Patiswiss: Expansion statt Depression

Mit Produktinnovationen und Internationalisierung ins neue Jahr

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Es hätte im Corona- und Lockdown-Jahr 2020 schlimmer kommen können für Patiswiss. Wurde im Aktionärsbrief vom Juni 2020 noch mit einem Umsatzrückgang von bis zu 20% für das Gesamtjahr gerechnet, so informierte der zweite Aktionärsbrief in der Adventszeit, dass es „definitiv“ besser als zunächst befürchtet aussieht. Dank Kostendisziplin und zusätzlichen, nicht budgetierten Umsätzen ist nun ein „akzeptables Resultat“ für 2020 zu erwarten.

In dem Aktionärsbrief heben Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hervor, dass die Realisierung vieler Projekte in der pandemiegeprägten Ausgangslage vor allem dem grossen Einsatz der Mitarbeitenden zu verdanken ist. So wurde die Übernahme der Dragée-Produktions- und Verpackungsanlagen von Gysi AG Chocolatier Suisse innerhalb kurzer Zeit durchgeführt. Die Anlagen sind am Patiswiss-Standort bereits seit August wieder voll ausgelastet, der Kundenstamm wird vollumfänglich weiter beliefert.

Gysi-Übernahme erfolgreich integriert

Die Übernahme macht Sinn und erweitert die Produktpalette. Dazu kommt eine Verbesserung des Distributionsnetzes, denn nun werden auch Handelsmarken produziert, die den Zugang zum Detailhandel ausweiten. Der Produkt-Mix ist verbreitert, und innovative Rezepturen aus der Patiswiss-Manufaktur dürften zukünftig für neue Impulse sorgen.

Nussmesan – Innovation für die Küche
Nussmesan ist als Ersatzprodukt für Parmesan-Käse sehr gefragt. Bild: Chopf -Nuss

Eine solche eher unerwartete Innovation aus der Entwicklungsabteilung von Patiswiss erschliesst einen potenziell grossen und wachsenden Markt ausserhalb des etablierten Confiseriegeschäfts: ein pflanzenbasierter Ersatz für Reibkäse wie Parmesan. Es ist das erste Produkt des neuen Geschäftsbereichs NEESE (Not Cheese) und wird aus gewürzten und geriebenen Cashewnüssen und Mandeln hergestellt. Die bisherige Entwicklung liegt über den Erwartungen. Seit dem Frühjahr ist der „Nussmesan“ in annähernd 400 Coop-Filialen im Angebot. Weitere Produkte sind in der Entwicklung. Deshalb wird auch eine internationale Expansionsoffensive geplant. Hierzu wurde eine Tochtergesellschaft in Konstanz gegründet, die im Januar 2021 ihre Aktivitäten aufnimmt. Ziel ist zunächst der europäische Markt.

Veränderung der Ernährungsgewohnheiten als Mega-Trend

Was bei oberflächlicher Betrachtung an diesem Schritt nicht unbedingt sofort klar vor Augen steht, ist der grosse Trend, der dahintersteht. Die Ressourcen des Planeten sind angesichts des Bevölkerungswachstums bereits überstrapaziert. Viehhaltung und Landwirtschaft sind wesentliche Gründe für den Artenschwund und den Verlust von naturbelassenen Regionen. Der Ersatz von Fleisch und anderen tierischen Produkten durch pflanzenbasierte Nahrungsmittel ist eine der wichtigsten Stellschrauben, um den weiteren Verlust von Habitaten zu vermeiden. Der erfolgreiche Börsengang von Beyond Meat im zweiten Quartal 2019 an der Nasdaq und die nachfolgende starke Performance haben den Anlegern das Potenzial veganer Nahrungsmittel als Teil der Lösung deutlich gemacht. Solche innovative und alternative Nahrungsmittelprodukte können durchaus Transformationsprozesse beflügeln, wie die Kooperation von Beyond Meat mit McDonalds zeigen kann.

Kursverlauf der an der Nasdaq gehandelten Beyond-Meat-Aktie in USD.

Mit Blick auf 2021 bleiben die Marktbedingungen zunächst von der Pandemie und den beschlossenen Massnahmen bestimmt. Ende Januar wird bei Patiswiss entschieden, ob die GV am 10. Mai als Präsenzveranstaltung oder ausschliesslich auf schriftlichem Weg via Stimmrechtsvertreter abgehalten werden wird. Mit Einschränkungen der Geschäftstätigkeiten wird bis Mitte Jahr gerechnet.

Fazit

Die auf OTC-X gehandelte Patiswiss-Aktie hat das Jahr 2020 ohne Blessuren überstanden. Der Geldkurs lag zum Jahresultimo um gerade 2,9% unter dem Stand Anfang 2020. Damit bewegt sich die Aktie seit gut zweieinhalb Jahren oberhalb der 500-CHF-Linie. Die Bewertungskennzahlen haben sich durch den guten Jahresabschluss 2019 deutlich verbessert. Das EV/EBITDA-Verhältnis ist von 17,1 auf 13,8 gefallen. Die Dividende wurde um 0.50 CHF auf 8 CHF je Aktie angehoben. Ein pandemiebedingtes schwächeres Ergebnis in 2020 dürfte am Markt wohl toleriert werden, denn die Aktienumsätze und die Anzahl der Abschlüsse sind gegenüber dem Vorjahr klar angestiegen. Auf der Briefseite ist inzwischen selten ein Angebot zu finden. Die über 500 Aktionäre sind gut informiert und wissen um die aggressive Abschreibungspraxis. So liegt der Brandversicherungswert bei 24.4 Mio. CHF, die Market Cap aber nur bei 17.1 Mio. CHF.

Viel Fantasie bietet die Internationalisierungsstrategie, denn im Heimatmarkt Schweiz wird es durch die Konsolidierung in der Gastronomie, bei Bäckerei- und Confiseriebetrieben sowie in der Süsswarenindustrie zunehmend eng für Patiswiss, die sich ja nicht an Endkunden, sondern nur an Gewerbetreibende und Industrie wendet. Aufgrund der zahlreichen Zertifizierungen bieten die benachbarten EU-Länder, aber auch die USA und andere ungleich grössere Märkte viel Expansionspotenzial für zertifizierte Confiserie-Produkte made in Switzerland – und nun eben auch Nussmesan. In den vergangenen Jahren lag die Exportquote lediglich im mittleren einstelligen Prozentbereich.

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