Die Firma ist nur wenigen Insidern bekannt. Und dennoch gehört die Aktie zu den teuersten der Schweiz – wenn nicht sogar zu den teuersten Aktien der Welt. Gemeint ist damit nicht der Wert der Gesellschaft, sondern der Preis einer einzelnen Aktie: Zum Jahresende 2016 hatte die Aktie der nur sehr selten auf OTC-X gehandelten Immobiliengesellschaft „AG für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur“ die magische Grenze von 100‘000 CHF erstmals überschritten. Damit zählt die in breiten Anlegerkreisen weithin unbekannte Spezialitäten-Aktie zweifelsfrei zu den teuersten Aktien der Welt. Die bereits 1872 in einer Vorgängergesellschaft gegründete „Aktiengesellschaft für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur“ bleibt in vieler Hinsicht eine Kuriosität und auch ein Unikum auf dem Kurstableau des ausserbörslichen Aktienhandels (siehe auch Blog-Beiträge vom 29. April 2015 und 29. April 2016).
Nur Berkshire Hathaway ist teurer
An die mit einem Kurs von zuletzt fast 250‘000 USD (Kurs v. 1.5.2017) teuerste Aktie der Welt, die Berkshire Hathaway A-Aktie des Investors Warren Buffet, kommt die im Volksmund liebevoll, und mit Blick auf den Aktienkurs beinahe euphemistisch, als „Billige“ bekannte Winterthurer Traditionsgesellschaft zwar nicht heran, aber für den Titel „teuerste Aktie der Schweiz“ und – höchstwahrscheinlich – „teuerste Aktie Europas“ reicht es allemal.
Der Abstand zu anderen teuren Aktien in der Schweiz ist seit dem Vorjahr mit dem Kursanstieg sogar nochmals grösser geworden: Die legendäre „Schoggikoffer-Aktie“ der Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG – die teuerste kotierte Aktie der Schweiz – kostet im Vergleich aktuell „nur“ beinahe mundgerechte 66‘000 CHF und ist dadurch, ebenfalls relativ, fast schon eine Aktie für den „Kleinsparer“. Die ausserbörslich auf OTC-X gehandelten Aktien der Reishauer AG sowie die Namenaktie der Brauerei Schützengarten AG sind weitere OTC-Schwergewichte, doch mit zuletzt bezahlten Kursen zwischen 59‘000 und knapp 64‘000 CHF preislich ebenfalls deutlich von der „AG für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur“ entfernt.
Wenig Transparenz, unklare Strukturen
Die „Billige“ leistet sich auch 2017 – ungewöhnlich genug – weiterhin den Luxus, keine eigene Homepage zu betreiben. Öffentlich ist die Gesellschaft somit beinahe nicht existent. Lediglich die mit der Verwaltung der Liegenschaften beauftragte Auwiesen Immobilien AG verfügt über einen eigenen Internetauftritt. Die Auwiesen Immobilien AG ist ihrerseits im Jahr 2009 aus der Rieter Immobilien AG des kotierten Winterthurer Industriekonzerns Rieter entstanden und hat 2010 den Dienstleistungsbereich der Sulzer Immobilien AG (Sulzer-Konzern, ebenfalls kotiert) übernommen. Auch aus dieser Verbindung zur Auwiesen Immobilien AG zeigt sich die historische Nähe sowohl zum Rieter- als auch zum Sulzer-Konzern, die beide in Winterthur ihre Wurzeln haben. Beide Konzerne sind bis heute auch im Verwaltungsrat der „AG für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur“ vertreten.
