Schweizer Zucker AG: Rübenpflanzer sollen Teile der Rückstellungen erhalten

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Die Zuckerfabrik in Aarberg. Bild: Schweizer Zucker AG

Die Schweizer Zucker AG versandte vor wenigen Tagen einen Aktionärsbrief. Und dieser hat es in sich. Denn die Anteilseigner werden darüber informiert, dass im Rahmen der Mittelfristplanung Szenarien entwickelt werden, welche die Auflösung von Rückstellungen notwendig machen, um den Pflanzern einen akzeptablen Rübenpreis bezahlen zu können. Ein Betrag wurde allerdings nicht genannt. Konkret bedeutet dies: Ein Teil der Substanz der Schweizer Zucker AG wird in Form von (zu) hohen Preisen an die Rübenpflanzer, deren Vereinigungen nur etwa die Hälfte des Aktionariats stellen, ausgeschüttet. Die geplante Massnahme unterstreicht das enge Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Schweizer Zucker AG und den Rübenpflanzern.

Die Gesellschaft ist davon überzeugt, dass die Aufhebung der EU-Zuckermarktordnung in der EU zu tieferen Zuckerpreisen  in den nächsten Jahren führen wird. Die Schweizer Zuckerpreise entwickeln sich parallel zu denjenigen der EU, weswegen sich die Schweizer Zucker AG der Marktentwicklung ausserhalb der Landesgrenzen nicht entziehen kann. Eine deutliche Gewinnwarnung publizierte beispielsweise die deutsche Südzucker AG. Im Bereich Zucker wird bereits für das am 1. März 2014 begonnene laufende Geschäftsjahr 2014/15 mit einem deutlich rückläufigen Umsatz gerechnet. Das Unternehmen sieht die entsprechenden Befürchtungen, die seit November 2013 aufgekommen sind, nicht nur bestätigt. Die Situation an den europäischen Zuckermärkten habe sich sogar noch weiter verschlechtert, teilt die Südzucker AG in einer Unternehmensmitteilung, die hier nachgelesen werden kann, mit.

Im Geschäftsjahr 2013/14, welches per 30. September 2014 endet, verzeichnete die Schweizer Zucker AG einen weiteren Rückgang der Rübenmenge auf 223’000 Tonnen nach 260’000 Tonnen im Vorjahr. Dies entspricht einem hohen Rückgang um 15.4%. Um trotz der tiefen Ernte die Nachfrage nach Zucker befriedigen zu können, musste zusätzlich Zucker aus dem Ausland importiert werden. Zusätzlich werden per Ende September die Lager der Gesellschaft auf ein Minimum abgebaut sein, schreibt das Unternehmen in dem Aktionärsbrief. Für das Geschäftsjahr wird wegen der noch stabilen Zuckerpreise ein gutes Finanzresultat erwartet. Die Verkaufsmenge bleibe hinter den Vorjahreswerten zurück.

Für die kommende Ernte im Herbst 2014 hat die Gesellschaft bereits im Sommer 2013 Vorkehrungen getroffen. Wegen der schwachen Ernteaussichten wurde gemeinsam mit den Pflanzern eine Erhöhung der Zuckerquote beschlossen. Nach guten Bedingungen bei der Aussaat der Rüben im Frühjahr 2014 wird derzeit eine gute Ernte erwartet. Allerdings werden die Rekordwerte des Jahres 2011 nicht erreicht werden können. Analog präsentiert sich die Situation in der EU, wo ebenfalls eine gute Ernte erwartet wird. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Zuckerverfügbarkeit im nächsten Jahr in der EU ebenso wie in der Schweiz gut sein wird.

Der publizierte Ausblick fällt negativ aus. Zwar werden Szenarien entwickelt, um trotz der schwierigen Wettbewerbssituation und einer guten Nachfrage nach Schweizer Zucker mengenmässig gute Verkäufe zu erzielen. Diese als sehr positiv zu wertende Aussage geht aber mit einer eindeutigen Warnung einher, die von den Aktionären keinesfalls unbeachtet bleiben sollte. So soll es notwendig sein, Rückstellungen aufzulösen, um den Rübenpflanzern einen akzeptablen Preis zu bezahlen und sie so zur Bereitschaft, Zucker zu produzieren, zu animieren. Mit dieser Aussage wird der Konflikt zwischen den Rübenpflanzern als Hauptaktionären und dem Ziel der Gesellschaft, ansehnliche Gewinne zu erwirtschaften, deutlich. Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, von den Pflanzern genug Rüben zu erhalten, um einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen, die sehr hohe Fixkosten aufweisen, sicherzustellen. Dies gelingt nur, wenn die Pflanzer akzeptable Preise für die Rüben erhalten. Dies wiederum geht zulasten der Substanz der Gesellschaft, da die Verkaufspreise anhaltend tief sind und so die Zahlungen an die Pflanzer zumindest teilweise nur aus den Rückstellungen möglich sein werden.

In der Folge bedeutet dies, dass die freien Aktionäre mit einem Rückgang des Substanzwerts der Aktien rechnen müssen. Zwar war es auch schon in der Vergangenheit nur wenig wahrscheinlich, dass die hohen Rückstellungen, welche die Gesellschaft besitzt, aufgelöst und an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Mit den neuen Aussagen kann dies als unmöglich qualifiziert werden. Offen ist zudem, ob die Gesellschaft mittel- bis langfristig weiterhin Dividenden ausschütten wird. Für die Bewertung der Aktien kommen somit ausschliesslich der ausgewiesene Buchwert von rund 58 CHF pro Aktie und die Kennzahlen der Erfolgsrechnung in Betracht. Bei einem Rückgang des Reingewinns im Geschäftsjahr 2013/14 um gut 20% gegenüber dem Vorjahr lässt sich ein Gewinn von rund 1.40 CHF pro Aktie errechnen.

Der Aktienkurs hat seit Publikation des Aktionärsbriefes um rund 10% verloren. Auf der Basis der letztbezahlten Kurse der Aktien auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der BEKB von 36 CHF werden die Titel mit einem KGV von knapp 26 für das laufende Geschäftsjahr bewertet und sind damit keinesfalls unterbewertet. Der Discount von fast 40% gegenüber dem ausgewiesenen Buchwert reflektiert die hohen Marktrisiken. Sollte die Gesellschaft einen Betrieb der Anlagen auf mittel- bis langfristige Sicht nur mittels der Auflösung von Rückstellungen sichern können, muss zumindest der Wert der Anlagen sehr kritisch hinterfragt werden. Wertkorrekturen dürften kaum zu vermeiden sein, was zu einem Rückgang des Buchwerts führen wird. Angesichts der Dominanz der Rübenpflanzer im Aktionariat mit einem Anteil von rund 50% dürfte an der Zuckerproduktion, die den Rübenpflanzern ihr Auskommen sichert, noch einige Jahre festgehalten werden. Ob ähnlich wie bei den zwischenzeitlich verschwundenen Obstgenossenschaften eine Betriebsaufgabe in Frage kommt, bei der die Anteilseigner den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Anteil der Firmensubstanz erhalten werden, ist vollkommen offen. Allenfalls Anleger, die einen Anlagezeitraum von mehr als einem Jahrzehnt haben, können hierauf mit ungewissem Ausgang spekulieren. Für das Gros der Anleger dürfte der Besitz von Aktien der Schweizer Zucker AG zumindest auf dem aktuellen Kursniveau wenig aussichtsreich sein.

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