Die Automobilbranche befindet sich seit einigen Jahren in einer Transformation weg von herkömmlichen Verbrennungsmotoren und hin zu alternativen Antriebsarten, insbesondere zu batterieelektrischen Fahrzeugen. Mit einem Absatz von rund 5 Mio. Fahrzeugen im Jahr 2021 stieg der Marktanteil dieser Kategorie auf 6%. In Europa entschieden sich gar 10% der Käufer für ein Auto mit reinem Batterieantrieb. Noch deutlicher zeigt sich die Transformation im Auftragseingang der Zulieferer und Ausrüster der Automobilbranche. Bei der Reishauer Gruppe, Herstellerin von Schleifmaschinen zur Zahnradbearbeitung, kämen aktuell rund drei Viertel der Auftragseingänge aus dem Bereich der Elektromobilität, erklärt Verwaltungsratspräsident Jost Sigrist auf Nachfrage. Mit der Reishauer AG und der deutschen Felsomat GmbH & Co. KG profitieren beide Tochtergesellschaften der Gruppe von den hohen Investitionen in die Elektromobilität.
Nachfrage kann wegen angebotsseitigen Problemen nicht gedeckt werden
Die erfolgreiche Bewältigung der Transformation der Branche war aber bei weitem nicht die einzige Herausforderung, die Reishauer im Geschäftsjahr 2021 zu bewältigen hatte. Von der Covid-Pandemie ausgelöste Produktionsstopps bei den Kunden führten auch bei Reishauer zu Jahresbeginn zu tiefen Auftragseingängen, die Mitarbeitenden der Fertigung und Montage am Standort in Wallisellen mussten zeitweise in Kurzarbeit gehen. Während sich die Auftragslage bereits im ersten Quartal wieder spürbar verbesserte, blieben Lieferkettenprobleme, Halbleiterknappheit und die globale Teuerung bestehen. Die Nachfrage nach Automobilen wäre vorhanden, allerdings könne diese angebotsseitig von den Herstellern nicht vollständig abgedeckt werden, erläutert Jost Sigrist. Dies schlage sich auch in den Zahlen der Zulieferer und Ausrüster nieder.
Dennoch verzeichnete die Reishauer AG 2021 Auftragseingänge von 201 Mio. CHF, was den Wert aus dem Vorjahr beinahe verdoppelt und auch über dem Wert von 2019 liegt. Bei Felsomat konnten die Auftragseingänge gegenüber dem Vorjahr um 16% auf 144 Mio. EUR gesteigert werden. Per Ende 2021 belief sich der Auftragsbestand bei Reishauer auf 94 Mio. CHF, jener bei Felsomat auf 159 Mio. EUR. Insbesondere die Fernmärkte USA und China trugen in den letzten Monaten mit hohen Wachstumszahlen zu den Auftragseingängen bei. Gerade in China ist die Lage mit sich teilweise wieder verschärfenden Covid-Restriktionen aber weiter anspruchsvoll. So würde Reishauer gemäss Jost Sigrist zwar ihre Präsenz vor Ort gerne auch mit Schweizer Fachpersonal verstärken, was aktuell aber schlicht nicht möglich sei. Bei der Reishauer AG entfallen 62% der Auftragseingänge auf Asien und 10% auf Nord- und Südamerika, bei Felsomat sind es 30% respektive 11%.
Zufriedenstellendes Ergebnis 2021
In Anbetracht des Umfeldes bezeichnet die Reishauer Gruppe die Geschäftsentwicklung im neusten Geschäftsbericht als zufriedenstellend. Der konsolidierte Gruppenumsatz aus Lieferungen und Leistungen ging um 1% auf 263 Mio. CHF zurück. Gemäss Jost Sigrist sei Reishauer aufgrund der ausserordentlichen Lage teilweise in Vorleistung gegangen, was sich in hohen Bestandszunahmen der fertigen und unfertigen Erzeugnisse niederschlug. Der totale Betriebsertrag liegt folglich mit 301 Mio. CHF um 16% über Vorjahresniveau.
Die weltweiten Preiserhöhungen der Rohmaterialien und Zulieferprodukten hatten einen überproportionalen Anstieg des Betriebsaufwandes um knapp 18% auf 296 Mio. zur Folge. Reishauer kann die höheren Preise nicht vollumfänglich an die Kunden weitergeben, da die Preisentwicklung jegliche Erwartungen überstiegen hat und somit bei Vertragsabschluss nicht in dem Umfang abgesichert wurde. Das betriebliche Ergebnis ging dementsprechend gegenüber dem Vorjahr um 34% zurück auf 4.6 Mio. CHF. Dank der guten Performance der Wertschriftenmärkte im Berichtsjahr konnte die Gruppe dafür mit 11.7 Mio. einen beinahe doppelt so hohen Finanzertrag wie 2020 erzielen. Unter dem Strich resultierte so ein deutlich gesteigerter Gruppengewinn von 10.6 Mio. CHF (+84%).
