AG für die NZZ: Ein Votum gegen Finanzinvestoren

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NZZ-CEO Veit Dengler hatte an der 146. Generalversammlung seinen ersten Auftritt.
NZZ-CEO Veit Dengler hatte an der 146. Generalversammlung seinen ersten Auftritt.

An der Generalversammlung der „AG für die Neue Zürcher Zeitung“ stimmten die anwesenden Aktionäre nur mit geringer Mehrheit für eine Halbierung der Dividende auf 100 CHF. Und sie votierten in einer Konsultativabstimmung auch für die Beibehaltung der Parteiklausel in den Statuten der Gesellschaft. Damit muss der Verwaltungsrat nun keine Vorschläge zuhanden der nächsten Generalversammlung für eine Änderung dieser Klausel erarbeiten (siehe Medienmitteilung v. 26.4.14). Es bleibt bei der NZZ somit alles beim Alten, während sich die Finanz- und Medienlandschaft rasant ändert. Mit den Abstimmungsergebnissen haben die anwesenden Aktionäre und damit die Eigentümer der Gesellschaft auch demonstriert, welche „AG für die Neue Zürcher Zeitung“ sie künftig wollen. Und diese soll dem freisinnigen, liberalen Gedanken verpflichtet sein, unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen anderer Personen. So, wie sie es seit 234 Jahren ist. Das Abstimmungsergebnis ist damit ein klares Signal auch an Aktionäre, die vorwiegend aus finanziellen Gründen in das traditionsreiche Medienunternehmen investiert haben. Aktienkurs und Dividende müssen hinter den ideellen Gründen anstehen. Und die hohe Substanz der Gesellschaft soll vor allen Dingen dazu dienen, die wirtschaftliche Zukunft der AG für die NZZ zu sichern, nicht aber primär den Anspruch der Eigentümer auf eine Rendite zu befriedigen.

Bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft stehen Verwaltungsrat und Unternehmensleitung vor grossen Herausforderungen, wie Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod bereits in seiner Begrüssung klar machte. Man wolle die neue Medienwelt mitgestalten, betonte er. Um am Markt bestehen zu können, müsse man sich auf das Kerngeschäft Publizistik konzentrieren. Eine Diversifikation, wie man dies bei anderen Medienhäusern sehe, sei keine Option. Er machte deutlich, dass die Leser der NZZ zu einer Elite gehören würden, diese Elite in der Deutschschweiz allerdings für einen wirtschaftlichen Erfolg der NZZ Mediengruppe nicht mehr genüge. Man müsse den Markt erweitern, meinte er, und wies damit auf die Expansion nach Österreich hin. Auch dort und in Deutschland gebe es Eliten, welche die NZZ mit ihrer Qualitätspublizistik erreichen wolle. Wer damit gerechnet hatte, dass die Regionalmedien in Luzern und St. Gallen an Bedeutung verlieren würden, wurde eines Besseren belehrt. Man wolle die Zusammenarbeit der Regionalmedien weiter ausbauen und Synergien nutzen, so Jornod. Eine der grössten Herausforderungen sei es für die NZZ, sich langfristig neu auszurichten und dabei das Tagesgeschäft nicht zu vernachlässigen. Immer wieder beschwor Etienne Jornod bei den Zukunftsplänen für die NZZ-Gruppe das „unternehmerische Agieren“. Diese Worte bemühte auch der neue CEO Veit Dengler in seinem Bericht zum Geschäftsjahr 2013. Er gab ein Bekenntnis zur Qualitätspublizistik ab, die über alle Kanäle – Print und Digital – verbreitet werden müsse. Es sei jedoch angesichts des enormen Wandels in der Medienbranche nicht einfach, das richtige Angebot zu entwickeln. Und er wies auch darauf hin, dass man sich auf dem Weg in die richtige Zukunft einmal etwas „verirren“ könne. Er schloss mit starken Worten zur Zukunft des traditionsreichen Medienunternehmens: „Am Ende wird die NZZ Mediengruppe einflussreicher und stärker sein als je zuvor.“

Diese Worte dürften den anwesenden Aktionären gefallen haben. Denn sie mussten anschliessend über die Ausschüttung der Dividende abstimmen. Während der Verwaltungsrat eine Kürzung auf 100 CHF beantragt hatte, forderten einige Aktionäre angesichts der guten finanziellen Ausstattung eine gleich bleibende Dividende von 200 CHF. Jornod machte zwar deutlich, dass eine höhere Ausschüttung durchaus möglich gewesen wäre. Konkret sagte er: „Die 4 Mio. CHF können wir uns leisten.“ Allerdings sei die NZZ noch nicht bereit für die Zukunft und nur beschränkt in der Lage, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Daher sei man gezwungen, sparsam mit den verfügbaren Mitteln umzugehen. Die Reduktion der Dividende sei somit ein Signal für die Zukunft. Schliesslich stimmten die Aktionäre mit 11’668 Stimmen (52.9%) für die 100 CHF Dividende, während sich mit 9’009 Stimmen (40.8%) eine beachtliche Minderheit gegen diesen Antrag entschied.

