SKAN Group: Börsengang unter besten Vorzeichen?

Ambitionierte IPO-Bewertung von über 1 Mrd. CHF

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Die Zeichnungsfrist für das IPO der SKAN Group läuft und endet voraussichtlich am 26. Oktober. Erster Handelstag soll der 28. Oktober sein. Zu hören war schon, dass die Zeichnungen bereits am ersten Tag der Zeichnungsperiode für das gesamte Angebot ausgereicht haben. Wie ist das IPO zu bewerten?

Die Expertise in der aseptischen Abfüllung von biopharmazeutischen Produkten reicht bei der SKAN Group weit zurück. Doch erst der Ausbruch der Covid-Pandemie hat den neuen Investitionszyklus der Life Sciences-Unternehmen kräftig beschleunigt. Die in den vergangenen Jahrzehnten vorherrschende Reinraumtechnik mit ihren Modulen von unterschiedlichen Herstellern ist teils schwer kompatibel und zu wenig flexibel, um die sich wandelnden Anforderungen vollständig zu erfüllen. Die Innovation der Isolatoren ermöglicht die integrierte aseptische Produktion einer Vielzahl von fortgeschrittenen medizinischen Therapeutika. Es handelt sich um komplexe Prozesse, die u.a. das Anlegen von Zellkulturen, die Aktivierung von T-Zellen, die Zentrifugierung und Aufreinigung beinhalten können.

Die SKAN Group verfügt über eine langjährige Expertise in der aseptischen Abfüllung. Bild: skan.com
Investitionsboom

Die Migration der forschenden Arzneimittelhersteller zu den Isolatoren ist einer der Wachstumstreiber für die SKAN Group. Ein weiterer ist die Evolution der personalisierten Medizin. Zell- und Gentherapien sind auf dem Vormarsch. Auf mittlere Sicht werden diese zu 75% als Injektion verabreicht. Wer bei diesem Geschäft vorne mit dabei sein will, muss in die neueste und beste Technologie investieren. Der Lebenszyklus in der Reinraumtechnik reicht bis zu 20 Jahre.

Wachstumstreiber

Die rasche Ausbreitung des Covid-Virus hat die Welt unvorbereitet getroffen. Die meisten Big Pharma-Unternehmen hatten sich längst vom Impfstoffgeschäft verabschiedet. Positiv war die unerwartet schnelle Entwicklung von mRNA-basierten Vakzinen, doch die Produktion, um damit die ganze Weltbevölkerung zu impfen, ist bislang unzureichend. Genau diese Entwicklung hat dem globalen Marktführer SKAN Group hohe und steigende Aufträge beschert. Nicht nur von Pharma- und Biotech-Unternehmen, sondern auch von Contract Manufacturing Unternehmen, an die Produktion, Abfüllung und Distribution zunehmend ausgelagert werden. Das ist ein weiterer Wachstumstreiber, auch mit Blick auf die stärker nachgefragten Services der SKAN Group. Die machen bereits 23% des Umsatzes aus. Dazu zählen auch die Durchführung wissenschaftlicher Studien, End-of-Life Service, d.h. sachgerechter Abbau sowie Verwertung und Entsorgung von Altanlagen, und digitale Lösungen.

Die Umsätze der SKAN Group verteilen sich vor allem auf Europa und den amerikanischen Kontinent. Abb: Unternehmenspräsentation SKAN Group
Wachstumsknick

In den letzten drei Jahren hatten die Wachstumsraten durchschnittlich 30% betragen. Für 2021 wird jedoch ein Umsatzwachstum von 9% bis 11% prognostiziert. In den Folgejahren soll die jährliche Wachstumsrate in den höheren Teen-Bereich ansteigen. Gründe für den Knick sind die Abarbeitung des Auftragsbestandes – die Produktion ist komplex – sowie die Beendigung einer zuvor übernommenen Aktivität, da die Erwartungen nicht erfüllt wurden.

Finanzkennzahlen

Im ersten Halbjahr 2021 wurde ein Umsatz von 102 Mio. CHF erzielt. Für das Gesamtjahr sind rund 230 Mio. CHF zu erwarten. Das EBITDA im ersten Semester belief sich auf 13.3 Mio. CHF. Es ist rückläufig wegen hohen Investitionen, steigenden R&D Aufwendungen und dem Personalaufbau. Das EBIT erreichte 10.2 Mio. CHF, eine Marge von 10,1%. Das bereinigte EBIT beträgt 12.5 Mio. CHF. Somit errechnet sich für die IPO-Bewertung ein KUV 2021 von über 4. Das ist nicht gerade günstig, aber im Healthcare-Sektor für Unternehmen mit spezieller Expertise, die von tiefen Burggräben umgeben sind ist das nicht nur normal, sondern sogar günstig. Immerhin lag die organische Wachstumsrate, also ohne Akquisitionen, in den letzten Jahren bei beachtlichen 23,6%.

Bewertung von Healthcare-Spezialisten

Rechnet man die Sondereffekte wie die Kosten des IPOs, der Investitionsoffensive und des Personalaufbaus heraus, könnte die Nettogewinnmarge in den kommenden Jahren 10% erreichen oder übersteigen. Das „normalisierte“ KGV liegt somit bei 40. Auch das ist augenscheinlich hoch, doch im Healthcare-Universum keine Seltenheit – eben, weil die Markteintrittsbarrieren hoch sind und Spezialisten mit sowohl hohen Wachstumsraten als auch hohen Margen in den Augen des Marktes die hohen Bewertungen verdienen. Medtronic weist ein KUV von 5,5 und ein KGV von 45 auf, Intuitive Surgical ein KUV von 27 und ein KGV von 120.