Herabsetzung des Aktienkapitals um 5% beantragt
Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung die Ausschüttung einer Dividende von 900 CHF pro Aktie. Damit liegt diese über dem Vorjahreswert von 750 CHF je Aktie, allerdings weiterhin deutlich unter den 1’280 CHF von vor Pandemiebeginn. Weiter beantragt der Verwaltungsrat die Herabsetzung des Aktienkapitals um 5% durch Vernichtung von 500 Namenaktien, die Reishauer bereits seit einigen Jahren selbst hält. «Da wir die Aktien bereits halten, wirkt sich die Vernichtung nicht finanzwirksam aus. Nach ausführlicher Beurteilung der Handlungsoptionen hat sich die Kapitalverdichtung als beste Alternative für alle unsere Aktionäre ergeben», erklärt Jost Sigrist den Entscheid des Verwaltungsrates. Bei Zustimmung der Generalversammlung reduziert sich das Aktienkapital der Gruppe auf 2.375 Mio. CHF, eingeteilt in 9’500 Namenaktien zu nominal 250 CHF.
Mit solider Basis ins 2022
Die Eigenkapitallage der Gruppe präsentiert sich per Ende 2021 mit einem Anteil von 66% am Gesamtkapital weiter grundsolide. Die flüssigen Mittel sanken im Berichtsjahr zwar von beinahe 150 Mio. auf 94 Mio. CHF, dies lässt sich aber mit dem Neubau des Produktionsgebäudes in Wallisellen begründen. Die erste Etappe soll noch 2022 abgeschlossen werden und ein Investitionsvolumen von rund 70 Mio. CHF aufweisen. Das Projekt ist auch ein Bekenntnis zum Produktionsstandort Schweiz und dem hier beschäftigten Fachpersonal. Trotz des hohen Ablaufs flüssiger Mittel beläuft sich das Umlaufvermögen weiterhin auf 400 Mio. CHF oder 75% des Gesamtkapitals.
Für 2022 zeigt sich Reishauer in Anbetracht der hohen Auftragsbestände zu Jahresbeginn optimistisch, eine Steigerung des Umsatzes erzielen zu können. Die Probleme entlang der Lieferketten und steigende Preise werden aber auch im laufenden Jahr zentrale Themen bleiben und vom Krieg in der Ukraine noch akzentuiert werden. Ein nennenswertes direktes Exposure in der Ukraine oder Russland hat Reishauer nicht.
Fazit
Nach dem Rückgang 2020 zeigen die Reishauer Zahlen langsam wieder nach oben. Bis zum Niveau von 2019 fehlt allerdings noch immer ein gutes Stück. Der hohe Auftragsbestand lässt auf eine Annäherung der Umsätze hoffen, kostenseitig werden sich aber die Lieferkettenprobleme und gestiegenen Preise für Rohmaterialien, Energie und Transportkapazitäten erneut negativ aufs Ergebnis auswirken. Immerhin beschränken sich die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf indirekte Effekte über die Preise und Lieferketten. Allfällige langfristige Konsequenzen für die Branche und Reishauer bleiben unklar.
Reishauer hat sich in den letzten beiden schwierigen Geschäftsjahren in der Lage gezeigt, auch in einem herausforderndem Marktumfeld schwarze Zahlen schreiben zu können. In Anbetracht der weiter bestehenden Probleme entlang der Lieferketten und unlängst auch wieder Ausbrüchen des Corona-Virus in China bleibt das Geschäft der Reishauer aber zumindest in naher Zukunft risikobehaftet. Die Nachfrage nach Automobilen ist jedoch vorhanden, ebenso bringt der Wechsel zur Elektromobilität zusätzlichen Investitionsbedarf. Eine kontinuierliche Rückkehr auf Vorkrisenniveau scheint deshalb im Bereich des Möglichen, auch wenn dies voraussichtlich nicht in einem einzigen Schritt geschafft werden wird.
Die Aktien der Reishauer Beteiligungen AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Der letztbezahlte Kurs liegt bei 42’000 CHF. Damit liegt der Kurs bei einem KBV von 1.2 nur leicht über dem ausgewiesenen Eigenkapital. Abzüglich der verzinslichen Verbindlichkeiten verfügt Reishauer über eine Nettoliquidität von 240 Mio. CHF. Pro Aktie – unter der Voraussetzung, dass die Generalversammlung der Aktienvernichtung zustimmt – ergibt dies einen Wert von gut 25’000 CHF oder 60% des aktuellen Kurses. Nach unten scheint die Bewertung auf dem aktuellen Niveau somit gut abgesichert zu sein. Sollte der Reingewinn von 2019 wieder erreicht werden können, entspräche dies bei der aktuellen Bewertung einem KGV von eher günstigen 11.4. Bei einer Erholung des Geschäftes, der Industrie und der Lieferketten weisen die Titel somit Potenzial auf. Viele Fragezeichen; mit einer Dividendenrendite von 2,1% und dem begrenzten Downside-Risiko dürfte es sich für Aktionäre jedoch lohnen, in den Titeln investiert zu bleiben.