Clientis Banken: Ist die regionale Verankerung Malus oder Bonus?

Regionalbankengruppe wächst 2022 im Hypo-Geschäft überdurchschnittlich

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In Regionen wie hier in Uzwil in der Ostschweiz konnten die Clientis Banken besonders stark wachsen. Bild: www.uzwil.ch

Die Existenzberechtigung regionaler Kreditinstitute wurde in den letzten zwanzig Jahren immer wieder infrage gestellt. Es fehle an kritischer Grösse, Neobanken würden den Markt revolutionieren, und die Landflucht würde ohnehin zu einem Sterben der Banken in der Region führen. Doch das Gegenteil scheint derzeit der Fall zu sein. Wie der Jahresabschluss der Clientis Bankengruppe zeigt, sind die kleinen Institute im Jahr 2022 besonders stark gewachsen. Die Gruppe aus 14 kleinen und mittleren Regionalbanken weitete das Hypothekarvolumen um 5,8% auf 10.7 Mrd. CHF aus. Damit liegt sie an der Spitze der verschiedenen Schweizer Bankengruppen. Die Kantonalbanken steigerten das Volumen 2022 immerhin um 5,1%, die Banken der Raiffeisengruppe um 3,7% und die Grossbanken UBS und Credit Suisse lediglich um 0,2%, wie aus der Statistik der SNB hervorgeht. Schweizweit wurden im letzten Jahr gemäss der Statistik 3,5% mehr Hypotheken als im Vorjahr vergeben – trotz Zinswende.

Nachteil kehrt sich zum Vorteil um

Einer der Gründe für das starke Wachstum der «kleinen» Clientis Banken liegt gerade in der regionalen Verankerung. So könnte der Nachteil, Geschäfte in der Peripherie zu machen, zum Vorteil geworden sein. Denn Wohnraum in den Zentren ist knapp und vor allem teuer. Bedingt auch durch die Corona-Pandemie und die Nutzung von Homeoffice haben vor allem die Agglomerationen und viele ländliche Gemeinden an Attraktivität gewonnen. Ein Trend also, von dem auch die Clientis Banken profitieren konnten?

Matthias Liechti, CEO der Clientis AG, möchte dies nicht als generellen Trend interpretiert wissen. Zu unterschiedlich seien die Geschäftszahlen der einzelnen Institute ausgefallen. Ein Blick in die Jahresabschlüsse der 14 Banken bestätigt dies (siehe auch Tabelle). Während die Clientis Bank Oberuzwil das Hypothekarvolumen um hohe 17,2% steigern konnte und auch die Kundengelder um 5,8% zulegten, verlief das Wachstum bei anderen Instituten wie der Clientis Sparcassa 1816 oder der Clientis Sparkasse Oftringen unterdurchschnittlich. Die in Wädenswil am Zürichsee tätige Sparcassa 1816 ist hingegen in einer Region tätig, die nicht unbedingt als ländliche Gemeinde bezeichnet werden kann. Dass gerade die Bank in Oberuzwil und auch die Clientis Bank Toggenburg so stark gewachsen sind, führt Liechti auch auf die «Boomregion Ostschweiz» zurück.

Wohnraum günstiger als in Zürich, Winterthur und St. Gallen
Adrian Müller, CEO der Clientis Bank Oberuzwil, konnte mit seiner Bank 2022 zweistellig wachsen. Bild: zvg

Adrian Müller, der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Clientis Bank Oberuzwil, bestätigt diese Entwicklung und spricht von einer kontinuierlich gewachsenen Nachfrage nach Wohneigentum. «Obwohl die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser gestiegen sind, sind sie in unserer Region immer noch weit günstiger als in Zürich, Winterthur, Wil und St. Gallen», führt er gegenüber schweizeraktien.net aus. Weiterhin erfreue man sich in der Region an reger Bautätigkeit, immer mehr auch in den kleineren Dörfern. «Diese Entwicklungen und unsere starke Verankerung in der Region haben dazu beigetragen, dass Kunden und Nicht-Kunden vermehrt mit Finanzierungsanfragen an unsere Bank gelangt sind», berichtet Müller. So konnte die Clientis Bank Oberuzwil auch ihr Geschäftsgebiet in den letzten Jahren erweitern. Die Bank beschäftigt an ihren drei Standorten mittlerweile 26 Mitarbeitende.

