BLS: Schwere Zeiten für das zweitgrösste Schweizer Bahnunternehmen

Coronakrise, Subventions- und Umweltskandal belasten

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Die BLS AG gehört zu 55.75% dem Kanton Bern und zu 21.7% dem Bund. Ein Zug der BLS überquert die Lorrainebrücke in Bern. Bild: www.bls.ch

Die Aktien der BLS AG fristen auf der Handelsplattform OTC-X der BEKB ein eher stiefmütterliches Dasein. Das ist auch nicht verwunderlich, denn das Bahn- und Tourismusunternehmen gehört mehrheitlich dem Kanton Bern (55.75%) und dem Bund (21.7%). Andere Kantone, wie der Kanton Wallis, besitzen zusammen nochmals 7.44%. Die übrigen Aktien sind breit gestreut. Einige davon werden ausserbörslich gehandelt. Allerdings wechseln nur selten Titel den Besitzer.

Aufgrund der klaren Eigentumsverhältnisse, der hohen Abhängigkeit von Abgeltung der öffentlichen Hand und der vergeblichen Versuche einiger Kleinaktionäre in früheren Jahren, einen «Marktwert» für ihre Aktien zu ergattern, liegt die Bewertung der Titel schon immer weit unter dem Buchwert, ja sogar deutlich unter dem Nominalwert von 1 CHF: Regelmässig dümpelte der Aktienkurs zwischen 45 und 60 Rappen hin und her. Die Coronakrise brachte den Kurs weiter ins Rutschen. Seit Jahresbeginn hat das Papier um über 50% an Wert verloren. Zuletzt wechselten Aktien zu 30 Rappen den Besitzer. Die Marktkapitalisierung erreicht nicht einmal mehr 20 Mio. CHF.

Die Coronakrise hat auch den BLS-Aktienkurs einbrechen lassen. Chart: otc-x.ch

Die Coronakrise ist nur ein Problem von vielen

Im Sommer sprach das Unternehmen von einem coronabedingtem Verlust in Höhe von 40 Mio. CHF alleine im Regionalverkehr. Auch in der Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee erwartete das Unternehmen schon im Sommer Verluste von über 6 Mio. CHF. Auch wenn sich in den Sommermonaten das Geschäft wieder erholt haben dürfte, so wird der Lockdown light im Kanton Bern seit Mitte Oktober das Verlustloch weiter vergrössern. Stopfen dürfte es wohl der Steuerzahler mit den Zuschüssen für den öffentlichen Verkehr. Zum Vergleich: 2019 erzielte das zweitgrösste Bahnunternehmen der Schweiz bei einem Umsatz von 1.195 Mrd. CHF noch einen Gewinn von 13.5 Mio. CHF.

Die Kursentwicklung gibt allerdings nicht nur den operativ schwachen Geschäftsverlauf wieder, der sich in diesem Jahr aufgrund von Corona abzeichnet. Er ist auch Abbild der Pleiten, Pech und Pannen, in welche das 3414 Mitarbeitende zählende Unternehmen in jüngster Zeit geraten ist. Denn Corona ist nur eine Herausforderung von vielen, mit dem das Bahnunternehmen zu kämpfen hat.

Die Liste mit den Problemen der jüngsten Vergangenheit führt ein ambitiöses IT-Projekt an. Das Softwareprojekt, mit dem der Einsatz von Personal und Rollmaterial hätte effizienter geplant werden sollen, wurde im Spätsommer 2019 gestoppt. Es erwies sich als zu komplex. Die BLS-Führung beschloss, das Projekt schliesslich ganz abzubrechen: Mehr als 20 Mio. CHF mussten abgeschrieben werden.

Schifffahrt seit Jahren defizitär

Nie richtig auf Touren gekommen ist in den vergangenen Jahren auch der Geschäftsbereich BLS Schifffahrt. Schon 2012 erzielte die aus Motor- und Dampfschiffen bestehende Schiffsflotte einen Verlust von 2.3 Mio. CHF. Dies änderte sich auch in den darauffolgenden Jahren nicht. Sogar während des Tourismus-Booms in der Jungfrauregion vor der Coronakrise schaffte es der Schifffahrtsbereich des Unternehmens nicht wirklich aus der Verlustzone. 2019 resultierte zwar ein knapper Gewinn von 0.1 Mio. CHF. Allerdings wurde noch im Vorjahr ein happiger Verlust von 6.6 Mio. CHF ausgewiesen, der u.a. auch auf ausserordentliche Wertberichtigungen zurückzuführen war. Ganz im Gegensatz zur BLS Schifffahrt vermeldete die auf dem Vierwaldstättersee tätige SGV-Gruppe in den letzten zwei Jahren Rekordergebnisse.

Für das «Sorgenkind» Schifffahrt riss der Verwaltungsrat der BLS schliesslich 2018 das Ruder herum. Die Aktivitäten sollten 2020 in eine eigene Tochtergesellschaft ausgelagert werden: Ab 2021 war geplant, dass sich die Schifffahrts-Tochter dann aus eigener Kraft mit einer Fokussierung auf die Kursschifffahrt weiterentwickeln kann. Doch Corona machte dem Unternehmen einen Strich durch die Rechnung. Statt schwarzen Zahlen drohen nun Millionenverluste.

