Der Himmel über der weltweiten Konjunktur präsentiert sich so wolkenlos wie selten zuvor, Eurokrise – das war einmal. Ein guter Grund also, um optimistisch zu sein, erklärte Konjunkturprognostiker Klaus W. Wellershoff am zweiten Wirtschaftsforum der Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG. Ungemach droht aber von der Zinsfront.
Auch ein Kleiner kann Grosses tun. Auch eine kleine Bank kann Bemerkenswertes leisten. Die Diskussionssendung „Arena“ des Schweizer Fernsehens wäre jedenfalls vermutlich froh, sie könnte jede Woche mit so prominenten und spannenden Gästen aufwarten wie die kleine Regionalbank Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG an ihrem zweiten Wirtschaftsforum. Mit Reto Lipp und Sascha Ruefer führten gleich zwei bestbekannte Fernsehmoderatoren durch den Anlass in der Mehrzweckhalle in Lüterkofen. Und Hauptreferent Klaus W. Wellershoff musste schon gar niemandem mehr vorgestellt werden. Der Blick des renommierten Wirtschaftsprognostikers und ehemaligen UBS-Chefökonomen in die Kristallkugel verhiess zunächst viel Positives für das kommende Jahr 2018. Dies gelte speziell für die Konjunktur, die weltweit in überaus guter Verfassung sei.
Wirtschaft wächst, aber weniger stark
Wer noch weiter hinausblickt, ist nach Wellershoff aber etwas weniger euphorisch. Denn das Trendwachstum werde wie schon seit dem Jahr 2000 bis 2029 Jahrzehnt für Jahrzehnt abnehmen. In China von einst 10 Prozent auf noch 4 Prozent, in den Industrieländern von über 3 Prozent auf unter 2 Prozent. „Ein so tiefes Wachstum muss für eine Industrienation aber nichts Schlechtes sein. Es wird genügend gross sein, um die Arbeitslosenrate nicht ansteigen zu lassen“ stellte der prominente Ökonom fest.
Aktuell aber wachsen die entwickelten Länder noch deutlich über dem langfristigen Trend. Für die USA rechnet Wellershoff in den nächsten zwei Quartalen mit einem beachtlichen Wachstum von rund 3 Prozent, in der Eurozone mit 2,5 Prozent. Schlecht ins optimistische Bild passt da eigentlich nur die Schweiz, für die verschiedene Prognoseinstitute und auch die Nationalbank nur schwache Fortschritte von 1,5 Prozent voraussagen. Die Bundesprognostiker des Seco kommen in ihrem jüngsten Bericht sogar auf bescheidene 0,3 Prozent. Wellershoff führt diese Prognose aber auf statistische Ausreisser, vor allem im Handel mit Gold zurück: „Ich bin überzeugt, dass diese Prognose schon sehr bald nach oben revidiert werden muss.“
Euro im Aufwärtstrend
Einen kräftigen und anhaltenden Aufwärtstrend sieht der Prognostiker für die Europäische Einheitswährung Euro voraus. Preisstabilität, ein Budgetdefizit bei nur noch knapp über 1 Prozent des Volkseinkommens und eine Konjunktur, die auch im fünften Jahr des Aufschwungs einen soliden Eindruck macht. Dazu eine wieder optimistischere Europäische Zentralbank (EZB). „All das sind gute Gründe, warum die Euro-Phobiker wieder einmal unrecht hatten. Der Euro mag eine Fehlkonstruktion sein, das heisst aber nicht, dass es ihn morgen nicht mehr gibt oder dass er dauerhaft schwach sein muss“, betonte Wellershoff. Wer die Fundamentaldaten untersuche, könne einfach feststellen, dass der Euro heute eine „stinknormale“ Währung geworden sei. Wesentlich mehr Sorgen müsse man sich um den Dollar machen, der sowohl gegenüber dem Euro als auch dem Franken in den Abwärtssog geraten könnte.
