Medacta: Bleibt für Erstzeichner noch Kursfantasie?

IPO ist bereits überzeichnet

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Bereits am ersten Tag der Bookbuilding-Phase war die Medacta-Aktie überzeichnet. Die Zeichnungsfrist läuft noch, erster Handelstag ist voraussichtlich der 4. April. Lohnt sich die Zeichnung überhaupt oder ist die Aktie schlicht zu teuer?

Auf das Profil von Medacta, das Geschäftsmodell und das spezifische Öko-System war bereits in einer ersten Evaluierung auf schweizeraktien.net eingegangen worden. Was noch fehlte, waren die konkreten Emissionsparameter. Die liegen nun vor. Demnach steht eine Unternehmensbewertung von 1.76 Mrd. CHF bis 2.08 Mrd. CHF im Raum.

Börsenbewertung von 2 Mrd. CHF erwartet

Da die Aktie bereits überzeichnet ist, kann durchaus von einer Bewertung von 2 Mrd. CHF ausgegangen werden. In diesem Fall wird der Free-Float 32,8% betragen, und den Altaktionären fliessen bei Zuteilung zu 104 CHF dann 682 Mio. CHF abzüglich der IPO- und Bankgebühren zu. Dem Unternehmen fliesst kein Kapital zu, da keine neuen Aktien angeboten werden.

Weiterhin zweistellige Wachstumsraten angestrebt

Das Management erwartet für 2019 ein Umsatzwachstum von 15% und eine bereinigte EBITDA-Marge von 31,3%. Auf längere Sicht werden Wachstumsraten im niederen bis mittleren Teen-Bereich angestrebt, also 10% -15%. Die Dividendenpolitik sieht vor, dass 20%-30% des Reingewinns als Dividende ausgeschüttet wird.

Lock-up-Verpflichtungen

Die Mitglieder der Familie Siccardi verpflichten sich zu einer Lock-up-Periode bis Ende 2020. Medacta als Gesellschaft verpflichtet sich für 180 Tage, keine im Eigenbestand gehaltenen Aktien über die Börse zu veräussern.

Märkte und Wettbewerb

Bei Medacta entfallen 29% des Umsatzes auf die USA. Das Land steht für rund 60% des globalen Orthopädieumsatzes. Auf Europa entfallen bei Medacta 46%, auf die Region Asien-Pazifik 21%. Seit 2007 waren Tochtergesellschaften in Australien, den USA, Japan und weiteren Ländern gegründet worden.

Ziel ist die Ausweitung der Umsätze vor allem in den USA, da die Preise dort in aller Regel beim doppelten des europäischen Niveaus liegen. Im grössten Markt der Welt herrscht allerdings auch ein reger Wettbewerb. Die dominierenden Platzhirsche Zimmer Biomet, Stryker und die Johnson & Johnson-Tochter DePuy Synthes werden kaum bereit sein, Marktanteile kampflos abzugeben. Deren Wachstumsraten im Bereich Hüft- und Kniegelenke liegen laut Medacta CEO Siccardi bei 3% jährlich, während Medacta deutlich zweistellig wachse.

Medacta mit starkem Profil

Es ist richtig, dass Medacta deutlich über dem Wachstumstempo des Marktes wächst. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass die EBITDA-Marge mit über 30% etwas höher als bei den Wettbewerbern ausfällt. Allerdings ist zu bedenken, dass beispielsweise Stryker mit 13.6 Mrd. USD Umsatz in 2018 auch eine sehr viel höhere Basis aufweist als die umgerechnet 306,6 Mio. CHF bei Medacta.

Zahlen unter der Lupe

Die Bewertung von Medacta beim IPO ist ambitioniert. Für die unten stehende Tabelle und die Berechnungen wurden die Euro-Beträge bei Medacta zu einem Kurs von 1.123 in CHF umgerechnet. Angesichts der hohen Bewertung von Medacta beschränkt sich der Vergleich von Medacta auf Stryker, dem in vielerlei Hinsicht bestgeeigneten Peer.