Über die Strukturen im Aktionariat ist über Marktgerüchte hinaus öffentlich wenig bekannt. An dieser Stelle verweisen wir auf unseren Blog-Beitrag vom 29. April 2016. Die genannten Winterthurer Konzerne Sulzer, Rieter und auch die Axa Winterthur-Gruppe sollen noch immer nennenswert – bis heute – an der „Billigen“ beteiligt sein und einen guten Teil des Kernaktionariats stellen. Wir gehen davon aus, dass die UBS AG – eine der Vorgängerbanken der heutigen UBS war die bereits 1862 von Winterthurer Industriellen gegründete Bank in Winterthur, einst auch grössere Aktionärin der Gesellschaft – nicht länger im Aktionariat der „Billigen“ vertreten ist und diese Anteile mit der Zeit von anderen Investoren übernommen wurden. Angesichts der wenig erfrischenden Entwicklung der UBS AG in den vergangenen Jahren muss dieser Umstand für die längerfristigen Perspektiven der Winterthurer Gesellschaft jedoch kein Nachteil sein.
So unklar die genauen Strukturen im Aktionariat auch sind: Das Aktienkapital von 600‘000 CHF ist in lediglich 1‘200 Aktien à 500 CHF nominal eingeteilt. Damit ist die Aktie bereits in ihrer Grundstruktur „illiquide“. Innerhalb des nicht sehr grossen Streubesitzes ist die sehr „schwere“ Aktie aus ihrer Historie fest im lokalen Winterthurer Umfeld verankert, nicht selten über Generationen hinweg.
Wohnungsbestand 2016 auf 854 erhöht – Mieterträge klettern um 5.2% auf 12.5 Mio. CHF
Das abgelaufene Geschäftsjahr 2016 war für die weit überwiegend im günstigen Mietsegment mit mehrheitlich kleineren Wohnungen tätige Gesellschaft erneut ein sehr erfreuliches Jahr. Der Fokus der Unternehmung lag weiterhin auf der Optimierung des Bestandsportfolios. Dazu zählten Renovations- und Erweiterungsprojekte zur Steigerung der Attraktivität bestehender Objekte. Das von den tiefen Zinsen getriebene Preisniveau biete für professionelle Investoren im Immobiliensektor keine gute Grundlage, teilte die Gesellschaft ihren Aktionären mit. Es sei, so die Gesellschaft weiter im Geschäftsbericht, zurzeit sehr schwierig, an Objekte zu gelangen, die bezüglich Preis (Renditeerwartung) und Leistung (Lage und Objektqualität) mit den Vorgaben der Gesellschaft in Einklang zu bringen wären.
Im Geschäftsjahr 2016 wurde der Wohnungsbestand durch vorgenommene Verdichtungen auf vorhandener Fläche und Neuvermietungen auf 854 (Vorjahr: 824 Wohnungen) erhöht. Damit entfällt auf eine einzelne Aktie praktisch im Durchschnitt 70% (=854 Wohnungen / 1‘200 Aktien) einer Wohnung in Winterthur. Im Abschluss 2016 sind die Mieterträge aus diesen 30 neuen Wohnungen – 24 Wohnungen in der Oberseenerstrasse in 3 neuen Mehrfamilienhäusern sowie 6 Attikawohnungen in der Lärchenstrasse – erstmals bilanziell verarbeitet.
Weitere Investitionen in Ersatzneubauten
Weiterhin arbeitet die Gesellschaft am Neubauvorhaben Mattenbach. Die „Billige“ plant den Ersatz der über 60 Jahre alten, bestehenden 48 Wohnungen durch Neubauten mit 76 Wohnungen im Segment der 2.5- bis 4.5-Zimmer-Wohnungen nach Minergie-Standard und eine Einstellhalle mit 60 Einstellplätzen. Das Investitionsvolumen soll sich auf etwa 30 Mio. CHF belaufen, das „grösste Projekt, das je von der Gesellschaft in Angriff genommen wurde“. Dadurch würde der Wohnungsbestand um weitere 28 Wohnungen auf vorhandener Fläche steigen und sich sukzessive in Richtung eines Gesamtbestandes von 900 Wohnungen erhöhen. Zum Stichtag 31.12.2016 stand lediglich eine einzige Wohnung leer.
