Wenn der Umfang des Geschäftsberichts der Gradmesser des Erfolgs ist, dann hat die NZZ Gruppe 2022 ein hervorragendes Jahr hinter sich. 140 Seiten dick ist das «Buch», 2019 begnügte man sich an der Falkenstrasse noch mit 60 Seiten. Und auch in den letzten zwei Jahren hat man gerade mal an 100 Seiten gekratzt.
Es gibt also viel, sehr viel mitzuteilen. Zum Beispiel, dass Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod nach 10 Jahren an der Spitze des VRs altersbedingt sein Mandat abgeben wird. Isabelle Welton, ebenfalls seit einem Jahrzehnt ordentliches Mitglied im VR, wird auf der GV zu seiner Nachfolgerin vorgeschlagen. schweizeraktien.net wird in der kommenden Woche ein umfangreiches Interview mit Etienne Jornod publizieren, in dem dieser auf seine Ära an der Falkenstrasse zurückblickt.
Weiter steigende Abo-Zahlen
Welton wird ein Unternehmen übernehmen, das mit einer klaren Strategie, nämlich dem Fokus auf Publizistik, bereits in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich war. So stiegen auch 2022 die Abonnentenzahlen an, insbesondere in Deutschland. Bei den digitalen Abonnentinnen und Abonnenten, die den wesentlichen Teil des Geschäfts im deutschen Markt ausmachen, verzeichnete die NZZ ein Wachstum von über 24%. Der Wachstumswert des Vorjahres von etwas mehr als 10 % wurde noch einmal deutlich übertroffen.
Insgesamt stieg die Zahl der NZZ-Abonnenten seit 2018 von 155’000 auf knapp 210’000, der Umsatz mit der Leserschaft von 81 Mio. CHF auf knapp 92 Mio. CHF. Das sind eindrückliche Wachstumsraten. Sie sind begründet einerseits durch die Strategie mit dem weiteren Ausbau des Standortes Berlin, andererseits auch durch externe Faktoren. Schon Corona und der damit verbundene Informationshunger spielte dem Lesermarkt in die Hände, der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Unsicherheiten tun ihr übriges.
Neuordnung der Beteiligung an CH Media
Mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens CH Media (NZZ und AZ Medien) 2018 lagerte die NZZ ihre Regionalmedien-Beteiligungen in St. Gallen und Luzern in das neu geschaffene Joint-Venture aus, an dem die NZZ 50% hielt. Jetzt werden 15% dieser Beteiligung an AZ Medien veräussert.
Die Medienangebote von CH Media seien heute in einer deutlich stärkeren Position als bei der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens. Mit der Erreichung dieser Ziele sei die Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse bei CH Media ein logischer Schritt und eine konsequente Fortführung der NZZ-Strategie, so der Geschäftsbericht. Mit dem Teilverkauf von 15 % des Aktienkapitals übergibt die NZZ nun die Führung des Unternehmens an die Familie Wanner als Eigentümerin der AZ Medien, behält aber einen strategischen Anteil.
Aufgrund der Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse an CH Media und des Übergangs der Führung an die Mitaktionärin AZ Medien verlangten die Rechnungslegungsvorschriften, dass Goodwill im Umfang von 192,4 Mio. CHF über die Erfolgsrechnung zurückgeführt werde, schreibt die NZZ. Der ausserordentliche nicht liquiditätswirksame Aufwand stehe in keinem Zusammenhang mit der Leistung aus ordentlicher Geschäftstätigkeit des Unternehmens NZZ und habe keinen Einfluss auf das Eigenkapital.
Finanzkennzahlen
In erster Linie sticht das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT), das in der Berichtsperiode um 6.0 Mio. CHF auf 30.2 Mio. CHF zugenommen hat, heraus: mit einer entsprechend gestiegenen EBIT-Marge, die sich um 2.1 Prozentpunkte auf 12,2% im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Getragen wird dieser Erfolg abermals durch einen stabilen Nutzer-, sprich Lesermarkt und einen Werbemarkt, dessen Einnahmen gegenüber 2021 praktisch unverändert sind. Alleine der übrige Ertrag hat eine starke Zunahme zu verzeichnen und klettert um 7.5 Mio. auf 57.7 Mio. CHF. Nach der Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen im März 2022 profitierte vor allem das Konferenzgeschäft von NZZ Connect inklusive der Flaggschiff-Konferenz Swiss Economic Forum von einer stärkeren Nachfrage und verzeichnete gegenüber dem Vorjahr höhere Ticketeinnahmen, so die NZZ.
