Immobilienanlagen im Fokus: Der einheitliche Aufwärtstrend scheint gebrochen

Immobilienfonds- und AGs verlieren zweistellig – Wohneigentum weiterhin gesucht

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Noch sind Eigenheime sehr gefragt. Doch bei den Renditeimmobilien zeichnen sich erste Korrekturen ab. Bild: stock.adobe.com

Häuser sind ein Synonym für Beständigkeit und Sicherheit. Im Englischen gibt es dafür die Redensart safe as houses. Sehr beständig war auch die Preisentwicklung von Immobilien in den letzten 20 Jahren. Die Preiskurve hat immer nur in eine Richtung gezeigt: Manchmal steil und manchmal flacher, aber immer nach oben.

Die Wende ist langsam gekommen in Form von wachsender Inflation. Rekordhohe Inflationsraten zwangen die Zentralbanken zum Handeln, obwohl sie letztes Jahr noch beteuerten, die Inflation sei nur ein temporäres Phänomen. Die Schweizerische Nationalbank erhöhte den Zins Mitte Juni um starke 50 Basis-Punkte. Weitere Schritte sind zu erwarten, sollte die Inflation weiter ansteigen. Etwas kalt erwischt hat die Zinswende wahrscheinlich die Eigenheimbesitzer. Inzwischen sind die Zinssätze für Festhypotheken gestiegen. Das heisst: Wer jetzt seine Hypothek ablöst, muss mit deutlichen höheren Wohnkosten rechnen, abgesehen von den gestiegenen Heizkosten.

Radikaler Kurswechsel bei Renditeobjekten?

Bei den Immobilienpreisen ist die Wende noch nicht spürbar. Doch im Gegensatz zu den Echtzeitpreisen an den Börsen sind die Immobilienindizes rückwärtsgewandt. So ist die Nachfrage nach Wohneigentum robust geblieben. Die am Markt bezahlten Preise für Eigenheime sind im 2. Quartal 2022 mit 0,7% leicht gestiegen, wie der «SWX IAZI Private Real Estate Price Index» zeigt. Ebenfalls gestiegen ist das Preiswachstum für Mehrfamilienhäuser mit 0,8% im 2. Quartal 2022, wie der «SWX IAZI Investment Real Estate Price Index» ausweist.

Bei den Immobilienpreisen ist die Wende noch nicht spürbar. Doch im Gegensatz zu den Echtzeit-Preisen an den Börsen sind die Immobilienindizes rückwärtsgewandt.

Gerade im letzteren Segment deuten allerdings Insiderquellen auf einen radikalen Kurswechsel hin, der sich höchstwahrscheinlich auf die Preise des 3. und 4. Quartals auswirken wird. So verkaufen derzeit viele Manager von Immobilienportfolios Objekte oder gar ganze Portfolios. Bei Projekten, die kurz vor dem Abschluss stehen, wird nachverhandelt. Es ist von Preisabschlägen von 10 bis 15% die Rede. Denn die künftigen Mieten sind durch die höheren Zinsen heute weniger wert. Anwälte berichten von Käufern, die abklären, ob sie noch von Verträgen zurücktreten können.

Eine Boomphase geht zu Ende

Es ist jetzt unzweifelhaft, dass eine lange Boomphase zu Ende geht. Die Preise für direkte Immobilienanlagen haben sich nämlich während den Corona-Jahren – d.h. von Ende 2019 bis Ende 2021 – trotz anfänglicher Befürchtungen auf einem hohen Niveau weiterentwickelt. Gerade die Einfamilienhäuser haben eine regelrechte Boom-Phase hinter sich. Gemäss dem SWX IAZI Private House Price Index verzeichneten Einfamilienhäuser Ende Januar 2022 ein stolzes Wachstum von 7,4%. Während den diversen Lockdown-Phasen ist die Idylle nach dem freistehenden Haus im Grünen wiedererwacht.

Ob es so bleibt, ist allerdings unwahrscheinlich. Die Zinssätze für fünfjährige Hypotheken sind seit Anfang Jahr um 1,56 Prozentpunkte gestiegen, was mehr als einer Verdoppelung entspricht. Bei den zehnjährigen Hypotheken hat der Anstieg 1,75 Prozentpunkte betragen. Das heisst: Wer jetzt seine Hypothek ablöst, muss mit deutlich höheren Wohnkosten rechnen – auch abgesehen von den gestiegenen Heizkosten.

Kleinere Wohnungen wieder gesucht

Der Home-Office-Effekt hat sich eher auf die Wahl von Wohnungen ausgewirkt, wie es die Zahlen des Immobilienportals ImmoScout24 gezeigt haben. Während des Corona-Jahres 2020 gab es zum Beispiel die Tendenz, grössere Wohnungen zu suchen und kleinere hingegen zu verschmähen. Prinzipiell haben die Wohnungssuchenden immer eine Steigerung mit der Tendenz zu einem halben Zimmer mehr gesucht. Denkbar ist, dass dieses zur Einrichtung eines Homeoffice diente. Suchten also im Januar 2019 noch 14,2% eine 4-Zimmer-Wohnung, waren es im März 2020 nur noch 13,4%. Suchten im Januar 2019 noch 15,5% eine 4.5-Zimmer-Wohnung, waren es im April 2020 16,7%. Die gleiche Tendenz gab es bei 3- und 3,5-Zimmer-Wohnungen.

