere mich an langfristigen Zielen und der langfristigen Entwicklung des Unternehmens. Dabei bin ich nicht auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit oder an den Finanzmärkten angewiesen.» Für ihn sei wichtig, was Kunden und Mitarbeitende von Elma denken würden. Die Gesellschaft habe in den vergangenen Jahren viel in Wissen investiert und wachse heute als Unternehmen in eine neue Dimension. «Elma Electronic entwickelt sich vom handgestrickten KMU zum prozessorientierten Industrieunternehmen», so Wipfli.

Bei Nachhaltigkeit erst «am Anfang»

Das Unternehmen hat die Bemühungen bezüglich Nachhaltigkeit stark ausgebaut. Anfang 2022 hat sich Elma der Science-Based-Targets-Initiative (SBTi) angeschlossen und sich verpflichtet, zeitnah unternehmensweite Emissionsreduktionen im Einklang mit der Klimawissenschaft festzulegen. Weltweit sind 4’000 Unternehmen diese Verpflichtung eingegangen. «Wir stehen erst am Anfang, und wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wir werden in absehbarer Zeit grosse Mittel in unsere Gebäude und Produktionsanlagen investieren und dabei darauf achten, dass wir unseren Fussabdruck trotz des geplanten Wachstums verkleinern können», sagt dazu der Verwaltungsratspräsident.

Bei der Reduktion der Treibhausgase beschäftigt sich Elma vor allem mit den Scope-3-Emissionen – den indirekten Emissionen aus der Geschäftstätigkeit, einschliesslich Emissionen aus eingekauften Waren, der eigenen Produkte aus Rohstoffen wie Aluminium und Stahl und entlang der Wertschöpfungskette. Dabei fokussiert sich das Unternehmen auf den Beschaffungsprozess, Recycling, Verlängerung der Produktlebensdauer und alternative Lösungen.

Um das Engagement für die Umwelt auch für die Allgemeinheit sichtbar zu machen, unterstützt Elma seit dem vergangenen Jahr SolarButterfly. Dieses Projekt ist eine Aufklärungskampagne für einen nachhaltigen Lebensstil, bei der ein mit Sonnenenergie versorgtes Fahrzeug um die Welt reist. Im Jahr 2022 hat das Fahrzeug über 25’000 km durch 27 europäische Länder zurückgelegt. Im laufenden Jahr ist die Reise in Nordamerika fortgesetzt worden mit dem Ziel, insgesamt mehr als 90 Länder weltweit zu besuchen. Das Fahrzeug besteht aus einem Elektroauto und einem 10 Meter langen Anhänger, der beim Ladeprozess auf Knopfdruck die Flügel ausbreitet und sich in einen Schmetterling verwandelt (deshalb der Name Butterfly). Die 120 m2-Solarzellen versorgen nicht nur das Zugfahrzeug, sondern auch eine Wohneinheit für sechs Personen mit Energie.

Fazit

Die Aktienkursentwicklung ist mit Blick auf die Kennzahlen vielversprechend. Über die vergangenen fünf Jahre legte der Gewinn pro Aktie im Schnitt jährlich um 6,7% zu. Der Wert der Valoren legte im gleichen Zeitraum im Schnitt um 19% p.a. zu. Das war jedoch keine gleichmässige Entwicklung, sondern ist eine Folge der rasanten Aktienkursentwicklung im Jahr 2021 und 2022. Dies zeigt, dass die Marktteilnehmer Vertrauen in die Strategie des Unternehmens gefasst haben und optimistisch in die Zukunft blicken.

Aktienkurs Elma Electronic in CHF. Chart: six-group.com

Mit den Zahlen aus den vergangenen Geschäftsjahren lässt sich die Zuversicht der Investoren nicht plausibilisieren. Sowohl der Cashflow aus Betriebstätigkeit, der Betriebsgewinn (EBIT) als auch der Gewinn auf Stufe Aktie liegen deutlich hinter den Werten von 2019 und 2020 zurück.

Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 55 nehmen die Elma-Aktien aber bereits viel des erwarteten zukünftigen Erfolgs vorweg. Mit der «Kursexplosion» in den vergangenen Jahren und dem Fehlen von Prognosen durch das Unternehmen erscheint ein Engagement im Augenblick auf kurze Sicht eher riskant. Auch die Dividende – mit einer aktuellen Ausschüttungsrendite von 0,2% – ist kein schlagendes Kaufargument. Vor allem, weil die Dividenden-Historie noch wenig Kontinuität aufweist.

Im Geschäftsbericht 2022 schreibt das Unternehmen: «Mit einem klaren Fokus auf profitable, innovative und komplexe Projekte konnten wir 2022 diverse strategisch relevante Aufträge mit verbessertem Risiko- und Margenprofil akquirieren.» Dies dürfte im laufenden Jahr nicht nur zu steigenden Einnahmen, sondern auch zu einer Verbesserung der Profitabilität führen. Langfristig befindet sich Elma Electronic auf einem vielversprechenden Pfad. Das haben die Aktionäre in den vergangenen Jahren auch erkannt und den Kurs in schwindelerregende Höhen geschickt.

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