Die Steigerung des betrieblichen Gesamtertrags entspricht mit 7.6 Mio. CHF fast genau dem Anstieg des übrigen Ertrags , 247.1 Mio. CHF. nimmt die NZZ 2022 ein.
Auf der anderen Seite nimmt der betriebliche Aufwand nicht im gleichen Masse zu und schlägt mit 228.6 Mio. CHF zu Buche (+ 3 Mio. CHF.). Unter dem Strich weist die NZZ einen Gewinn aus ordentlicher Geschäftstätigkeit von 26 Mio. CHF aus.
Die geringe Zunahme des Aufwands erstaunt, da die Verantwortlichen im GB die Folgen der weltweiten Energiekrise und eine Verschärfung bereits vorhandener Lieferengpässe beklagen, durch die die NZZ im vergangenen Jahr mit deutlichen Kostensteigerungen, namentlich bei den Papierpreisen, konfrontiert gewesen sei.
Ausgebaute Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die NZZ habe die nachhaltige Unternehmensentwicklung im Rahmen eines strukturierten Prozesses vertieft, schreiben die Verantwortlichen im Geschäftsbericht. Es seien die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen mit externer Unterstützung ermittelt worden. So weist der Geschäftsbericht detailliert die CO2-Emissionen (2022: 3’542 Tonnen) aus. Den Löwenanteil daran tragen die Druckaufträge mit 64%; die digitale Nutzung, Transporte und Geschäftsreisen folgen mit jeweils 7% Anteil am CO2-Ausstoss.
Ausblick
Die Herausforderungen blieben gross, schreiben Etienne Jornod und CEO Felix Graf im Vorwort zum Geschäftsbericht. Das Unternehmen müsse sich auf ständige Veränderungen und Innovationen einstellen und weiter in die Zukunft des Geschäfts investieren. Solche Investitionen zur langfristigen Stärkung will die NZZ auch im Zusammenhang mit dem im letzten Jahr bekannt gegebenen Teilverkauf der Beteiligung an CH Media tätigen. So soll der Verkaufserlös in den nächsten Jahren vor allem für gezielte Investitionen in die Redaktionen, die Technologie sowie für Marketing und Produktentwicklung verwendet werden.
Fazit
Der Geschäftsbericht platzt aus allen Nähten. Vor allem der zweite Teil, wo die Highlights im publizistischen Bereich abgefeiert werden und sich die künstlerisch Verantwortlichen mit reichlich Bildmaterial austoben dürfen, gleicht eher einem bunten Rechenschafts- als einem Geschäftsbericht. Aber das sind kosmetische Beanstandungen.
Was am Ende der Ära Jornod bleibt, ist eine Akzentuierung der publizistischen Strategie und ein Erfolgsausweis, der sich sehen lassen kann. Wer hätte bei seinem Amtsantritt vor 10 Jahren damit gerechnet, dass der Verkäufer von Medikamenten (Galenica) aus der Romandie (sic!) sich in der journalistischen Löwengrube, und das auch noch im deutschsprachigen Zürich, so erfolgreich durchsetzen würde?
Auch die verhältnismässige Ruhe, die das Haus NZZ ausstrahlt, hebt sich angenehm vom Lärm ab, die andere Zürcher Medienhäuser wie Ringier und die TX Group von sich geben. Die Abberufung der Chefredaktion bei Ringier und die Degradierung des Chefredaktors des Tages Anzeigers lassen einen Rückschluss auf die Nervosität zu, die in diesen Häusern herrscht. Bei der NZZ dagegen herrscht dagegen schon fast Minne.
Jornod hinterlässt seiner Nachfolgerin ein bestens bestelltes Haus. Die Freude bei den Aktionären über eine Sonderdividende von 400 CHF neben der ordentlichen Dividende von 200 CHF durch den 15%-Anteil-Verkauf an CH Media dürfte gross sein. Bei einem Kurs von 7’200 CHF Ende 2022 beträgt die Dividendenrendite inkl. Sonderdividende stolze 8,3%. Der ausgewiesene Buchwert per Ende 2022 lag bei 7’211 CHF je Aktie und damit auf dem aktuellen Kursniveau.
Und auch der Kursverlauf der auf OTC-X gehandelten Aktie kann sich sehen lassen. In den letzten drei Jahren steig der Kurs von 4’300 CHF auf fast 8’000 CHF, zuletzt wurden 7’200 CHF für eine Aktie bezahlt.