Peter Schnürer, CEO daura: «Der Handel mit nicht kotierten Aktien wird durch die Tokenisierung richtig aufblühen.»

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Peter Schnürer ist CEO der daura AG, einem Fintech-Unternehmen, das sich auf die Tokenisierung von Aktien spezialisiert hat. Bild: schweizeraktien.net

Digitale Transformation, Blockchain und Fintech sind Schlagwörter, die in den letzten Jahren auch die Finanzbranche unter Druck setzen. Besonders im Fokus steht die Produktseite mit neuen Angeboten in der Kontoführung und dem Zahlungsverkehr, dem Hypothekargeschäft sowie Anlage- und Vorsorgelösungen. Der Aktienhandel war bisher nur am Rande von dieser Entwicklung betroffen. Doch langsam wird auch dieses Segment von der digitalen Transformation erfasst.

Peter Schnürer, CEO vom Start-up daura, erklärt im Interview mit schweizeraktien.net, wie die «Tokenisierung» von Aktien auf ihrer Plattform funktioniert und welche Vorteile diese gegenüber der heutigen Form der Verbriefung bietet. Er äussert sich ausserdem sehr zuversichtlich zur Zukunft des Handels mit nicht kotierten Aktien.

Herr Schnürer, vor zwei Wochen gaben Swisscom und Deutsche Börse bekannt, dass sie erstmals in der Schweiz eine Wertpapiertransaktion mit Token abgewickelt haben. Dabei war die daura Plattform ein zentraler Baustein. Was genau ist darunter zu verstehen?

In einem ersten Schritt hat ein Schweizer KMU auf der daura Plattform seine Aktien digitalisiert und auf der Blockchain in Form von Token abgelegt. Die Aktie existiert somit nun als sogenannter «Equity Token», also als digitales Wertrecht. Gleichzeitig hat die Deutsche Börse-Tochter Eurex Clearing Schweizer Franken als «Cash Token» verfügbar gemacht. Die auf dem Konto der Eurex Clearing bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hinterlegten Schweizer Franken wurden in digitale Franken transferiert, die ebenfalls in der Blockchain abgelegt wurden.

Da beide Token nun auf der Blockchain abgelegt waren, konnten die drei an dem Projekt beteiligten Partnerbanken beginnen, mit den «Cash Token» die «Equity Token» rechtsgültig zu kaufen. Im Endeffekt haben sie Franken gegen Aktien getauscht.

Das klingt alles sehr technisch. Aber welchen Nutzen haben Unternehmen und Investoren konkret von dieser «Tokenisierung»?

Kurz gesagt: Die Abwicklung von KMU-Aktientransaktionen wird schneller, effizienter und günstiger werden. Durch die «Tokenisierung» der Aktien wird das Aktienbuch einer Gesellschaft digitalisiert. Das erleichtert nicht nur dem Verwaltungsrat die Arbeit – die Blockchain als manipulationssicheres Register erhöht für die Gesellschaft und den Investor die Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit.

Das ist jedoch erst der Anfang: daura arbeitet an der Digitalisierung von Generalversammlungs-Prozessen sowie Messaging- und Voting-Funktionen. Dies vereinfacht das Aktionärsmanagement. Ausserdem erhalten die Unternehmen Zugang zu der ganzen Token-Welt. Es ist denkbar, dass es neben den «Equity Token» eines Tages auch «Debt Token» geben wird und auch weitere Positionen der Bilanz tokenisiert werden. Wichtig ist auch die Geschwindigkeit: Innerhalb weniger Sekunden ist eine Aktientransaktion rechtsgültig abgewickelt.

Sie sprachen auch die Kosten an. Wie hoch werden diese für ein Unternehmen sein, wenn es Aktien in «Equity Token» umwandeln lassen möchte?

Wir erheben eine einmalige Gebühr, die im Bereich von 1’000 bis 5’000 CHF liegt, und eine jährliche Gebühr für die Führung des Aktienbuches in Höhe von 1’500 bis 5’000 CHF. Für die Kapitalerhöhung berechnen wie pauschal 2’500 CHF.

Das ist sehr wenig, verglichen mit den Kosten für Kapitalerhöhungen und IPOs, die bei börsenkotierten Unternehmen schnell einmal mehrere Millionen Franken kosten und abhängig von der Höhe des Emissionsvolumens sind.

daura ist ein Softwareanbieter und keine Bank. Wir betrachten «Equity Token» also als Software. Daher erheben wir einen Fixpreis, der unabhängig von der Höhe des emittierten Kapitals ist. Den Vertrieb und das Marketing muss das Unternehmen für seine «Equity Token» allerdings selber übernehmen.

Es gibt schon seit Jahren ICOs, die sogenannten Initial Coin Offerings. Worin unterscheiden sich die «Equity-Token» von daura von den ICOs?

ICO ist ein unspezifischer Begriff. Denn unter diesen «Coins» gibt es Payment-, Security- und Utility-Token. Für den Käufer von «Coins» war nicht immer klar, was er genau erwirbt. daura beschäftigt sich ausschliesslich mit Security Token, die unsere Kunden für Kapital-Erhöhungen nutzen. Technisch handelt es sich also um Security Token Offerings. Hierfür stellen wir nicht nur die Plattform, sondern auch ein standardisiertes rechtliches Rahmenwerk zur Verfügung.

Welches werden nun die nächsten Schritte sein? Gibt es schon weitere Unternehmen, welche eine «Tokenisierung» ihrer Aktien nachfragen?

Die Erkenntnisse aus dem erfolgreichen «proof fo concept» legen den Grundstein für die Ausgestaltung eines produktiven Systems. Als nächster Schritt werden Gespräche mit potenziellen Partnern und Kunden geführt. Für diese Phase werden wir uns bewusst Zeit nehmen. Bei der Ausgestaltung des Systems legen wir den Fokus stets auf Offenheit und setzen auf Kooperationen.

Unabhängig von dem Proof of Concept nutzen bereits heute Schweizer KMU die daura für die Führung des Aktienbuches. Im Moment findet auch eine Kapital-Erhöhung im Bereich Impact-Investment auf unserer Plattform statt.

Wie wird künftig der Handel dieser «Equity Token» abgewickelt?

In einem ersten Schritt bieten wir ein Bullettin Board, ein schwarzes Brett, an – dies ist jedoch nicht mit einer Handelsplattform vergleichbar. daura selbst wird sich immer auf den Primärmarkt fokussieren. Wir sind allerdings im Gespräch mit verschiedenen Partnern für den Sekundärmarkt, um in unserem Ökosystem auch den Handel anbieten zu können.

Was bedeutet dies für den ausserbörslichen Aktienhandel mit nicht kotierten Schweizer Aktien?

Er könnte eines Tages durch den Handel mit «Equity Token» ersetzt werden. Ich erwarte allerdings, dass der Handel dann erst richtig aufblühen wird. Denn je mehr «Micro Equity» es gibt und je geringer die Transaktionskosten sind, desto interessanter wird der Markt für Anleger, die in lokale KMU investieren möchten. Eine grössere Liquidität wird auch das Investoreninteresse verstärken.

Es gibt in der Schweiz weitere Projekte, wie beispielsweise Swiss Digital Exchange der SIX Group oder das Start-up Alethena. Wie unterscheiden sich diese Projekte von daura?

daura hat bewusst den Weg eines offenen Ökosystems gewählt. Wir wenden uns an viele Investoren, bieten die Dienste einer Vielzahl Unternehmen an und sind auch offen für Kooperationen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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