Dieser Trend hat allerdings nicht bis heute angehalten. Bereits seit Sommer 2021 suchen wieder deutlich mehr Menschen nach kleineren und mittleren Wohnungsgrössen von 51 bis 90 m2.
1-Zimmer-Wohnungen erfreuen sich mittlerweile noch grösserer Beliebtheit als vor Covid-19. Auch die Suchanfragen nach mittelgrossen 2 bis 2,5-Zimmer-Wohnungen haben deutlich angezogen. Besonders gefragt waren 3,5-Zimmer-Wohnungen. Sie verzeichneten mit 19% der Suchanfragen im Juli 2021 einen Spitzenwert und lagen auch in den anderen Monaten des Jahres auf hohem Niveau.

Zweistellige Kursverluste bei Immobilienfonds

Bei den noch steigenden Immobilienpreisen ist es auf den ersten Blick erstaunlich, dass die an der Börse kotierten Immobilienfonds dieser Bewegung nicht gefolgt sind. Gemessen am SWIIT, dem Immobilienfonds-Index der Schweizer Börse, haben Investoren mit solchen Anlagegefässen seit Anfang Jahr mehr als 12% verloren. Der Grund ist die Veränderung der sogenannten Agios. Das Agio ist ein Aufgeld, das zusätzlich zum Kaufpreis oder zum Kurswert entrichtet wird. Diese Agios waren vor ein paar Monaten noch sehr hoch. Nun sind sie von ca. 40% auf etwa 20% zurückgekommen und liegen jetzt nach langer Zeit wieder beim langfristigen Durchschnitt.

Der Grund liegt in einem Strategiewechsel der institutionellen Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen. Diese hatten in den letzten Jahren aufgrund des Negativzinsumfeldes händeringend nach alternativen Anlagemöglichkeiten gesucht und liessen ihre Gelder grosszügig in den Immobilienmarkt fliessen. Die Zinswende hat nun dazu geführt, dass institutionelle Anleger ihre Anlagestrategie neu ausgerichtet haben und sich die Nachfrage nach Immobilienanlagen verringert hat. Zusätzlich gibt es einen technischen Grund: Weil die Kurse von Aktien und Obligationen stark eingebrochen sind, mussten die institutionellen Investoren einen Teil der Immobilienanlagen abstossen, damit die Zusammensetzung ihrer Portfolios nicht ins Ungleichgewicht gerät. Die meisten Profi-Anleger nehmen ein regelmässiges Rebalancing vor, damit sie immer zum gleichen Anteil in Aktien, Obligationen, Immobilien oder Rohstoffe investiert sind.

Je nach Produkteigenschaft haben die Kurse der jeweiligen Immobilienfonds sehr unterschiedlich reagiert. Kleine Fonds und solche mit einem grossen Anteil an kommerziell genutzten Immobilien haben viel stärker korrigiert als grosse Fonds oder Produkte mit einem Fokus auf Wohnimmobilien.

Nach dem Kursrutsch scheint aber das ganze Segment der Immobilienfonds wieder interessant: Die Ausschüttungsrendite liegt über alle Fonds gesehen bei etwa 2,7% und ist somit relativ attraktiv. Anfang Jahr waren es 2,2% gewesen. Diese Ausschüttungen sind zudem für Privatanleger bei vielen Anlagefonds steuerfrei.

Schwache Performance von Immobilienaktien
Viele Immobilienpapiere haben eine schwache oder sogar negative Performance aufgewiesen.

Etliche Immobilienpapiere haben eine schwache oder sogar eine negative Performance aufgewiesen. Die grösste kotierte Immobiliengesellschaft der Schweiz, die Swiss Prime Site, hat beim Kurseinbruch im Juni rund 20% ihres Börsenwerts eingebüsst. Auch die Titel der PSP Swiss Property mussten etwa im gleichen Umfang Federn lassen. Während der SXI Real Estate All Shares Index seit Jahresbeginn lediglich ein Plus von rund 5,5% auf die Waage bringt, legt der Swiss Performance Index immerhin rund 14% zu. Doch diese Verluste bergen in einigen Fällen wieder Einstiegschancen. Allerdings lassen sich die einzelnen Titel nicht über einen Kamm scheren. Wer investiert, sollte sich auch mit dem Geschäftsmodell der Unternehmen gut auseinandersetzen.

