Geberit: Zinssenkungen heizen Kursfantasie an

Toiletten werden immer gebraucht

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Brennofen Geberit
Geberit nahm im August im portugiesischen Keramikwerk eiinen neuen Brennofen in Betrieb, der doppelstöckig beladen werden kann und die Arbeit von drei Tunnelöfen leistet. Dabei wird viel Energie und CO2 eingespart. Bild: geberit.com

Die Baukonjunktur ist zwar europaweit eingebrochen, doch die zuletzt fulminante Kursentwicklung der Immobilienaktien signalisiert schon, dass der neue Zinssenkungszyklus die Perspektiven der Zulieferer verbessert. Die Aktie von Geberit ist zwar nicht gerade günstig bewertet, liegt jedoch gut 30% unter ihrem Hoch und kommt schnell in Fahrt.

Wenn auch selten in den Schlagzeilen, ist der Sanitärspezialist Geberit doch eine der grossen Erfolgsgeschichten an der Schweizer Börse. Im laufenden Jahr wird das 150. Jubiläum gefeiert. Der Börsengang fand 1999 statt. Die ersten Kurse lagen um 36 CHF. Zwischen 2009 und 2021 kletterte die Aktie von 100 CHF auf 770 CHF. Erst bei knapp über 400 CHF endete die Nach-Covid Korrektur. Dem war zwischen Mitte 2020 und Ende 2021 ein ausserordentlicher Wachstumsschub vorausgegangen. Während dieser sechs Quartale lag die Wachstumsrate auf dem höchsten Niveau seit dem IPO 1999. Im Geschäftsjahr 2021 wurde das Dreifache der im langjährigen Mittel erzielten Wachstumsrate erzielt. Das Tief der Aktie wurde erst im Oktober 2023 verzeichnet, also vor einem Jahr. Zwischenzeitlich hat sich die Aktie wieder auf über 550 CHF vorgearbeitet.

Aktienkurs Geberit
Zinssenkungen könnten der Baubranche einen Schub geben, von dem auch die Geberit-Aktie profitieren wird. Chart: six-group.com

Resilienz im Abschwung

Trotz der schwachen Baukonjunktur in weiten Teilen Europas während der vergangenen zwei Jahre ist aber das Geschäft bei Geberit nicht eingebrochen. Dabei waren die makro-ökonomischen Belastungen extrem. Ins Gewicht fallen die Verwerfungen der Lieferketten, Inflation, der Krieg in der Ukraine, ein höheres Zinsniveau und ein starker Franken. Dennoch konnte das Umsatzniveau gehalten werden, und die Profitabilität blieb hoch. Im ersten Halbjahr 2024 betrug die EBITDA-Marge starke 31,6% und die Nettogewinnmarge 21,4%!

Vielsagender Semesterbericht

Die Halbjahreszahlen verdienen einen genaueren Blick. Der Umsatz ist um 1,4% auf 1.64 Mrd. CHF gefallen, jedoch in Lokalwährungen um 1,7% angestiegen. Der Währungseffekt beläuft sich auf negative 52 Mio. CHF. Das EBITDA ging zwar um 1,6% auf 518 Mio. CHF zurück, die Marge blieb jedoch mit 31,6% nahezu unverändert. Sie bewegt sich somit unverändert oberhalb des Zielbandes von 28% bis 30%. Der Nettogewinn ging um 5% auf 350.2 Mio. CHF zurück, allerdings fielen die Steuerzahlungen mit 83.6 Mio. CHF um 13 Mio. CHF höher als in der Vorjahresperiode aus. Nicht zuletzt zeigen die Quartalszahlen, dass das zweite Quartal mit einem Umsatzwachstum von 4,1% gegenüber der Vorjahresperiode wieder deutlich positiv ausfiel.

