Macro Perspective: Brexit Fall-out – Ahnungslos ins Desaster

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Wohin steuern die britischen Inseln – ist May eine neue eiserne Lady? Quelle: hungertv.com
Wohin steuern die britischen Inseln – ist May eine neue eiserne Lady? Quelle: hungertv.com

„Ich muss hervorheben … dass die Britische Nation einzigartig ist in dieser Hinsicht. Es ist das einzige Volk, das es mag, gesagt zu bekommen, wie schlecht die Dinge wirklich stehen, das es mag, dass ihnen das Schlechteste mitgeteilt wird, und dass es in der Zukunft sehr wahrscheinlich noch viel schlimmer kommt und sie sich auf weitere Rückschläge vorbereiten müssen.“ Sir Winston Churchill (1874-1965) Historiker, Literat und Staatsmann in einer Rede vor dem Parlament 1941.

Wenn es ein eindrückliches Beispiel dafür gibt, dass sich die Masse täuscht und wohl auch getäuscht sein will, dann ist es das für viele überraschende Votum der Briten, der EU den Rücken zu kehren. Dabei war es gar nicht so schwierig das Ergebnis in der Macro Perpective zu prognostizieren – mit ein wenig Kenntnis der Geschichte und der richtigen Interpretation der politischen Massenpsychologie, wie sie sich unter dem zunehmenden ökonomischen Druck täglich deutlicher offenbart.

Der Leser soll hier nicht mit den langweiligen, immer vom gleichen Tunnelblick geleiteten und eindimensionalen Erklärungen gepeinigt werden, die von Medien und Politikern nach dem Brexit-Entscheid zum Besten gegeben werden. Vielmehr sollen die vielfältigen Reaktionen der Ahnungslosen und die finanzökonomischen Implikationen analysiert und evaluiert werden, um so weiterhin ein möglichst klares Bild des zu Erwartenden zu gewinnen. Und Börsenverluste zu vermeiden, wie es mit der in der Macro Perspective im Oktober und im April angeratenen Konzentration auf Gold, USD und lang laufende US-Staatsanleihen auch angesichts des Brexit-Debakels gelungen ist.

Entwicklung des Goldpreises seit Januar 2015 in US Dollar. Quelle: Ariva.de
Entwicklung des Goldpreises seit Januar 2015 in US Dollar. Quelle: Ariva.de

Splendid Isolation in Action

Alles beginnt mit einem tieferen Verständnis der Briten, ihrem Selbstverständnis, der dem Inselvolk eigenen historischen Wahrheiten und der gesellschaftlichen Werte, die eben andere sind als auf dem Kontinent. Als Inselvolk und ehemalige Weltmacht ist das „British Empire“ in der Neuzeit nur mit Japan vergleichbar. Beide tendieren über die Jahrhunderte dazu, sich entweder extrem expansionistisch zu verhalten oder, in Zeiten der globalen Unsicherheit, sich in Isolation zu begeben, die Häfen für Fremde zu schliessen und sich abzuschotten, auch um ihre kulturelle Identität gegen fremde Einflüsse zu schützen. Im Fall der Briten sind auch beide Weltkriege und die zur Verteidigung der Demokratie abgeforderten Opfer wohl stärker im nationalen (Un-)Bewusstsein verankert als auf dem Kontinent. Dazu kommt, dass die moderne Demokratie ihren Ursprung in Britannien hat und eine Bevormundung durch nicht gewählte Repräsentanten wie in der EU damit nicht in Einklang zu bringen ist. Die „animal spirits“, die den von den Briten erfundenen Kapitalismus erst zu dem machen, was er ist, werden von der EU mit Verordnungen, Erlassen und Vorschriften erstickt, worauf ein grosser Teil der Briten das Zurückfallen ihres Landes im globalen Wettbewerb, durchaus zu Recht, zurückführt.