Zinsen werden steigen
Für die Schweizerische Nationalbank ist der Euro-Höhenflug auf den ersten Blick eine günstige Entwicklung, gewinnt sie dadurch doch Freiheitsgrade in der Gestaltung der Geldpolitik. Die Kehrseite der Medaille: Die Inflationsrate werde rascher ansteigen als die Notenbank prognostiziert habe. Im Dezember wird sie nach Wellershoff wohl in der Nähe von 1 Prozent angekommen sein. Mit andern Worten: „Die SNB wird ihre Geldpolitik viel schneller ändern müssen als die meisten Beobachter für möglich halten. Bei einer Teuerungsrate von gegen 1 Prozent, einer auch hierzulande zunehmend besseren Konjunktur und geringeren politischen Risiken im europäischen Ausland ist ein Belassen der Geldmarktzinsen bei minus 0,75 sehr unwahrscheinlich.
Steigende Zinsen sind also unvermeidlich. Und steigende Zinse sind Gift für fast alle Anlagekategorien. Für Anleger zeichnet sich dementsprechend ein schwieriges Jahr ab. Die Börsen haben ihre besten Zeiten wohl gesehen, gibt Wellershoff zu bedenken.
Kontroverse Meinungen zu Anlagestrategie und Zinsen
Wellershoff gab mit seiner klaren Aussage zur Zinsentwicklung einen Steilpass für die anschliessende Diskussionsrunde, den ECO-Moderator Reto Lipp auch gerne annahm. Denn SLB Chef Thomas Vogt erwartet für das kommende Jahr noch keine grossen Veränderungen an der Zinsfront. Ähnlich sieht es auch Marco Fumasoli, Chief Investment Officer der Vermögensverwaltung Investas. Er machte aber auch deutlich, dass die kurzfristigen Schwankungen an den Märkten durch eine ausgewogene Anlagestrategie ausgeglichen würden. Den ultimativen Anlagetipp für einen Millionen-Gewinn mit dem Happy-Day-Los, wie ihn Reto Lipp erwartete, hatte Fumasoli daher nicht parat. Er unterstrich einmal mehr, wie wichtig ein diversifiziertes Portfolio und ein langfristiger Anlagehorizont seien. Klaus Wellershoff hingegen liess keinen Zweifel daran, dass er jetzt in Fremdwährungen investieren würde. Den übrigen Diskussionsteilnehmern war dies jedoch zu heiss. Ebenso wie Investments in den Bitcoin. „Die Blockchain-Technologie wird sich bestimmt durchsetzen“, so Thomas Vogt. Dies werde auch die Banken und deren Geschäftsmodell verändern. „Vom Bitcoin würde ich aber die Finger lassen“, rät der Chef der SLB. Zumindest in diesem Punkt waren sich die drei Finanzfachleute auf dem Podium einig. Anders bei der Zinsfrage: Während Thomas Vogt kurzfristig keinen Anstieg der Zinsen erwartet, würde Wellershoff jetzt die Zinsen langfristig anbinden. „Besser sogar 15 als nur 10 Jahre“, so der Wirtschaftsprofessor.
Bewegende Worte von Daniel Albrecht
Wie überflüssig eine langfristige Planung und grosse Ziele sein können, wurde im Gespräch zwischen SRF-Moderator Sascha Ruefer und dem ehemaligen Skirennfahrer Daniel Albrecht deutlich. Dessen Horrorsturz bei einem Rennen im Januar 2009 in Kitzbühel veränderte sein Leben komplett. Die Versuche, nach der Genesung nochmals in den Skisport einzusteigen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Den Gästen des SLB Wirtschaftsforums riet er zu mehr Gelassenheit, die er auch selber in einer sympathischen Art bei dem Gespräch ausstrahlte. Vielleicht lag es auch daran, dass er seit 10 Monaten Vater einer Tochter geworden ist und nun neue Ziele im Leben hat.
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