Bewertung in Mrd. Umsatz in Mrd. KGV KUV EV/EBITDA Umsatzwachstum Gewinnmarge
Medacta 2.1 CHF 0.306 CHF 40,4 6,8 22,4 11,4% 16,8%
Stryker 72.5 USD 13.6 USD 20,4 4,4 20,5 9,3% 26,1%

Alle Zahlen beruhen auf dem Geschäftsjahr 2018

Geht man von einem Emissionspreis von 104 CHF aus, so errechnet sich bei Medacta ein KGV 2018 von 40,4; am unteren Ende bei 88 CHF sind es 32,3. Bei Stryker sind es aktuell 20,4. Beim KUV 2018 sind es 6,8 bzw. 5,7 bei Medacta vs. 4.4 bei Stryker. Bei der von den Emissionsbanken bevorzugten Bewertungskennzahl EV/EBITDA beträgt der Wert bei Medacta 22,4 bzw. 19,1 vs. 20,5 bei Stryker.

Kursverlauf der Stryker-Aktie in EUR. Quelle: finanzen100.de

Erweiterte Peer-Group?

Der gerne angestellte Vergleich mit Straumann und Medartis ist nur bedingt aussagekräftig. Zwar erinnert das als Ökosystem gestaltete Geschäftsmodell an die beiden Dentalunternehmen, doch herrschen im Dentalbereich andere Marktbedingungen vor. Zudem ist zu beachten, dass von Straumann die heute zugestandene hohe Bewertung über viele Jahre als börsenkotiertes Unternehmen erarbeitet worden ist, während Medacta zu Beginn der Börsenkarriere schon das Maximum fordert.

Messlatte Stryker

Der Vergleich mit Stryker erscheint näher zu liegen, und die Amerikaner verzeichneten 2018 immerhin ein Umsatzwachstum von 9,3%. Das ist, trotz der Grösse, nicht sehr weit von den 11,4%, um die Medacta im vergangenen Jahr gewachsen ist. Die Nettogewinnmarge fällt bei Stryker mit 26,1% sogar deutlich höher aus als die 16,8% bei Medacta. Vorne liegt Medacta allerdings bei der Eigenkapitalrendite mit 51,4% vs. 32,8% bei Stryker. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Eigenkapital in den letzten beiden Jahren von 146.9 Mio. Euro auf 89.1 Mio. Euro reduziert und die Verschuldung von 21.2 Mio. Euro auf 130.8 Mio. Euro hochgefahren wurde. In den beiden Vorjahren lag die Eigenkapitalrendite bei 32,9% in 2017 und 26,7% in 2016.

Kursentwicklung wie bei Medartis?

Interessierte Investoren müssen abwägen, ob das durch den Basiseffekt gestützte hohe Wachstum, die starke Profitabilität und der innovative Ansatz den offensichtlich hohen Preis auch rational begründen. Es ist gut möglich, dass die 682 Mio. CHF Platzierungsvolumen die Nachfrage der Anleger nicht befriedigen können und die Aktie dann, wie bei Medartis, steigt. Es erscheint jedoch ebenso wahrscheinlich, dass die Investoren dann realisieren, dass es viele Jahre überdurchschnittlichen Wachstums braucht, bis die Aktie in die Bewertung hineingewachsen ist.

Kursentwicklung der Medartis-Aktie seit dem Börsengang. Quelle: six-group.com

Eine Bereicherung für Anleger …

Zweifellos ist Medacta eine echte Bereicherung für die Börse und Medtech-Investoren. Ebenfalls zweifellos hat das Management bereits bewiesen, dass die Innovationen und die erzielten Kostensenkungen sowie der hohe Patientennutzen Marktanteile für Medacta zu gewinnen vermögen. Zu den Risiken zählen die Bemühungen zur Dämpfung der Gesundheitskosten sowie eine Unterschätzung der Innovations- und Kapitalkraft der Konkurrenten.

… zum richtigen Preis

Wäre die Bewertung so gewählt worden, dass für neue Aktionäre auch ein Zeichnungsanreiz besteht, hätte die Empfehlung „Zeichnen“ gelautet. Aufgrund der zu hohen Bewertung beim IPO scheinen jedoch die Risiken, insbesondere bei weiter verschlechterter Börsenlage, die Chancen fürs Erste zu überwiegen.

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