Beratungszentren als wichtiger Erfolgsfaktor

Von allein sind die Kunden jedoch nicht zur Bank Oberuzwil gekommen. Und auch nicht wegen der günstigen Konditionen. Adrian Müller bezeichnet die Beratungszentren, die seit 2010 in Uzwil und seit 2021 auch in Gossau betrieben werden, als einen wichtigen Erfolgsfaktor. So habe die Bank immer wieder erfolgreich neue Kundenbeziehungen akquirieren können. Er weist auf das grosse Netzwerk hin, das rund um das Beratungszentrum entstanden ist. Denn in dem Zentrum ist nicht nur die Bank selbst vertreten, sondern auch Treuhänder und Rechtsanwälte haben ihre Büros dort. Hinzu kommen regelmässige Veranstaltungen zu Themen aus den Bereichen Immobilien, Vorsorge und Unternehmensführung, die mit Partnern durchgeführt werden. «Über die Veranstaltungen können wir interessierte Kunden und Nicht-Kunden ansprechen und wertvolle Kontakte knüpfen», so Müller.

Regelmässige Vorträge für Kunden und Nicht-Kunden gehören zum Programm der Bank Oberuzwil: Bild: oberuzwil.clientis.ch

Einen weiteren wichtigen Erfolgsfaktor sieht Adrian Müller, der selbst mit seinem Geschäftsleitungskollegen den grössten Teil seiner Arbeitszeit mit Kundenkontakten verbringt, in der engen Beratung der Kunden und den kurzen Entscheidungswegen. Die Clientis Bank Oberuzwil sei bekannt für die schnelle und kompetente Abwicklung von Kreditanfragen, sagt er. «Die Entscheidungswege sind kurz, die Konditionen marktkonform, eher etwas teurer. Dank der guten Leistung gelingt es uns jedoch, die Preise durchzusetzen», so Müller. Auch wenn ebenfalls bei der Clientis Bank Oberuzwil immer mehr digital laufe, so bleibe die persönliche Beratung und das Kundengespräch zentral und wichtig.

Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich auch in den Zahlen. Nicht nur, dass die Bilanzsumme 2022 um über 15% gestiegen ist. Auch der Geschäftserfolg nahm um fast 23% auf 3.5 Mio. CHF zu, was vor allem am stark gestiegenen Erfolg aus dem Zinsgeschäft liegt. Mit 1.8 Mio. CHF lag auch der Jahresgewinn um 11,3% über dem Vorjahreswert, sodass die Dividende von 12 auf 14 CHF je Aktie erhöht werden kann.

Clientis Banken setzen gezielt auf Regionalität

Matthias Liechti hält es denn auch für eine plausible Erklärung, dass gerade wegen des bezahlbaren Wohnraums und als Folge der Corona-Pandemie wieder mehr Leute aufs Land ziehen, was schlussendlich auch den Clientis Banken zugute kommt. Nicht ohne Grund setzt die Bankengruppe daher auch im Marketing auf die Karte der Regionalität. «Wir sehen uns als moderne und selbständige Regionalbanken-Gruppe, die erfolgreich für Bevölkerung und Wirtschaft in den jeweiligen Regionen unterwegs ist», so die Clientis Gruppe in einer Medienmitteilung. Die Banken würden den Grundsatz «Von der Region – für die Region» leben, was sich auch in der neuesten Marketingkampagne widerspiegelt. Hier setzt die Clientis Gruppe ganz gezielt auf das Thema Regionalität.