Britische Vordenker der Moderne

Ein weiterer Punkt, der gemeinhin übersehen wird, ist, dass alle wesentlichen Innovationen und politischen Bewegungen und Neuerungen der Moderne ihren Ursprung auf den britischen Inseln haben. Die Stärke der Angelsachsen ist ihr Verständnis für die Marktkräfte und die Marktorientierung, was auch mit der Aufklärung und dem geistigen Erbe von Adam Smith (Der Wohlstand der Nationen), John Locke, David Hume u.a. zu tun haben mag. Von der industriellen Revolution über die transatlantische Verkabelung und dem „Big Bang“ bis hin zur digitalen Revolution – die Briten erkennen die Zeichen der Zeit und sind global betrachtet, noch vor den Amerikanern, die eigentlichen Trendsetter.

Pioniere vs. Nachahmer

Als Thatcher Ende der 70er-Jahre die globale Privatisierungswelle bei Staatsbetrieben einleitete, gelang es, aus den Briten ein Volk von Aktionären zu machen, weil die „ersten“ immer auch in den Genuss der Pionierprofite kommen. Jahre und Jahrzehnte später folgte weltweit Privatisierung um Privatisierung, bald gab es so viele Telekom- und Versorger-Aktien, dass diese nur noch unterdurchschnittlich bewertet wurden, während BT, BP und British Gas als „Erste“ weit besser abgeschnitten hatten. Ökonomisch betrachtet können deutsche Gründlichkeit und romanische Grandeur Europa nicht die Impulse geben, die neues Wachstum generieren, neue Geschäftsmodelle, Finanzinnovationen oder marktorientierte Konzepte hervorbringen. Das zeigt die Malaise in Südeuropa oder im Automobilland Deutschland. Europa verliert sehr viel mehr als die Briten.

Individuum vs. Staat

Was die Kontinentaleuropäer seit der Entstehung der zahlreichen Nationalstaaten auf der doch gedrängten kleinen Landmasse mit all den Kriegen nie verstanden haben, vielleicht mit Ausnahme der Schweiz, ist, dass die Leistungsträger zwar gerne einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, aber dass der nicht dauerhaft grösser als der eigene Anteil sein darf. Staatsquoten von deutlich über 50%, oft 75% und mehr führen eben zu Verweigerung, Steuerhinterziehung und Auswanderung in leistungsfreundlichere Länder. Das wissen die Briten, weshalb Steuersenkungen nach dem Brexit das erste Thema war, worüber zur Steigerung der zukünftigen Attraktivität in breitem Konsens laut nachgedacht wurde. Die Amerikanische Revolution, die in der Loslösung der Kolonie vom britischen Mutterland gipfelte, war bekanntlich wegen einer Tee-Steuer ausgebrochen, der berühmten Boston Tea Party. Mag sein, dass einige Briten in die EU auswandern, doch weit dramatischer ist das Abwandern der Gehirne aus den Ländern der EU, z.B. jährlich 140 000 kompetente Deutsche, wie jüngst in der NZZ aufgeklärt wurde. Noch schlimmer ist es in den südeuropäischen Ländern, die geistig ausbluten und weiter überaltern.

Veränderung der Marktkapitalisierung von 20 grossen Banken seit Anfang 2016.
Veränderung der Marktkapitalisierung von 20 grossen Banken seit Anfang 2016. Quelle: marketwatch.com

Irrelevanz von Polling

Zu den bemerkenswerte Aspekten des Brexit zählt auch, dass Polling, Wetten u.ä., entgegen den Erwartungen, keinerlei Relevanz haben. Hier gilt Churchills Erkenntnis, dass er nur Statistiken glaubt, die er selbst gefälscht hat. Die im Vorfeld des Referendums vielfach gepriesene „hohe wissenschaftliche Qualität“ der Wählerumfragen führte u.a. dazu, dass sich auch weite Teile der professionellen Anleger nicht weiter um den Brexit kümmerten, weil er nach ihrer von den Umfragen gespeisten Ansicht eh nicht kommen würde. Die brachialen Kursverluste bei Aktien und die beachtlichen Turbulenzen an den Devisenmärkten erwischten daher den Grossteil der Profis auf dem falschen Fuss. Milliardäre wie Bill Gates, Fonds und Vermögensverwalter verloren rund um den Globus Milliarden allein an den zwei Tagen nach dem Brexit-Votum 3’000 Mrd. USD. USD, CHF und Yen schossen in die Höhe, während der Euro und das GBP verloren. Gold und Silber erhielten einen kräftigen Schub und die Rendite 10-jähriger US Staatsanleihen sank rutschartig auf 1,35%. Auffällig und vielleicht schon vergessen waren die südeuropäischen Börsen in Mailand und Madrid die grössten Verlierer. Die italienische Bankenkrise, vor der in der Macro Perspective schon mehrfach gewarnt wurde, ist wieder virulent geworden. Bankaktien sind global auf neue Tiefstände gefallen, insbesondere in UK, Italien, Deutschland und der Schweiz. Seit Jahresanfang haben die grössten 20 Banken bereits 465 Mrd. USD an Marktwert verloren.