Spezifische Risiken

Die Kernfrage ist angesichts der ambitionierten Bewertung daher, ob die SKAN Group die Erwartungen hinsichtlich Wachstum- und Gewinnentwicklung erfüllen können wird. Hält die Dynamik der Nachfrage bei den Life Sciences-Unternehmen langfristig an? Kann es sich um einen einmaligen Covid-Effekt handeln, der bald wieder abebbt? Und wird es nicht mehr Wettbewerber geben in solch einem lukrativen Geschäftsfeld? Das sind nur einige der Risiken, mit denen sich potenzielle Erstzeichner befassen müssen. Der Emissionsprospekt führt viele Risiken an, von denen jedoch die meisten allgemeiner Natur sind. Spezifisch ist dagegen, dass Unternehmen in Niedriglohnländern auf längere Sicht zu ernstzunehmenden Wettbewerbern erwachsen können. In diesen Risiko-Komplex gehört auch die Durchsetzung von IP-Ansprüchen, die in manchen Ländern nicht gelingen kann.

Ebenso Cyber-Security Risiken. Wer wertvolles Know-how besitzt, muss zwangsläufig damit rechnen zum Ziel von Hacking und Cyber-Spionage zu werden. Das Unternehmen weist auch darauf hin, dass Versicherungen von Risiken unzureichend oder nicht verfügbar sein können. Es kann auch negativ von Engpässen wie aktuell dem Chipmangel betroffen sein. Das gilt für die gesamte Beschaffung von Materialien und Komponenten sowie Fachkräfte. Dadurch kann der Geschäftsgang gestört und verzögert werden. Zu den explizit genannten Risiken zählen auch die aktuellen Preissteigerungen und höhere Lohnkosten. Nicht zuletzt ist das Unternehmen in den verschiedenen Jurisdiktionen unterschiedlichen Gesetzen unterworfen, wie in der Schweiz u.a. dem Strahlenschutzgesetz, der Maschinenverordnung und dem Elektromagnetischen Verträglichkeitsgesetz.

Effizienzgewinne durch Künstliche Intelligenz

Allein die Dokumentation verschlingt bisher rund 30% der Arbeitszeit. Durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz soll dieser hohe Anteil drastisch reduziert werden, was aufgrund der Fortschritte der Technologie inzwischen nicht mehr zu Lasten der Sicherheit gehen muss. Darin liegt für die SKAN Group ein weiterer Hebel, um sowohl die Effizienz zu steigern als auch den Burggraben zu den Wettbewerbern noch tiefer und breiter zu gestalten.

IPO-Details

Das IPO zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Die heutige SKAN Group entstand aus einem Quasi-Merger mit der BV Holding. Die Details der Transaktionsstruktur sind in der untenstehenden Grafik verdeutlicht. Zur Zeichnung angeboten werden 4.813 961 Mio. Aktien. Aus einer Kapitalerhöhung stammen davon 2.045 455 Mio. Aktien. Dieser Teilerlös fliesst der Gesellschaft zu und wird nach Abzug der üblichen IPO-Kosten bis zu 83.9 Mio. CHF betragen. Weitere 2.768 506 Mio. Aktien stammen von den Altaktionären, vornehmlich von Willy Michel. Dazu kommen als Over-Allotment Option weitere 0.5 Mio. Aktien, die von den Altaktionären bereitgestellt werden. Insgesamt sind unter der Annahme, dass alle Aktien platziert werden 22.797 485 Mio. Aktien ausstehend.

Aus der ehemaligen BV Group ist die heutige SKAN Group entstanden. Abb.: Unternehmenspräsentation Skan Group

Opting-up?

Nach dem IPO bleiben 44,3% der Aktien bei den Altaktionären, mit Over-Allotment 42,1%. Der Free-Float beträgt 33,8% respektive 36%. Die verbleibenden Aktien befinden sich bei Aktionären, die jeweils weniger als 3% halten. Einer Lock-up Verpflichtung von 12 Monaten unterliegen Mitglieder von Management und Verwaltungsrat. Die Altaktionäre verpflichten sich zu 18 Monaten. Eine weitere Besonderheit ist die „Opting-up“-Klausel, der zufolge kein öffentliches Kaufangebot bis zu einer Beteiligungsquote von 49% unterbreitet werden muss.

Fazit

Zeichnen oder nichtzeichnen? lautet die Frage. Die Aktie ist vielversprechend, weil das Unternehmen in einem „Sweet Spot“ aktiv ist. Im besten Fall bringt der Wandel hin zur personalisierten Medizin und zu Gen- und Zelltherapien einen langanhaltenden Nachfrageschub für den Marktführer. Danach sieht es nüchtern betrachtet aus. Dann wäre aufgrund des positiven News-Flows und überzeugender Zahlen mit einer starken Performance zu rechnen, selbst wenn die privat gehaltenen Konkurrenten auch an die Börse und in die Offensive gehen oder Wettbewerber in Indien, China, Südkorea und Japan entstehen. Denn es wird dauern, stärker oder überhaupt Fuss im Markt zu fassen.

Die Risiken sind dennoch nicht zu unterschätzen. Insbesondere ist nicht verlässlich prognostizierbar, wie Unterbrechungen der Lieferketten, die Verfügbarkeit kritischer Komponenten, Preissteigerungen und der weitere Verlauf der Covid-Pandemie den Geschäftsverlauf beeinflussen können. Doch die Chancen im gegenwärtigen Anlageumfeld überwiegen. Die Zeichnung der Aktie ist auch im oberen Bereich der Bookbuilding-Spanne von 44 bis 55 CHF empfehlenswert. Am 22. Oktober wurde bekannt, dass die Preisspanne auf 52 bis 55 CHF eingeengt wurde.

Weitere Infos zur SKAN Group finden Sie auch in unserem Beitrag vom 11. Oktober 2021.

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