Die Mietzinserträge kletterten 2016 aufgrund der skizzierten Erst- und Neuvermietungen um 5.2% auf 12.5 Mio. CHF. Erwähnenswert ist dabei, dass das Mietzinsniveau der Gesellschaft – aus der Historie der „Billigen“ resultierend – wie schon in den Vorjahren sehr deutlich unterhalb des regulären Marktniveaus liegt. Etwaige Mietzinsanpassungen in der Zukunft, etwa bei Neuvermietungen oder nach Renovationen, würden sich entsprechend positiv auf die Mieterträge und die Erfolgsrechnung auswirken.
Der Betriebsaufwand, der auch eine weitere Zuführung von 1.8 Mio. CHF in den mit mittlerweile gut 27 Mio. CHF (ca. 22‘000 CHF je Aktie) dotierten „Erneuerungsfonds“ beinhaltet, erhöhte sich leicht auf 5.2 Mio. CHF (+2.5%). Aus unserer Perspektive hat der erneut angewachsene „Erneuerungsfonds“ – da die Unterhalts- und Renovationsaufwendungen aus dem laufenden Geschäft finanziert werden und ein eigenständiger Aufwandposten in der Erfolgsrechnung sind – praktisch Eigenmittelcharakter, obwohl bei den Rückstellungen im Fremdkapital ausgewiesen. Der Aufwand für Unterhalt und Renovationen erhöhte sich von 1.9 Mio. CHF auf etwa 2.1 Mio. CHF.
Hohe Abschreibungen drücken den Jahresgewinn
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) verbesserte sich um 7.2% auf 7.3 Mio. CHF nach 6.8 Mio. CHF im Vorjahr. Die Geldflussrechnung (Cashflow) zeigt, dass die Gesellschaft über eine hohe Eigenfinanzierungskraft von zuletzt mehr als 6.7 Mio. CHF – entsprechend 5‘630 CHF je Aktie – verfügt. 2016 investierte die „Billige“ 4.0 Mio. CHF in wertmehrende Sanierungen und Neubauten nach 9.2 Mio. CHF im Vorjahr.
Der Anstieg der Anlagenwerte im Portfolio durch die Neubauten führte auch dazu, dass im Vergleich zum Vorjahr erneut höhere Abschreibungen auf die Immobilien möglich waren. Jährlich werden nach der degressiven Methode 2% auf den Bilanzwert der Gebäude (ohne Land) abgeschrieben. Die Abschreibungen auf die Immobilien erhöhten sich 2016 leicht von 2.1 Mio. CHF auf 2.2 Mio. CHF. Das betriebliche Ergebnis auf Stufe EBIT erhöhte sich um 7.5% auf 5.1 Mio. CHF. Der Finanzaufwand war mit knapp 1.05 Mio. CHF in etwa konstant zum Vorjahr.
Die Gesellschaft erwirtschaftete einen aufgrund der hohen Abschreibungen und der bereits beim Betriebsaufwand vorgenommenen „Vorab-Zuweisung“ an den Erneuerungsfonds letztlich wenig aussagekräftigen, ausgewiesenen Jahresgewinn von etwa 3.1 Mio. CHF (+8.8%) oder 2‘588 CHF je Aktie. In der Theorie wären hier – ohne die regelmässig hohen Zuführungen an den „Erneuerungsfonds“ oder tiefere Abschreibungen – auch deutlich höhere Werte darstellbar gewesen.
