Haben der Bundesrat, das Parlament und die Vertreter der grossen Verlage nicht damit gerechnet? Offenbar wurde ein «Nein» zur Vorlage zum Mediengesetz nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Denn sonst hätten sich die grossen Verlage und der Verlegerverband, die frühzeitig bei der Politik für mehr Geld lobbyiert hatten, noch mehr ins Zeug gelegt und Fehler, die ihre Glaubwürdigkeit beschädigt haben, vermieden. Der Bundesrat und das Parlament versuchten mit ihrer 151-Mio.-CHF-schweren Vorlage, es beinahe allen Anspruchsgruppen recht zu machen: den kleinen Verlagen auf dem Land, den Grossverlagen, einigen neuen Online-Angeboten. Herausgekommen ist am Ende aber ein «Murks», wie es ein Politiker der Jungen Mitte in einer Arena-Sendung ausdrückte. Oder eine Vorlage, die zu überladen war, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga nach der verlorenen Abstimmung einräumte. Zwar waren sich Parlamentarier und die Lobbyisten der Verlage sicher, einen tragfähigen Kompromiss gezimmert zu haben. Doch auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wurde dabei zu wenig Rücksicht, die berechtigte Kritik von verschiedenen Seiten nicht ernst genommen.
Stattdessen versuchten die Befürworter des Mediengesetzes, die Kritiker in die rechte Ecke zu drängen und mit extremen Corona-Gegnern in einen Topf zu werfen. Dabei gab und gibt es genügend Gründe, diese Vorlage abzulehnen. Dies unabhängig von den eher dem rechtsbürgerlichen Lager zuzuordnenden Initianten des Referendums und den unglücklichen Äusserungen von Ringier-Verlagschef Marc Walder über die Regierungstreue der Redaktionen während der Corona-Pandemie. Denn die vorgeschlagenen Fördermassnahmen waren nicht mehr zeitgemäss, sehr einseitig auf etablierte Unternehmen und Geschäftsmodelle ausgerichtet und berücksichtigten am Schluss auch zu wenig die Bedürfnisse der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger und damit der Medienkonsumenten. Dies zeigen exemplarisch drei Bereiche aus dem gescheiterten Gesetzesentwurf.
Indirekte Presseförderung
Ist es sinnvoll, im Jahr 2022, also mehr als 20 Jahre, nachdem die digitale Transformation die Medienbranche erfasst hat, veraltete Technologien wie den Druck und Vertrieb von Zeitungen zu subventionieren? Wohl eher nicht. Es zeugt vielmehr von Ideenlosigkeit bei Verlegern und auch den Politikern. Medien werden heute zum grossen Teil online konsumiert. Die gute alte «Zeitung», von der im Abstimmungskampf immer wieder gesprochen wurde, hat ausgedient. Ein Blick in öffentliche Verkehrsmittel zeigt: Fast niemand liest dort mehr eine gedruckte «Zeitung».
Hinzu kommt, dass in Zeiten, in denen über die Reduktion von Treibhausgasemissionen diskutiert wird, eine Subventionierung vom Vertrieb gedruckter Medienerzeugnisse völlig im Gegensatz zu den Klimazielen steht. Interessanterweise wurde von keiner Seite der CO2-Fussabdruck der Pressezustellung thematisiert. Die digitale Transformation und die Ökobilanz von traditionellen Presseerzeugnissen sind allein schon zwei gute Gründe, warum eine zusätzliche indirekte Presseförderung abzulehnen war und ist. Immerhin ging es hier um bis zu 70 Mio. CHF pro Jahr über sieben Jahre. Medienkonsumenten, die keine gedruckten Zeitungen mehr konsumieren, würden in diesem Fall mit ihren Steuergeldern eine Dienstleistung bezahlen, die nicht mehr zeitgemäss ist und die sie auch nicht nutzen. Wer zahlt schon gerne für eine Leistung, die er nicht nutzen möchte? Gerade bei der jüngeren Generation dürfte das Argument, gedruckte «Zeitungen» zu subventionieren, auf Unverständnis gestossen sein.
Fehlende Werbeeinnahmen
Immer wieder wurde das Argument ins Spiel gebracht, dass die Werbeeinnahmen zu den grossen Onlineplattformen wie Google oder Facebook gewandert sind. Dies ist zwar richtig. Doch ein anderer Teil der Werbegelder, insbesondere aus den Rubrikeninseraten für Stellen, Immobilien und Autos, floss nicht zu Google und Facebook. Sondern in neue Plattformen der Scout24-Gruppe, Homegate, Ricardo usw. Diese befinden sich nach wie vor im Besitz der grossen Medienhäuser und verdienen gutes Geld. Ende August 2021 schlossen sich TX Group, Ringier und die Mobiliar mit dem Wachstumsinvestor General Atlantic in einem Joint Venture zusammen. Dies mit dem Ziel, das lukrative Kleinanzeigengeschäft im Internet zu einem späteren Zeitpunkt separat an die Börse zu bringen.
