AZ Medien: Die Familie Wanner will ihre Kleinaktionäre loswerden

2020 macht das Medienunternehmen 10.1 Mio. CHF Gewinn

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Der Strukturwandel und die Corona-Krise machen den Schweizer Medienunternehmen zu schaffen. Einer der vier grossen Player in der Konsolidierung ist die AZ Medien-Gruppe in Baden. Vor sieben Jahren startete das Unternehmen mit dem Newsportal watson ein riskantes Venture, um den Anschluss an die digitalen Medienangebote nicht zu verlieren. Gleichzeitig wurde in neue Druckmaschinen investiert. Auch im Bereich Bewegtbild wollten die Badener mitmischen und kauften kurzerhand eine Reihe von regionalen und überregionalen TV-Sendern auf.

CH Media und watson als grösste Assets
Mit dem Slogan „Haltung zeigen – watson lesen“, wirbt das zur AZ Medien AG gehörende Newsportal, das 2020 erstmals schwarze Zahlen geschrieben hat. Bild: schweizeraktien.net

Doch der ganz grosse Coup gelang Ende 2017: Verleger Peter Wanner fand mit Etienne Jornod, dem VR-Präsidenten der AG für die Neue Zürcher Zeitung, einen Partner. Jornod suchte eine Lösung für seine Regionalblätter St. Galler Tagblatt und LZ Medien. Und Wanner brauchte einen Plan, um mit seiner Aargauer Zeitung sowie dem Sonntagsblatt «Schweiz am Wochenende» in der Schweizer Zeitungslandschaft neben Tamedia noch eine wichtige Rolle spielen zu können. Flugs gründeten die beiden das Konstrukt CH Media, in das sämtliche Zeitungstitel, die Fachverlage und die regionalen TV- und Radiosender eingebracht wurden. Seither halten die AG für die NZZ über ihre Tochter Regionalmedienholding (RMH) und AZ Medien je 50% an der CH Media AG. Die CH Media AG, die Watson-Muttergesellschaft Fixxpunkt AG sowie einige Immobilien verblieben nach der Transaktion als die grössten Assets in der AZ Medien AG.

Familie Wanner bietet 1’200 CHF je Aktie

Nun will Verleger Peter Wanner die über 500 Kleinaktionäre der AZ Medien loswerden. Seine BT Holding, die nach eigenen Angaben 91.5% der AZ Medien-Aktien besitzt, bietet einen Preis von 1’200 CHF je Aktie. In einem Interview mit dem Branchendienst persoenlich preist Wanner das Angebot an und sagt, dass seine Familie «aus Verbundenheit mit den Aktionären» bereit sei, etwas mehr zu zahlen als die 1’071 CHF, die die Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young als «fairen Wert» errechnet haben. Wanner schiebt auch gleich eine sanfte Drohung hinterher: Wenn sich jemand weigere, seine AZ Medien-Aktien der BT Holding AG zu 1’200 CHF zu verkaufen, werde der Verwaltungsrat an der Generalversammlung eine Barabfindungsfusion beantragen. Nicht verkaufswillige Aktionäre erhielten dann nur die 1’071 CHF, die Ernst&Young errechnet habe – 129 CHF weniger.

Freie Bahn für die nächste Verleger-Generation

Juristisch ist dies alles korrekt. Da es sich bei der AZ Medien AG nicht um eine börsenkotierte Gesellschaft handelt, reichen die 90% der Aktien aus, um eine sogenannte «Absorptionsfusion» durchzuführen. Die Familie Wanner kann also ihre Minderheitsaktionäre auf diesem Weg aus dem Aktionariat hinausdrängen. Als Grund für die Massnahme nennt Wanner die Nachfolgeregelung in seinem Unternehmen. Seine Kinder Michael, Anna und Florian sind bereits für die AZ Medien-Gruppe tätig und auch im Verwaltungsrat vertreten. «Wir erhöhen die unternehmerische Handlungsfreiheit und Agilität, die in diesen anspruchsvollen Zeiten besonders wichtig sind», begründet er den Schritt. Zudem schaffe der Rückkauf klarere Verhältnisse im Hinblick auf den anstehenden Übergang des Unternehmens zur fünften Generation, so Peter Wanner im persoenlich-Interview.