Unbeabsichtigte Konsequenzen des Brexit

Nach der Panik folgte wenig überraschend zunächst eine technische Erholung, doch dann traten sukzessive die zweiten Reaktionen auf. Erst zwei, inzwischen sechs grosse britische Immobilienfonds nahmen Abwertungen vor, erst um 4%, dann um 17%, und setzten angesichts der massiven Anteilsverkäufe die Rückzahlungen zunächst aus. Es geht um ein Volumen von rund 15 Mrd. GBP. Kern dieses Phänomens ist die Befürchtung, dass die Banken London den Rücken kehren – Paris, Dublin und Frankfurt positionieren sich bereits als Nachfolger – weil der Austritt aus der EU auch den Verlust des sogenannten „Passports“ für in UK domizilierte Banken bedeutet, d.h., die Lizenz, Finanzprodukte nach der Zulassung in London in der ganzen EU vertreiben zu dürfen, fällt weg, womit die betroffenen Banken eine neue Heimat innerhalb der EU suchen müssen. Der Ton zwischen den Briten, die ja nur eine demokratische Entscheidung durchgeführt haben, und der beleidigten EU hat sich sichtlich verschärft, „Out is out“ sagt Juncker und übt sich in blasierter Hochnäsigkeit. Dabei sind die Briten selbst genauso überfordert, da sie keinerlei Szenarioplanung vorgenommen hatten. Jetzt hagelte es Rücktritte – der Premier Cameron, der Leave-Kampagne-Führer Johnson sowie Farage von der UKIP-Partei, und weitere werden folgen. Immerhin ist mit Theresa May inzwischen schon der neue Premier gefunden. Wer geglaubt hat, dass damit alles vorbei ist, täuscht sich. Die Schotten, die mehrheitlich in der EU bleiben wollen, werden sich in einem neuen Referendum loslösen. Vielleicht auch Nordirland. Das dürfte Sezessionsbestrebungen in Katalonien und anderswo Auftrieb geben. Über 40 solche Initiativen gibt es inzwischen schon in der EU. Der Brexit ist ein fundamentaler Riss im europäischen Gebäude, der weitere Risse auslöst. Am Ende sollte die Vernunft die Überhand gewinnen und den Briten keine schlechtere Lösung mit der EU bringen, als die Schweiz und Norwegen sie haben. Allerdings scheint es im Moment, als ob die EU Muskeln zeigen will und die Bedingungen auch für die Schweiz schwieriger geworden sind. Wohl auch, um ein Signal an die Briten und die weiteren Sezessionskräfte zu senden.

Impact auf Japan

Doch die Wellen reichen noch viel weiter. Angesichts der gravierenden Unsicherheiten haben viele international operierende Investoren ihre carry-trades aufgelöst. Das bedeutet den Verkauf der angeschafften internationalen Finanzaktiva und die massive Tilgung von primär Yen-Krediten mit der Folge, dass die Politik von Premier Abe konterkariert wird. Anstatt mit Infinite QE den Yen zu schwächen und Inflation zu erzeugen, legte dieser gegen den schon starken USD seit Jahresanfang von 120 auf 100 Yen pro USD zu. Keine Chance, den globalen Marktkräften etwas entgegenzusetzen. Die Notenbankpolitik der BoJ erscheint inzwischen als zahnlos.