Wesentlich klarer war das Abstimmungsergebnis bei der Konsultativabstimmung über die Änderung der Parteiklausel (siehe Blog-Beitrag vom 24.12.13). Bereits in der sehr kontroversen Diskussion wurde deutlich, dass bei den Aktionären diese ungewöhnliche Vinkulierung immer noch auf Gegenliebe stösst. Durch die Beibehaltung der Klausel will der Verwaltungsrat die dominante Einflussnahme – ob parteipolitisch oder spekulativ – verhindern. Da half es auch nicht, dass Edwin van der Geest als Vertreter der „Freunde der NZZ“ darauf hinwies, dass der neue CEO Veit Dengler als Mitglied der liberalen österreichischen Partei Neues Österreich (NEOs) nicht NZZ-Aktionär werden könne, da er „Mitglied einer anderen Partei“ sei und der Verwaltungsrat daher gemäss Statuten seine Eintragung ablehnen könne. Schlussendlich machten die NZZ-Aktionäre in ihrer Abstimmung klar, dass sie „keine Berlusconi-NZZ wollen“, wie es ein Votant bezeichnete, und schlossen sich mit 14’358 Ja-Stimmen (65.1%) dem Antrag des Verwaltungsrates an, die bestehende Regelung beizubehalten. Wiedergewählt haben die Aktionäre auch die Unternehmerin Caroline Müller-Möhl und den Werber Dominique von Matt in den Verwaltungsrat, obwohl Müller-Möhl mit mehr als einem Drittel „Nein“-Stimmen nicht ganz so deutlich wiedergewählt wurde wie von Matt.

Einer der grossen Gewinner an dieser Generalversammlung war der neue Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod. Er führte nicht nur souverän durch die mit kontrovers zu diskutierenden Traktanden gespickte Versammlung. Er verstand es auch, die Sorgen der Aktionäre um die Zukunft „ihrer“ NZZ angesichts des Strukturwandels in der Medienbranche aufzunehmen. Denn er zeigte auf, dass der Verwaltungsrat die Herausforderungen erkannt hat und gemeinsam mit dem neuen Management an Lösungen arbeitet. Viel Neues zur Strategie war dann allerdings nicht zu vernehmen. Ein wichtiger Schritt im Sinne der Aktionärsdemokratie war es jedoch, die Aktionäre zu den kritischen Punkten Parteiklausel und Dividendenpolitik diskutieren und abstimmen zu lassen. Denn durch die Abstimmungsergebnisse weiss der Verwaltungsrat nun, welche „NZZ“ die Mehrheit der stimmberechtigten und anwesenden Aktionäre möchte. Und dies wird eine NZZ, bei der am Ende weiterhin das Parteibuch über Mitbesitz entscheidet und auch die Renditevorstellungen der Eigentümer hinten anstehen müssen. Damit bestätigt sich unsere Einschätzung, dass die NZZ einmal mehr ein Liebhaberpapier ist (siehe Blog-Beitrag vom 17.3.14). Wer NZZ-Aktionär ist oder werden möchte, sollte seine Renditeerwartungen – sei es in Form von Dividenden oder steigenden Aktienkursen – zurückschrauben. Vielmehr darf er sich Mitglied eines elitären Clubs nennen, der an exklusiven Aktionärsveranstaltungen sowie einer Generalversammlung (inkl. Buchpräsent) mit grosszügigem Essen und hervorragenden Networkingmöglichkeiten teilnehmen darf. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass die Diskussion über die Vinkulierung angesichts des Generationenwechsels im Aktionariat der „AG für die NZZ“ in ein paar Jahren wieder aufgenommen wird. Auch die Gefahr von spekulativ orientierten Kräften im Aktionariat der NZZ ist mit der Beibehaltung der Klausel nicht gebannt. Denn auch in der FDP könnte es Mitglieder geben, die eher finanzielle als ideelle Interessen bei einem NZZ-Investment verfolgen. Ebenso wäre es wenig überraschend, wenn sich Aktionäre dazugesellten, die über eine statutenkonforme „freisinnig-demokratische Grundhaltung“ verfügen. Die heutige Parteiklausel schützt damit nicht wirklich vor einer Einflussnahme. Ein höherer Aktienkurs, dieser liegt mit derzeit 5’650 CHF nur knapp über dem Bestand an liquiden Mitteln und Wertschriften, könnte jedoch ein sinnvoller Schutz dagegen sein.

Transparenzhinweis: der Autor ist Aktionär der AG für die NZZ.

1 Kommentar

  1. Schliesslich stimmten die Aktionäre mit 11’668 Stimmen (52.9%) für die 100 CHF Dividende, während 47.1% Aktionäre dagegen waren!

    NB: Die Enthaltungen sind NEIN-Stimmen.
    Der Schreibende ist NZZ Aktionär.

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