Unterschiedliche Geschäftsmodelle

An der Schweizer Börse sind achtzehn Immobiliengesellschaften kotiert – mit ganz unterschiedlichem Profil. Zum einen unterscheiden sie sich nach Geschäftsfeldern. Insbesondere die grossen Konzerne erwirtschaften nicht nur Rendite auf einem Immobilienportfolio, sie sind auch Liegenschaftenverwalter (u.a. PSP), Generalunternehmen (Allreal) oder Anlagefonds (Swiss Prime Site). Die Einnahmen im Kerngeschäft wiederum kommen aus der Entwicklung respektive dem Kauf und dem Verkauf von Liegenschaften einerseits und der Vermietung von Flächen andererseits. Entsprechend wichtig sind die Immobilienpreise und die Diskontierungszinsen und daraus abgeleitet der Neubewertungserfolg sowie der Mietertrag. Wobei für Letzteren die Leerstandsquote eine entscheidende Rolle spielt, also der Anteil der leer stehenden Flächen am gesamten Anlageportfolio.

Die Zusammensetzung im Immobilienportfolio von Wohnen, Büro, Gewerbe und Verkauf variiert je nach Gesellschaft stark. Von den grossen vier verfügen Allreal (25%) und Mobimo (34%) über einen wesentlichen Anteil an Mietwohnungen, PSP und SPS konzentrieren sich fast ausschliesslich auf gewerbliche Flächen. Bei den kleineren Gesellschaften ist die Streuung noch grösser: Investis zum Beispiel erwirtschaftet 93% des Mietertrags im Wohnsegment, Züblin vermietet keinen Wohnraum. Dazwischen liegen die übrigen Gesellschaften mit Anteilen zwischen 10% und drei Vierteln.

Gleich mehrere Immobilienunternehmen haben mit Blick auf eine lukrative Rendite in den vergangenen Jahren verstärkt in Wohnliegenschaften investiert und dafür frisches Kapital aufgenommen. So hat Mobimo im Februar durch eine Kapitalerhöhung ihr Kapital um 10% durch Ausgabe von Namenaktien erhöht. Der wichtigste Treiber im Wohnsegment bleibt die Zuwanderung. Der momentane Fachkräftemangel in der Schweiz bietet für Personen aus Europa interessante Perspektiven. All diese Menschen werden dieses Jahr auf den Wohnungsmarkt kommen.

Bei den Büroflächen herrscht hingegen immer noch Flaute. Die direkte Auswirkung der Pandemie scheint zwar überwunden. Doch der Trend zum Arbeiten von zu Hause bremst das Wachstum. Insgesamt aber ist die Entwicklung stabil, und die Mietausfälle bewegen sich auf konstant niedrigem Niveau. Allerdings ist der Markt nicht homogen. Gute Lage ist weiterhin sehr begehrt. PSP und SPS können als Branchenführer einen entscheidenden Vorteil ausspielen: Die von den grossen Gesellschaften entwickelten und als Anlage bewirtschafteten Liegenschaften befinden sich hauptsächlich an bester Lage. Die für grosse Gesellschaften sehr niedrigen Leerstandsquoten um 4% zeugen davon. Die fünf grössten Mieter bestreiten bei PSP mehr als ein Fünftel des Ertrags. Ähnlich zusammengestellt ist die Büromieterschaft bei Mobimo.

Auch die mit einem Portfoliowert von 1,6 Mrd. Fr. deutlich kleinere Zug Estates verwaltet vor allem qualitativ hochwertige Immobilien und hat den Leerstand 2021 weiter auf niedrige 4% gesenkt. Sie trumpft mit einem ausgeglichenen Portfolio und langjährigen Mietern auf: Rund ein Viertel des Mietertrags stammt jeweils aus den Segmenten Wohnen und Büro, 17% von Verkaufsflächen, knapp 10% aus der Gastronomie und der Hotellerie.

Insgesamt ist das Umfeld für kleinere und mittelgrosse Gesellschaften aber auch in diesem Segment schwieriger. Die Transaktionspreise sind hoch, eigene Projekte wertvoll. Prall gefüllt ist zum Beispiel die Entwicklungspipeline von Hiag. Potenzial von rund 2,9 Mrd. Fr. ist noch unbearbeitet, Projekte für 435 Mio. sollen in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden. Dazu zählen das Rohner-Areal in Pratteln sowie Vorhaben in Cham und Zürich-Altstetten.

Noch praktisch gänzlich aus Entwicklungsliegenschaften besteht das Portfolio von Ina Invest. 2020 von Implenia abgespalten, wurde die Gesellschaft grosszügig mit Landreserven ausgestattet. In ihrem ersten Geschäftsjahr hat das Unternehmen trotz hoher Kosten schwarze Zahlen geschrieben. Der Anteil der Einnahmen aus dem Wohnsegment soll mehr als die Hälfte betragen. Das junge Unternehmen kann von der Baukompetenz der Ankeraktionärin Implenia profitieren. Der Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf der Weiterentwicklung des bestehenden Entwicklungsportfolios und auf Akquisitionen.

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