… und China

Auch China gehört zu den Leidtragenden, denn der an den USD gekoppelte Yuan macht den Höhenflug mit und verschlechtert somit die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Exportmärkten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass China den Yuan weiter gegen den USD abwerten wird, was nicht ohne Folgen für den Abwertungswettlauf der Emerging Market Währungen bleiben wird. Bereits jetzt steht der Yuan auf dem tiefsten Niveau zum USD seit 2010. Die Entwicklung ist bereits unter dem Schlagwort „exportierte Deflation“ zum globalen Politikum erster Ordnung mutiert. Die gigantischen Überkapazitäten in China überschwemmen die Weltmärkte mit Produkten nahezu aller Kategorien. Protektionistische Massnahmen und Strafzölle drohen den Welthandel nachhaltig zu schwächen. Der Welthandel ist erstmals seit sehr langer Zeit wieder rückläufig!

Die Briten und die Welt

Das Ganze kann und sollte aber auch soziologisch betrachtet werden, denn was sich in dem Brexit-Votum der Mehrheit der Briten ausdrückt, ist trotz der britischen Besonderheiten durchaus repräsentativ für die Kräfte, die auch auf dem Kontinent und in den USA wirken. Gemeint ist der massenhafte Aufstieg populistischer Parteien und Bewegungen, die zwar keine Lösungen und Rezepte für die Herausforderungen der Zeit haben, aber für einen grossen Teil der gesellschaftlichen Verlierer ein Sammelbecken darstellen, um ihre Wut und Frustration lautstark in der Masse auszuagieren. Denn kennzeichnend für die „Masse“ ist, dass die Menschen ihre persönliche Verantwortung aufgeben und sich von den Gefühlen der Menge anstecken lassen. So werden die Gefühle aufgewühlt und die Personen zu tendenziell irrationalem Verhalten verleitet, so Gustave Le Bon in dem 1895 veröffentlichten Werk „Die Psychologie der Massen“. Die Gewalt steigt, der Ausbruch eines neuen Rassenkrieges in den USA ist ein aktuelles Beispiel. Und wie ein übles Echo der Geschichte sind die „Schuldigen“ an der subjektiven Misere schnell ausgemacht. Für Trump sind es Mexikaner und Muslime, für die Nationalisten sind es Einwanderer und Flüchtlinge, für Ewiggestrige die Juden und Homosexuellen. Also die klassischen Aussenseiter, die schon immer als Projektionsleinwand herhalten mussten. Es war William Shakespeare, der diese Dramen im Kaufmann von Venedig, Othello und anderen Werken herausarbeitete und die tragische Problematik ins gesellschaftliche Bewusstsein führte. Es wäre heute Aufgabe der Medien und Politiker, der Wissenschaftler und Künstler, die destruktiven Mechanismen der Massenpsychologie nicht zu unterstützen und nutzen, sondern vielmehr ihnen entschieden entgegenzuwirken. Doch dafür mangelt es wohl an Entschlossenheit und historischer Bildung. Ein gutes Beispiel für die kollektive Amnesie ist die verhunzte Wahl zum Staatspräsidenten in Österreich, die nun, ein einmaliger Vorgang in der EU, wiederholt werden muss. Es ist schon bemerkenswert, dass grob die Hälfte der Österreicher die Partei gewählt hat, die dafür verantwortlich ist, dass der Schuldenberg von 20 Mrd. Euro – fast 5 000 Euro pro Steuerzahler – bei der Hypo Alpe Adria entstanden ist, was nun im Rahmen der Abwicklung ihnen aufgeladen wird. Das erinnert stark an den Esel, der noch I-A sagt, wenn man ihm Lasten auflädt, entsprechend Nietzsches Zarathustra-Philosophie.

Ton verschärft sich

Unter der zivilisierten Oberfläche tritt auch bei den Briten indes vermehrt ans Tageslicht, was als typisch britische nastyness bezeichnet werden kann. So sagte die Kandidatin Leadsom über ihre Konkurrentin May, dass diese nicht als Premier geeignet sei, weil sie keine Kinder habe! Dafür war sie dann in der Kritik, denn das Argument ist wenig stichhaltig und sagte mehr über sie selbst als über May, wobei die Presse durch falsche Akzentuierung auch eine Schlagzeile produziert hat – mit der Folge, dass nun May die Premierministerin ist. Während in Kontinentaleuropa die Xenophobie sich hauptsächlich auf die Kriegsflüchtlinge aus Afrika und Nah-Ost konzentriert, sind bei den Briten vor allem Polen und Rumänen die Zielscheibe. In typisch britischem Understatement werden EU-Bürger aus Ost- und Südosteuropa gefragt, ob sie denn schon gepackt hätten. Bis vor kurzem waren die Klempner, Elektriker und Bauarbeiter noch gern gelitten, denn die Qualität ihrer Arbeit ist derjenigen der rar gewordenen britischen Berufsvertreter oft überlegen, und günstiger sind sie dazu.

