
Tiefe Leerstandsquoten, wachsende Bevölkerung, wenig Baulandreserven: Vor diesem Hintergrund stehen immer mehr Immobilienunternehmen hierzulande vor der Herausforderung, wie ein Angebot erstellt werden kann, das der Nachfrage nach dem knappen Gut Wohnliegenschaften entgegenkommt.
Beim 1. Branchentalk «Immobilien» von schweizeraktein.net mit mehr als 80 Gästen im historischen Kalandersaal der alten Papierfabrik in Cham stellten vier ganz unterschiedliche Akteure ihre Konzepte zu einer verantwortungsvollen Arealentwicklung vor.
Die Cham Group und das Papieri-Areal
Dabei stand im Mittelpunkt, wie Industriegelände, die nicht mehr Industriegelände sind, in Wohnraum umgewandelt werden können. Wie können die grossen Flächen, die zum Teil mit denkmalgeschützten Bauten versehen sind, in eine neue Nutzung überführt werden? Welche Konsequenzen hat eine solche Umnutzung für Planer, Architekten, Bauunternehmer und schliesslich die Mieter/Käufer?
Dass die Veranstaltung auf dem Papieri-Areal stattfand, war natürlich kein Zufall. Hier entwickelt die Cham Group ein neues Wohn- und Arbeitsquartier unter Einbezug der industriellen Bauten, auf denen schon lange nichts mehr produziert wird. Direkt an der Lorze werden prägende Bestandsbauten der ursprünglichen Papierfabrik mit markanten Neubauten ergänzt und nachhaltig realisiert. «Hier entsteht ein neuer Begegnungsort mit überregionaler Ausstrahlung, wo sich Geschichte und Gegenwart die Hand reichen», preisen die Verantwortlichen ihr Vorhaben an.
Nachhaltige und verantwortliche Entwicklung
Es war denn auch an Thomas Aebischer, CEO der Cham Group, den hochkarätig besetzten Branchentalk zu eröffnen und das Projekt Papieri in seinen Einzelheiten vorzustellen. Vor seiner Eröffnungs-Präsentation wurden die Besucher von vier Geschäftsleitungsmitgliedern über das Areal geführt. Vor Ort wurde jedem deutlich, welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen die Transformation in sich birgt.
Die Cham Group hat ein eigenes Strom-, Wärme- und Kältenetz für das Areal geplant und umgesetzt. Einerseits wird ein Teil des Energiebedarfs durch Photovoltaik abgedeckt, aber auch das Wasserkraftwerk an der Lorze, das einmal die Papierfabrik mit Strom versorgte, wurde in die Energieplanung miteinbezogen und leistet seinen Anteil an der Versorgung der 1’000 Wohnungen, die bis 2032 fertiggestellt werden sollen.
Eine eigene Energiezentrale liefert den bereits fertig gestellten Wohnungen mittels Wärmepumpen, die durch Erdsonden versorgt werden, die notwendige Wärme und Kälte. Für die Elektromobilität wurde mit den Partnern Allride und WWZ eine Reihe von Ladestationen und ein Mobilitätsangebot aufgebaut.
Bei Projekten in dieser Grössenordnung stehen die Entwickler insbesondere vor der Herausforderung, wie die denkmalgeschützten Bauten in das Gesamtkonzept einbezogen werden können. «Respect the DNA» ist dabei einer der Leitsätze der Cham Group.
Einbezug aller Stakeholder
Um ein konfliktgeladenes Modell wie das Papieri-Areal umzusetzen, braucht es den Einbezug aller Stakeholder. Die Bevölkerung, die Behörden und das Aktionariat müssen eingebunden werden. Das ist der Cham Group sehr gut gelungen, sicher auch deshalb, weil man sich in der Planung die nötige Zeit und Behutsamkeit nahm, um alle mit an Bord zu holen. Und auch der «Vater» des Projekts hat einen grossen Anteil daran, denn mit Philipp Buhofer, dem Ankeraktionär und Investor der Cham Group, hat ein Chamer massgeblich zur Umsetzung beigetragen. Dazu später mehr.
Natürlich profitiert die Cham Group auch von der Tatsache, dass das Bauvorhaben im Kanton Zug liegt. Der Zürcher Aebischer strich heraus, dass die Baubewilligung für das Projekt lediglich drei Monate benötigte und mit einer 3-seitigen Auflage versehen worden sei. In Zürich hätte man mit 60 Seiten rechnen müssen, so Aebischer.
In den Zwischenräumen der Schweiz
Vor ähnlichen Herausforderungen, wenn auch in ganz anderen Regionen, steht die Espace Real Estate aus Solothurn. «Wir sind in den Zwischenräumen», sagte CEO Lars Egger, was geografisch gemeint ist. Das im Mittelland tätige Immobilienunternehmen setzt wie die Cham Group auch auf das «Recycling» von Bestandsbauten. So wurden bei der letzten Etappe der Überbauung Volaare in Zuchwil zwei alte Mehrfamilienhäuser nicht abgerisssen, sondern saniert. Dies aufgrund dem bewussten Umgang mit der «grauen Energie», die bei Neubauten den grössten Teil des CO2-Ausstosses ausmacht.