Bankengruppe legt auch 2022 zu

Ein Blick auf die konsolidierten Zahlen der Clientis Bankengruppe zeigt, dass sich diese Fokussierung in den vergangenen Jahren offenbar ausgezahlt hat. Auch 2022 wuchs die Clientis AG weiter. So entwickelte sich das Zinsengeschäft, das mit einem Anteil von 76% der wichtigste Ertragspfeiler der Clientis Banken ist, trotz steigender Zinsen und starkem Wettbewerbsdruck sehr positiv. Der Brutto-Zinserfolg konnte um 3,5% auf 140.5 Mio. CHF gesteigert werden, der Netto- Zinserfolg erhöhte sich um 3,6%. Im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft war das unsichere Börsenumfeld spürbar. Der Ertrag ging um 0,3% auf 22,9 Mio. CHF zurück. Während der Erfolg aus dem ordentlichen Bankgeschäft gegenüber dem Vorjahr um 2,8% auf 188.3 Mio. CHF zulegte, wuchs der Geschäftsaufwand mit plus 2,5% oder 101.5 Mio. CHF unterdurchschnittlich. Hier schlug vor allem der höhere Personalaufwand zu Buche.

Stetiges Wachstum: seit Gründung der Clientis AG legte das Eigenkapital Jahr für Jahr zu. Abb.: zvg

Das operative Ergebnis nahm um 3,1% auf 72.1 Mio. CHF zu, und der Gruppengewinn erreichte 63.9 Mio. CHF (+ 5,1%) Auch die Cost/Income Ratio verbesserte sich 2022 auf 53,9% leicht. Sie liege weiterhin deutlich unter der Zielmarke von 60,0%, so die Clientis AG in ihrem Geschäftsbericht.

Für das laufenden Geschäftsjahr gibt sich die Bankengruppe zuversichtlich. «Als substanzstarke Regionalbank sehen wir weiter positiv in die Zukunft und sind überzeugt, auf Eventualitäten gut vorbereitet zu sein.», heisst es.

Fazit

Auch im 18. Jahr seit ihrer Gründung setzte die Clientis Gruppe ihren Wachstumskurs fort. Weder Pandemie noch Ukrainekrieg, Inflation und die jüngsten Zinserhöhungen können den regional tätigen Banken etwas anhaben. Zu Unrecht wurde – zumindest bisher – die Existenzberechtigung dieser kleinsten Banken in Frage gestellt. Dank des Konstruktes «Vertragskonzern» – Zusammenarbeit in rückwärtigen Bereichen und Unabhängigkeit an der Front – können sich auch die Kennzahlen sehen lassen. Die Tier-1 Ratio liegt mit 20,2% fast doppelt so hoch wie die regulatorischen Anforderungen, was auch bei der Ratingagentur Moodys zu einem gute A2 Rating für langfristige Verbindlichkeiten führt und so eine günstige Refinanzierung über den Kapitalmarkt zulässt. Dies könnte in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung gewinnen. Und auch die Kostenstruktur hat die Bank, gemessen an der Cost/Income-Ratio von 53,9%, im Griff.

In den vergangenen Jahren konnten die Clientis Banken zudem von der starken Nachfrage nach Immobilen und sicherlich auch vom Trend hin zu Wohneigentum in ländlichen Regionen profitieren. Auch wenn diese Entwicklung aufgrund steigender Zinsen und bei einem – derzeit nicht absehbaren – Rückgang bzw. einer Stagnation des Bevölkerungswachstums beeinträchtigt werden könnte, so dürften insbesondere Kunden mit neu abgeschlossenen Hypotheken über Jahre bei den regionalen Finanzinstituten bleiben. Wichtig ist allerdings, dass die Clientis Banken im Kundenkontakt ihre Nähe auch nutzen. Das Beispiel des Beratungszentrums der Clientis Bank Oberuzwil zeigt, dass sich Investitionen in persönlichen Kontakt trotz Digitalisierung offenbar auszahlen. Auf einen Abgesang der regionalen Banken wurde wohl zu früh eingestimmt. Der jüngste Vertrauensverlust bei Grossbanken, das Ende der Credit Suisse und die Notfall-Übernahme der in Schwierigkeiten geratenen Bank durch die UBS könnte sich als weiterer Vorteil für die regionalen Finanzinstitute erweisen.

Die Aktien oder Genossenschaftsanteile von 8 Clientis-Banken werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt.

Hinweis in eigener Sache: Am 20. Juni 2023 findet wieder der Branchentalk Banken statt. Reservieren Sie sich den Termin oder melden Sie sich jetzt schon hier an.

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