Gewinner und Verlierer

Was sich bei einer Detailbetrachtung des britischen Wählerverhaltes klar zeigt, ist, dass nur London, Schottland und Nordirland mehrheitlich für „Remain“ gestimmt haben. Die Verlierer der Globalisierung in den anderen Städten und die ländliche Bevölkerung haben mit knapper Mehrheit ihrer Stimme Gehör verschafft. Darin drückt sich ein Nein zur Globalisierung und auch ein Nein zu einer zweigeteilten Gesellschaft aus, in der die Eliten und der Finanzsektor fast alles haben und der Rest fast nichts.

Entwicklung des Wachstums des Welthandels. Quelle: www.project-syndicate.org
Entwicklung des Wachstums des Exportvolumens. Quelle: www.project-syndicate.org

Inflation der Brexit-Erklärungen a posteriori

Unter den zahllosen Äusserungen und Kommentaren zum Brexit stechen wirklich nur wenige heraus und bringen dem Leser einen Mehrwert. Dazu zählt Joseph Stiglitz, der unmissverständlich sagt, dass die vergangenen Jahrzehnte gut für die 1% an der Spitze der Gesellschaft waren, aber nicht für Arbeiter und Angestellte, deren Reallöhne stagnieren oder sogar rückläufig sind. Die fühlen sich bedroht durch billigere Arbeitskräfte wie Immigranten und die Austeritätsmassnahmen, die ihren Lebensstandard schmälern. Noch deutlicher wird Nouriel Rubini, der abgesehen von den britischen Spezifika auch eine breite Unzufriedenheit mit und Protest gegen Globalisierung, Freihandel, Marktorientierung, Arbeitsmigration, supranationale Institutionen und technologischen Wandel diagnostiziert. Die Bruchstellen sind nach seiner Evaluierung Reich/Arm, Gewinner/Verlierer der Globalisierung, Gebildete/Ungebildete, Jung/Alt und Städtisch/Ländlich. Carmen Reinhardt weist auf die langfristig negativen Folgen für den Handel und die zunehmend verflochtene Weltwirtschaft hin und vergleicht die Folgen mit dem Ende der letzten Globalisierungswelle durch den Ersten Weltkrieg. Seit dem Ende der Napoleonischen Kriege hatten die Briten mit der Finanzmetropole London die Globalisierung vorangetrieben. Der inzwischen 90-jährige Alan Greenspan sagte, dass die Reaktionen der Märkte auf den Brexit „das Schlimmste sind, das er gesehen hat, seit er im öffentlichen Dienst ist“. Auch er diagnostiziert, dass die Reallöhne nirgendwohin gehen und dies ein fundamentales Ungleichgewicht darstellt. Der Brexit sei nur die Spitze des Eisbergs. Weitere durchaus intelligente Betrachtungen zum Brexit, den Ursachen und Folgen finden sich hier und hier, insgesamt 628 Expertenbeiträge.

Was bedeutet das alles? Ist es schon vorbei – business as usual? Wohl kaum, die Folgen sind weitreichend und kaum absehbar, weil es zahlreiche unbeabsichtigte Konsequenzen gibt, die mit der politischen Verlagerung der Kräfte, der Kriegssituation in Nah-Ost, der terroristischen Bedrohung, der Überschuldung und der wirtschaftlichen Malaise in komplexen Wechselwirkungen stehen. So gesehen passt Churchills Aussage von 1942 auch für den Brexit: „Nun, dies ist nicht das Ende, es ist nicht einmal der Anfang vom Ende, aber es ist, vielleicht, das Ende vom Anfang“.

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