Als weiteres Beispiel für die Umnutzung einer Industriebrache zeigte Egger den Neubau einer Gesundheitsimmobilie auf dem ehemaligen Areal des Spezialfahrzeug-Herstellers Aebi.
Die Glaubwürdigkeit gegenüber den Stakeholdern fasste Egger in den griffigen Satz «Wir kommen, um zu bleiben», zusammen.
Von der Lokomotiven-Fabrik zu Wohn- und Gewerberaum
Wie bei Espace steht auch das Stakeholder-Management beim Bauunternehmer und Immobiliendienstleister Implenia im Fokus. Adrian Wyss, Head Division Buildings, machte das am Beispiel der Arealentwicklung der Lokstadt in Winterthur deutlich. Verdichtung sei der Schlüssel zum Erfolg, sagte Wyss.
Auf 60’000 m2 entstehen bis 2030 Wohnungen und Gewerbe auf dem ehemaligen Sulzer-Areal. In der Vergangenheit sind hier «tabula-rasa»-Ansätze wie «Winti-Nova» 1989 und «Megalou» 1998 gescheitert. Implenia reüssierte, weil das Unternehmen den Bestand erhalten will, ein etappierbares Vorgehen benutzt und die blühende Industriegeschichte in ihr Projekt integriert. Und weil die Stakeholder durch integrierte Arealkommunikation mitgenommen worden sind. 64% der Stimmberechtigten der Stadt Winterthur gaben dem Projekt grünes Licht.
«Wir lieben den Bestand»
Last but not least stellte Marco Feusi, CEO der HIAG Immobilien AG, das Projekt ALTO in Zürich vor. «Wir lieben den Bestand», machte Feusi klar. Auf einer Arealgrösse von 8’000 m2 werden bis 2026 125 Wohnungen auf dem ehemaligen Grundstück der Fiat Chrysler Automobiles gebaut. Auch hier soll die Identität durch Bewahrung der historischen Struktur beibehalten werden.
Die Baubewilligung erhielt die HIAG AG innerhalb von fünf Monaten, womit die Zürcher Behörden fast so schnell sind wie die Zuger. Die zügige Abwicklung der Eingabe hat auch damit zu tun, dass HIAG dem Grundsatz «Erhalten statt Ersetzen» gefolgt ist und darauf bedacht war, beim Bau von ALTO graue Energie zu vermeiden.
Ein weiterer Grundsatz des Unternehmens ist die Fokussierung auf Nachhaltigkeit, das beim Projekt in Zürich stark auf Photovoltaik setzt und einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) vorantreibt, was wirtschaftliche Vorteile für Mieter und Eigentümerin bringt.
Die Bedeutung der Versorger
Auch wenn kein Immobilienunternehmen, so sind die Versorger doch eng mit der Entwicklung von Arealen verzahnt. Liefern sie doch die notwendige Energie wie Strom, Gas und Telekommunikationsanbindung. Hierzu waren am Branchentalk zwei Vertreter der Wasserwerke Zug (WWZ) eingeladen. WWZ CEO Andreas Ronchetti und Marcel Fähndrich, Leiter Energie, betonten die Megatrends Dekarbonisierung und Elektrifizierung, die im Bauprozess miteinbezogen werden müssen. Wer baut, muss die Versorgung eng mit einbeziehen, pflichtete Cham Group CEO Aebischer bei.
Der Kopf hinter dem Erfolg der Arealentwicklung Papieri
Zum Schluss der Veranstaltung lud Björn Zern von schweizeraktien.net Philipp Buhofer auf die Bühne, um mit ihm einerseits über seine abwechslungsreiche Karriere als Unternehmer und Investor, andererseits über seine Verdienste als «Kopf» des Umbaus des Papieri-Areals zu sprechen.

Als Mitbesitzer der ehemaligen Papierfabrik an der Lorze hat Buhofer bereits Anfang der Nullerjahre die Weichen für die jetzige Entwicklung des Areals gestellt. Dabei war auch ihm der Einbezug der Stakeholder stets ein zentrales Anliegen. Dass Buhofer aus einer bekannten Zuger Unternehmerfamilie stammt, hat ihm bei der Beurteilung der Gemengenlage durchaus geholfen.
Buhofer war zuletzt massgeblich daran beteiligt, dass es zur Fusion der Cham Group mit der Ina Invest kam, woraus das zehntgrösste Immobilienunternehmen der Schweiz entsteht. Am 9. April werden die Aktien des neu firmierten Unternehmens Cham Swiss Properties zum ersten Mal an der Börse SIX gehandelt.
Dass der Branchentalk laut Aussagen vieler Beteiligter zum vollen Erfolg wurde, lag auch an dem hervorragenden Catering des Restaurants Schiff in Zug, das einen langen, intensiven Tag immer wieder mit Köstlichkeiten zu unterlegen wusste.