Seit vier Jahren keine Dividenden
Mit den Aktien der AZ Medien war in den letzten Jahren nichts zu verdienen. Chart: otc-x.ch

Doch ist das Ganze den Minderheitsaktionären gegenüber auch fair? Immerhin mussten diese in den letzten Jahren das Risiko des Um- und Ausbaus der AZ Medien mittragen und seit 2017 auf Dividendenzahlungen verzichten. Auch für 2020 wird es keine Ausschüttung geben. Der Aktienkurs der auf OTC-X gehandelten Aktien befindet sich auf einem Fünfjahrestief. Jetzt, wo sich die Investitionen der Gruppe offenbar auszuzahlen beginnen, sollen die Minderheitsaktionäre nicht mehr dabei sein. Nach ersten Angaben der AZ Medien – der Geschäftsbericht für 2020 liegt noch nicht vor – betrug der Umsatz 233 Mio. CHF, und unter dem Strich konnte trotz Corona-Pandemie noch ein Gewinn von 10.1 Mio. CHF erzielt werden. Sparmassnahmen, Kurzarbeitsentschädigung und die Mediennothilfe des Bundes haben das Resultat gerettet. Ebenso heisst es, dass watson die Werbeerträge habe «massiv steigern» können und erstmals schwarze Zahlen erzielt habe.

Keine Details zum Bewertungsgutachten

schweizeraktien.net hat daher nach den Details zur Unternehmensbewertung bei Michael Wanner nachgefragt. Da zeigt sich das Medienunternehmen jedoch sehr zugeknöpft. «Das Bewertungsgutachten von Ernst & Young wurde vor dem Hintergrund und zu Zwecken einer möglichen Abfindungsfusion erstellt, weshalb der Verwaltungsrat der AZ Medien AG beschlossen hat, dass dieses Gutachten nicht an Dritte abgegeben werden kann», lässt Finanzchef Markus Müller auf Anfrage verlauten. Noch so viel teilt der CFO mit: «Die Bewertung der AZ Medien AG resp. einer AZM-Aktie per 1. Januar 2021 basiert auf einer Sum-of-the-Parts-Betrachtung, d.h. die Summe der fairen Marktwerte der einzelnen Beteiligungen, unter Berücksichtigung der Kosten der Holding und verbleibenden Nettoaktiven sowie von ausserbilanziellen Risiken aus Aktionärsbindungsverträgen. Die Bewertung der einzelnen Beteiligungen CH Media und FixxPunkt / watson basiert jeweils auf einer DCF-Bewertung, welcher die aktuell gültigen Budgets und Mittelfristplanungen zugrunde liegen.» Das bietet sehr viel Interpretationsspielraum.

Steuerwert ohne Zusammenhang mit Unternehmenswert?

Auf den Hinweis, dass der Steuerwert einer AZ Medien-Aktie per Ende 2020 auf 1’150 CHF festgelegt wurde und damit über dem von den EY-Experten berechneten Wert liegt, meint Müller in einer e-Mail: «Ein von der Steuerbehörde festgelegter Wert beruht auf der Vergangenheit und hat keinerlei Zusammenhang mit einer effektiven Unternehmensbewertung». Auch dieses Argument lässt aufhorchen. Soll der Steuerwert keinen Zusammenhang mit einer effektiven Unternehmensbewertung haben? Dieser errechnet sich allerdings bei nicht kotierten Aktien gemäss einem Dokument der Schweizerischen Steuerkonferenz aus Ertrags- und Substanzwert. In einigen Fällen orientieren sich die Steuerverwaltungen  allerdings auch an den Kurse, die ausserbörslich für die Aktie bezahlt werden. Denn bei börsenkotierten Gesellschaften ist der letzte Kurs am letzten Handelstag massgeblich für den Steuerwert. Ganz zusammenhanglos mit der effektiven Unternehmensbewertung scheint der Steuerwert dann doch nicht zu sein.