Faktoren der Geschäftsentwicklung

Bei Geberit entfallen 60% des Geschäftsvolumens auf den Renovierungsmarkt. Dieses Segment ist weitgehend konjunkturunabhängig und sorgt somit für relativ stabile wiederkehrende Erlöse. Und das Neubaugeschäft, also die verbleibenden 40%, läuft zwar im wichtigen Markt Deutschland verhalten und in West- und Nordeuropa schlecht, aber in Osteuropa, den USA, der asiatisch-pazifischen Region und in Afrika sowie dem Mittleren Osten gut. Während die fortgesetzte Frankenstärke schwer auf den Ergebnissen lastet, sorgten die rückläufigen Preise für Energie und Materialien für einen deutlich abgesenkten Warenaufwand. Mit 439.4 Mio. CHF lag er 7,3% unter dem Wert im ersten Semester 2023. Der Personalaufwand stieg dagegen um 3,1% auf 401.9 Mio. CHF. Hier schlägt sich die Lohninflation nieder.

Aktienrückkaufprogramme          

Der Gewinn je Aktie fiel im ersten Halbjahr nur um 3,3% auf 10.57 CHF, was auf die durch Aktienrückkäufe verminderte Zahl der ausstehenden Aktien zurückzuführen ist. Das Aktienrückkaufprogramm, das 2022 initiiert worden war, ist 2024 abgeschlossen worden. Insgesamt wurden 600 Mio. CHF aufgewendet, wodurch die Anzahl der Aktien um 3,6% reduziert wurde. Daraufhin wurde ein neues Aktienrückkaufprogramm an der GV im Mai 2024 beschlossen, das mit Beginn des dritten Quartals 2024 angelaufen ist. Demnach sollen über den Zeitraum von zwei Jahren weitere 300 Mio. CHF für Aktienrückkäufe aufgewendet werden.

Dividendenhistorie

Somit fliesst Kapital nicht nur durch die stetig steigenden Dividenden an die Aktionäre zurück, sondern auch durch die Aktienrückkäufe. Die Dividendenhistorie von Geberit ist beeindruckend. Waren es 2008 noch 5.20 CHF je Aktie, so lag die im laufenden Jahr ausgeschüttete Dividende nach kontinuierlichen Anhebungen bei 12.70 CHF. Die aktuelle Dividendenrendite beträgt somit 2,3%.

Innovationsführerschaft

Im Gegensatz zu vergleichbaren Unternehmen ist Geberit seit langem schon der Innovationsführer in der Sanitärindustrie. Das 1874 gegründete Unternehmen revolutionierte das Sanitärwesen bereits 1900 durch die Innovation des aus Holz gefertigten Spülkastens für Toiletten, der ab 1905 in Serie gefertigt wurde. In der Folge konnten die Toiletten beim Hausbau integriert werden. Anfänglich als Keramiklösung konzipiert, wurde die Innovation des Kunststoff-Spülkastens seit 1952 zum eigentlichen Treiber der Expansion, zunächst in Westeuropa, nach dem Fall der Berliner Mauer auch in Osteuropa. Es folgten die USA, Nordeuropa und der ferne Osten. Mittlerweile ist Geberit mit 26 Produktionsstätten weltweit präsent. Produziert wird in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Slovenien, Italien, Indien, China und den USA. Die Produkte sind in über 100 Ländern eingeführt. Die Anzahl der Mitarbeitenden beträgt rund 11’000.

Markenstrategie

Innovationskraft, Fokussierung auf Sanitärwesen und -technologie, selektive geografische Expansion sowie kontinuierliche Optimierung der Geschäftsprozesse bilden den Kern der Unternehmensstrategie. Das zahlt sich in der führenden Marktstellung und der hohen Profitabilität aus. Zur Marktstellung gehört auch eine klare Markenstrategie. Geberit wurde als Markenname bereits 1953 eingetragen. Doch die zahlreichen Akquisitionen wurden meist unter ihren eingeführten Markennamen weitergeführt. Seit 2019 wurde die Markenstrategie jedoch vereinheitlicht, um als Geberit weltweit die entsprechende Wahrnehmung zu erlangen. Die Marken Keramag in Deutschland, Allia in Frankreich, Pozzi-Ginori in Italien und Kolo in Polen wurden allesamt auf Geberit umgestellt.