Die neue Gesellschaft mit dem Namen Swiss Marketplace Group soll einen Umsatz von 500 Mio. CHF und einen Reingewinn von 150 Mio. CHF erzielen. Konkret handelt es sich hier um Werbegelder, mit denen früher ein Teil des unabhängigen Journalismus in den Printmedienprodukten querfinanziert wurde. Statt weiterhin den Journalismus mit einem Teil der Erträge aus dem lukrativen Inserategeschäft zu finanzieren, hätte nun der Steuerzahler in die Bresche springen müssen. Aus Aktionärssicht zwar ein lukrativer Deal. Aus ordnungspolitischer Sicht hingegen weniger. Schlussendlich haben es die Verlagshäuser auch versäumt, selber neue Geschäftsmodelle zur Finanzierung des Journalismus zu entwickeln. Stattdessen wurden jahrelang die Online-Inhalte verschenkt. Erst in den letzten drei Jahren zogen einige Verlage im Netz eine Paywall hoch und verlangen nun Gebühren von ihren Lesern.
Förderung der Onlinemedien
Mit rund 30 Mio. CHF sollten Online-Medien gefördert werden. Dieser Punkt war bei den Gegnern vor allem wegen der Unabhängigkeit der Medien umstritten. Und in der Tat: Durch die Förderkriterien, welche von der Bundesverwaltung vorgegeben werden sollten, kann die Politik direkt oder indirekt Einfluss auf die Medien nehmen. Zudem wurde bereits im Vorfeld bei der Vorlage der Fehler gemacht, dass nur durch Abonnemente und Mitgliedsbeiträge bezahlte Medien gefördert würden. Gratismedien wären hingegen leer ausgegangen. Allein das Signal, dass «Gratismedien» keinen Qualitätsjournalismus bieten und daher nicht förderungswürdig sind, wertet den Journalismus in kostenfrei verfügbaren Medien ab. Am Ende entscheidet dann doch der Staat, in welche Medienprodukte die Steuergelder fliessen, und nicht der Konsument. Unabhängiger Journalismus sieht anders aus.
Fazit
Es wird nun für die Politik und die Medienunternehmen nicht leicht, eine neue Vorlage zu zimmern. Gespannt darf man auch sein, wie sich die Aktienkurse der zwei grossen Medienhäuser TX Group und AG für die Neue Zürcher Zeitung entwickeln. Beide Unternehmen hätten von dem neuen Gesetz stark profitiert, insbesondere beim Ausbau der indirekten Presseförderung. Die NZZ Mediengruppe zusätzlich über ihre 50%ige Beteiligung an CH Media, die mit ihren Regionalzeitungen sowie mehr als ein Dutzend regionalen TV- und Radiostationen ebenso einen grossen Teil der Fördergelder vereinnahmt hätte. Peter Wanner, Verwaltungsratspräsident der CH Media, hatte schon früh und wohl am lautesten nach den zusätzlichen Geldern gerufen.
Interessant wird nun die Reaktion der Verlagshäuser sein. Denn auch die Annahme des Tabakwerbeverbotes dürfte sich negativ auf die Werbeerlöse in den Medien auswirken. In der Konsequenz müssten die etablierten Verlage wegen der ausbleibenden Fördergelder die Kostenschraube nun deutlich anziehen und das journalistische Angebote weiter ausdünnen. Dies etwa durch Einsparungen auf den Redaktionen und die weitere Reduktion der regionalen Berichterstattung. Es wird auch spannend sein zu sehen, welchen Kompromiss Bundesrat und Parlament – falls überhaupt – nun ausarbeiten.
Eines dürfte klar sein: Das Stimmvolk hat klar gemacht, dass es bei der Umverteilung der Steuergelder in der Medienbranche mehr mitreden möchte. Vielleicht erhält damit der Vorschlag eines Mediengutscheines, bei dem der Konsument direkt entscheiden kann, welches Medium unterstützt werden soll, eine Chance. Das «Nein» ist aber auch eine Quittung für die Arroganz, mit der die grossen Medienunternehmer bei der Vorbereitung der Vorlage und in der Kampagne aufgetreten sind. Und es ist ein klares Signal, dass veraltete Geschäftsmodelle und überholte Strukturen nicht durch staatliche Subventionen aufrechterhalten werden dürfen. Und das ist gut so.