Interessant ist zudem das Argument, der Wert beruhe auf der Vergangenheit. Die Konklusion im Falle der AZ Medien müsste lauten, dass die Gesellschaft in der Vergangenheit mehr wert war, als sie es in Zukunft sein wird. Angesichts der Tatsache, dass watson nun die Gewinnschwelle erreicht hat, klingt dieses Argument nicht gerade überzeugend. Zudem sagt Peter Wanner, dass sich der Werbemarkt erholen werde, wenn die Covid-Krise ausgestanden sei. Doch von dem möglichen Aufschwung des Werbemarktes können die Minderheitsaktionäre der AZ Medien dann nicht mehr profitieren. Sie wurden dann zu tiefen Preise ausgekauft.

Fazit

Es ist zu begrüssen, dass die Familie Wanner in der Vergangenheit den unternehmerischen Mut besass, in neue Produkte wie watson zu investieren. Ebenso ist es zu begrüssen, dass die nächste Generation der Verlegerfamilie Verantwortung übernimmt und die AZ Medien-Gruppe in die Zukunft führen möchte, statt den Verlag an ein grösseres Medienunternehmen oder einen Finanzinvestor zu verkaufen. Begrüssenswert ist es auch, dass die junge Verlegergeneration weiter auf Publizistik und vor allem regionale Inhalte setzen möchte.

Allerdings ist es schade, dass die loyalen rund 500 Minderheitsaktionäre nun abgefunden und aus dem Unternehmen herausgedrängt werden, nachdem sie der AZ Medien viele Jahre auch in schwierigen Zeiten die Treue gehalten und auch auf Dividenden verzichtet haben. Ob ein Preis von 1’200 CHF für eine Aktie nun „fair“ ist, lässt sich ebenfalls schwer beurteilen, da das Gutachten von EY offenbar unter Verschluss bleibt. Auch eine Second Opinion soll nicht eingeholt werden. 

Bei einem Kaufpreis von 1’200 CHF je Aktie beträgt die Marktkapitalisierung für die gesamte AZ Medien AG gerade einmal 90.72 Mio. CHF. Die Familie Wanner zahlt also für die ausstehenden Anteile nur das 9fache des für 2020 ausgewiesenen Jahresgewinnes von 10.1 Mio. CHF  oder knapp 40% des Umsatzes. Digitale Medienfirmen, zu denen auch watson gehört, werden von Investoren oftmals mit einem Vielfachen der Umsätze bewertet, ohne dass die Unternehmen bereits Gewinne ausweisen.

Gut möglich, dass der Aktienkauf auch nur ein nächster Konsolidierungs-Schritt in der Schweizer Medienlandschaft ist: Denn nach zehn Jahren hat AZ Medien die Option, weitere Anteile an dem Joint Venture CH Media von der NZZ Mediengruppe zu erwerben. Unter gewissen Bedingungen kann auch die NZZ ihren CH-Media-Anteil an die AZ Medien verkaufen. Es ist daher gut möglich, dass dieser Schritt schon früher erfolgt.

Zuletzt wurden auf der Handelsplattform OTC-X der BEKB 1’210 CHF für eine AZ Medien-Aktie gezahlt.

1 Kommentar

  1. Endlich jemand der sich dem Thema mal annimmt. Entspricht genau meinen Gedanken nur viel präziser und ausführlicher aufs Papier gebracht. Danke.
    Zudem ist es kein Geheimnis, dass Wanner über Jahre Aktien zurückgekauft hat zu höheren Preisen. Die treuen Aktionäre/innen, welche auch in schwierigen Zeit dem Unternehmen zur Seite gestanden sind, werden nun mit einem relativ tiefen Preis „abgespeist“.
    Schade…
    Sohn einer Kleinaktionärin, die die GV auf Schloss Lenzburg mehr als vermissen wird

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