Nachhaltigkeit

Dachentwässerung Geberit
Auf dem Dach des Kulturzentrums De Doelen in Rotterdam kommt Pluvia, das Dachentwässerungssystem von Geberit, zum Einsatz. Bild: geberit.com

Zu den Innovationen der jüngeren Vergangenheit zählen der Unterputzspülkasten Alpha, die Infrarotfernbetätigung, das Rohrleitungssystem für die Trinkwasser- und Heizungsversorgung FlowFit sowie das Entwässerungssystem Super Tube für Hochhäuser. Die innovativen und hochtechnologischen neuen Produkte kommen auch in Ländern wie Indien, den USA oder im Mittleren Osten gut an. Dazu trägt wesentlich bei, dass Geberit nicht nur von Nachhaltigkeit spricht, sondern auch nachaltig wirtschaftet sowie entsprechende Produkte entwickelt. Im Fokus steht der sparsame Umgang mit der wertvollen und zunehmend knappen Ressource Wasser. Nachhaltigkeit ist bei Geberit schon seit 1990 integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Emissionen von Treibhausgasen werden jährlich um 5% reduziert.

Investitionen

Wie Profitabilität und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen, zeigt der im August 2024 in Betrieb genommene neue Brennofen in Portugal. Der neue Tunnelofen kann zweistöckig beladen werden und ersetzt drei ältere Brennöfen. Die jährliche Produktionskapazität steigt von 900’000 Sanitärkeramiken auf 1,3 Mio. Stück. Dabei wird der Energieverbrauch um 40% gesenkt. So werden jährlich 3500 Tonnen CO2 eingespart. Zudem wird die heisse Abluft für Trockner und Lüftungsanlagen genutzt, was zusätzlich hilft, Energie einzusparen.

Problemlösungen

Die Innovationen beschränken sich längst nicht mehr nur auf Sanitärinstallationen und Badezimmer, sondern liefern auch Lösungen für grosse Probleme unserer Zeit, wie das Wassermanagement. Das Dachentwässerungssystem Pluvia vermindert Überschwemmungen, da das Regenwasser aufgefangen wird, Grünflächen bewässert und zur Gebäudekühlung beiträgt. Solche Lösungen erfahren durch die zunehmend starken Regenfälle, die mangels Abflüssen zu städtischen Flutkatastrophen beitragen, sowie die Überhitzung in den Städten rege Nachfrage.

Ausblick

Die Unternehmensleitung ist zuversichtlich, aus der gegenwärtigen Konjunkturschwäche gestärkt hervorzugehen. Die Neubaugenehmigungen in Europa sind 2023 um 15% zurückgegangen und im ersten Quartal 2024 um weitere 5% gefallen. Von der begonnenen Zinssenkungsrunde seien jedoch neue Impulse für den Wohnungsbau zu erwarten. Für 2024 wird ein etwa gleichbleibender Umsatz in Lokalwährungen erwartet. Im globalen Renovationsgeschäft wird mit einem robusteren Verlauf gerechnet. Generell wird ein struktureller Trend zu höherwertigen Sanitärstandards ausgemacht. Die EBITDA-Marge wird bei 29% erwartet, da das zweite Semester traditionell schwächer als das erste ausfalle.

Fazit

Innovations- und Marktführerschaft gepaart mit dem Fokus auf Profitabilität und eine Strategie der kontinuierlichen Verbesserung der Geschäftsprozesse bilden ein Rezept, das bei den Aktionären von Geberit weiterhin für Zufriedenheit sorgen sollte. Nur sehr wenige börsenkotierte Unternehmen vermögen langfristig Nettogewinnmargen von 20% zu realisieren. Dafür braucht es eine gut exekutierte und fokussierte Strategie, Disziplin bei der Umsetzung und Burggräben, die für Wettbewerber kaum zu überwinden sind. Die Aktie erscheint auf aktuellem Kursniveau vielversprechend, vor allem scheinen die Risiken im Vergleich zu anderen Aktien eher gering.

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