Dividendenerhöhung auf 1‘700 CHF beantragt – Aussichten für 2017 bleiben „günstig“
Angesichts des „guten Geschäftsgangs und des auch mittelfristig erwarteten hohen Cashflows“ schlägt der Verwaltungsrat der kommenden Generalversammlung vom 17. Mai 2017 die Erhöhung der Dividende um etwa 13% von 1‘500 CHF auf 1‘700 CHF vor. Unsere letztjährige Einschätzung, dass bei der Dividende Potenzial für weitere Steigerungen besteht, hat sich damit bestätigt! Die Dividendenrendite liegt auf aktueller Kursbasis (105‘800 CHF, Kurs vom 24. April 2017) bei 1.6% in etwa auf dem Niveau des Vorjahres (1.9%). Dank der unverändert soliden Finanzierung, der starken Substanz und der guten, sich mit neuen und langfristig ausgerichteten Wohnprojekten in der Vermietung sogar weiter verbessernden Cashflow-Situation sehen wir längerfristig selbst auf dem jetzt erreichten Niveau noch Spielraum für weitere Erhöhungsschritte. Die attraktiv positionierte Gesellschaft verfügt in ihrer historisch gewachsenen Struktur über ein interessantes Profil. Dies insbesondere auch, weil die Gesellschaft von den Marktentwicklungen im „Luxus-Segment“, die aktuell im Kanton Zürich mit Preisrückgängen und längeren Leerständen einhergehen, aufgrund ihrer Fokussierung auf kleinere und günstigere Wohnungen kaum betroffen ist.
Die Gesellschaft selbst bezeichnet die Finanzlage in ihrem aktuellen Geschäftsbericht als „sehr gesund“ und erkennt in der eigenen Bilanz eine „konservative Bewertung des Immobilienportfeuilles“ sowie eine „geringe Verschuldung“. Und: „Die finanziellen Aussichten für 2017 bleiben günstig.“
Die Bilanz der „Billigen“ antizipiert bereits heute viele Risiken, die so kaum eintreten dürften. Das in den Sachanlagen – bei einem Betriebsertrag von 12.5 Mio. CHF – mit lediglich 117 Mio. CHF bilanzierte Immobilienportfolio erscheint uns dabei sehr konservativ bewertet. Der effektive Marktwert dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Die Gesellschaft schreibt im Geschäftsbericht (Seite 3), dass die Nettomietrenditen 2016 in Winterthur „für innerstädtische Topliegenschaften um weitere 20 bis 30 Basispunkte auf mittlerweile unter 3%“ zurückgingen und sich die „Nettocashflow-Renditen bei grösseren Immobilienportfolios bei 3.5% einpendeln“ dürften.
Die Aktien der AG für Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur wurden auf der OTC-X-Plattform der Berner Kantonalbank (BEKB) zuletzt bei 105‘800 CHF (24.04.2017) gehandelt. Die Titel werden aktuell zu 107‘000 CHF gesucht und zu 199‘830 CHF angeboten. Im laufenden Jahr wurden bisher lediglich 2 Aktien gehandelt, im gesamten Vorjahr 2016 waren es knapp 17 Aktien im Gegenwert von knapp 1.5 Mio. CHF.
Das nicht aussagefähige bilanzierte Eigenkapital zum Jahresende 2016 lag bei 29.5 Mio. CHF oder knapp 24‘563 CHF/Aktie. Rechnet man gedanklich auch noch den erwähnten, im Fremdkapital bei den Rückstellungen ausgewiesenen „Erneuerungsfonds“ von 26.9 Mio. CHF zum Eigenkapital hinzu, so läge das entsprechend „bereinigte“ Eigenkapital bereits bei knapp 47‘000 CHF je Aktie. Die Gesellschaft verfügt über hohe, historisch gewachsene stille Reserven im attraktiven Segment der Wohnliegenschaften in Winterthur, die den konservativen Bilanzansatz von 117 Mio. CHF sehr deutlich um einen dreistelligen Millionenbetrag übersteigen dürften.
Aufgrund des Spezialitätencharakters der Aktie, der geringen Liquidität und des zumindest in absoluten Dimensionen alles andere als „billigen“ Kurswerts verzichten wir an dieser Stelle jedoch – wie schon in den Vorjahren – auf weitergehende Prognosen und Berechnungen zum „Fair Value“.