Strafanzeige wegen zu hoher Subventionen

Ende Februar dieses Jahres mussten die Bähnler eingestehen, dass sie ebenso wie die Kollegen bei der Postauto AG, zu Unrecht Subventionen bezogen haben. Von knapp 44 Mio. CHF war die Rede, die zurückbezahlt werden müssen. Im September nahm schliesslich CEO Bernard Guillelmon nach zwölf Jahren den Hut. Noch vor zwei Jahren hatte er dafür gekämpft, dass die SBB ihr Monopol im Fernverkehr aufgeben soll. Schliesslich konnte er der grossen Schwester zwei Bahnstrecken im Fernverkehr abjagen. Mehr Wettbewerb sollte in diesem Bereich, in dem die Bahnbetreiber Gewinne erwirtschaften können, zu einem besseren Angebot verhelfen.

Doch der Subventionsskandal war mit dem Rücktritt von Guillelmon noch nicht ausgestanden. Nur wenige Wochen, nachdem auch der Verwaltungsratspräsident Rudolf Stämpfli aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zur Verfügung stellte, wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verkehr (BAV) Strafanzeige wegen Betrugs gegen unbekannt oder ganz allgemein die handelnden Organe und Personen eingereicht hat. Offenbar sind im Zusammenhang mit den Subventionen auch Dokumente gefälscht worden. Damit hat die Krise bei der BLS einen weiteren Höhepunkt erreicht.

Umweltskandal und explodierende Kosten am Lötschberg-Scheiteltunnel

Dabei wäre dem von der Corona-Pandemie gebeutelten, zweitgrössten Schweizer Bahnunternehmen durchaus eine Ruhepause zu gönnen gewesen. Denn im Sommer musste sich das Unternehmen mit Problemen beim Bau des Lötschberg-Scheiteltunnels auseinandersetzen. Recherchen der SRF Rundschau und von Tamedia-Zeitungen hatten ergeben, dass alter Schotter aus dem Eisenbahntunnel in einem Steinbruch im Berner Oberland illegal zwischengelagert wurde. Möglicherweise haben die illegalen Ablagerungen zu einer Verunreinigung des Grundwassers und damit zu Fischsterben im nah gelegenen Naturparadies Blausee geführt. Eine Strafanzeige gegen unbekannt wurde eingereicht. Ob davon die BLS direkt betroffen sein könnte, ist daher unklar.

Mangelnde Kontroll- und Überwachungsmechanismen

Klar ist hingegen, dass sich die BLS Netz AG, eine 33.4%ige Tochter der BLS AG, an der auch der Bund mit 50.05% beteiligt ist, bei der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels massiv verkalkuliert hat. Das für das Projekt zuständige Bauunternehmen Marti AG konnte dank einer sehr vorteilhaften Klausel im Werkvertrag nun nachverhandeln und erhält 41 Mio. CHF mehr als ursprünglich offeriert . Statt 89 Mio. CHF wird die Sanierung nun 130 Mio. CHF kosten. Insgesamt summieren sich die Kosten für die Sanierung des Tunnels dann auf 145 CHF statt auf 105 Mio. CHF. Ausserdem wird eine 1.3 Kilometer lange Doppelspur vor dem Südportal vorerst nicht saniert. Dass eine für die BLS und am Ende für den Steuerzahler ungünstige Einigungssituation überhaupt entstanden ist, ist auch auf Fehler bei der BLS zurückzuführen. Das Bauunternehmen Marti machte eine fehlerhafte Ausschreibung für die unzureichende Offerte verantwortlich.

Auch im Zusammenhang mit der Untersuchung des Subventionsskandals taucht Kritik an den Prozessen innerhalb der BLS auf. So ist dort von mangelhaften Kontroll- und Überwachungsmechanismen die Rede. Gut möglich, dass es in dem Unternehmen insgesamt an geeigneten Kontroll- und Führungsinstrumenten fehlt und die vielfältigen Probleme das Resultat davon sind.

Fazit

Angesichts dieser jüngsten Pleiten-, Pech- und Pannenserie scheint es wenig überraschend, dass nun auch die Debatte über die Zukunft des zweitgrössten Bahnunternehmens der Schweiz wieder angestossen wird. Schon vor einem Jahr startete der mittlerweile zurückgetretene SBB-Chef Andreas Meyer den Versuch, die BLS AG zu übernehmen. Allerdings trat die Berner Kantonsregierung als Mehrheitsaktionär nicht darauf ein. Es würde jedoch wenig überraschen, wenn dieses Thema angesichts der massiven Herausforderungen für die ÖV-Betriebe allgemein, die durch die Coronakrise entstanden sind, und die vielen hauseigenen Probleme der BLS nicht doch noch einmal auf den Tisch käme.

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