Ganz unschweizerisch klotzen, statt kleckern. In den Schweizer Alpen sind derzeit ungewöhnlich viele touristische Grossprojekte im Entstehen begriffen. Eigentliche Leuchtturmprojekte wie das V-Bahnprojekt der Jungfraubahnen, die neue Bergstation mit Turm auf dem Titlis oder die Neuentwicklung der Destination Andermatt.
Auch in den kommenden Jahren planen Tourismus-Unternehmen, Milliardensummen in ihre Infrastruktur zu investieren. Doch was braucht es, damit das Geld nicht einfach zum Fenster hinausgeworfen wird und die entsprechenden Projekte am Ende des Tages auch eine Rendite abwerfen? Am Branchentalk Tourismus in Andermatt haben verschiedene Promotoren eindrücklich gezeigt, dass auch in unserem Land mit visionärem Tun und stetigen Innovationen Erfolge möglich sind. Eindrücklich etwa das Beispiel der Ferienregion Andermatt. Nach der Fertigstellung wichtiger Etappen wie der Skiarena mit der Zusammenlegung der Skigebiete von Andermatt und Sedrun, des Hotels Radisson Blu Reussen mit einer Konzerthalle für höchste Ansprüche, des Golfplatzes und mehreren Appartementhäusern sind die Dimensionen der Umgestaltung nun auch in Realität abschätzbar. Im Endausbau werden in den 500 neuen Wohnungen 1’500 bis 2’000 Menschen im neuen Andermatt leben, mehr als im ursprünglichen Dorf. Die gesamte Investitionssumme dürfte sich auf 1.8 Mrd. CHF belaufen.
2020 keine roten Zahlen mehr beim «Chedi»
Dass auch gut gearbeitet wird, zeigt das Flaggsternhaus «Chedi», das bereits eine ganze Reihe von Auszeichnungen eingeheimst hat, unter anderem vom Guide Michelin oder von Tripadvisor. Der mutige Entscheid, dieses Berghotel das ganz Jahr offen zu halten, habe sich bezahlt gemacht. „Im nächsten Jahr werden wir in keinem einzigen Monat mehr rote Zahlen schreiben“, erklärte der ägyptische Unternehmer Samih Sawiris, Verwaltungratspräsident der Orascom Development Holding (ODHN), und Initiant des Projekts Andermatt. Er wehrte sich dagegen, einfach als Milliardeninvestor bezeichnet zu werden, der das Projekt eigentlich im Alleingang gestemmt habe. Hätten nicht viele kleinere Investoren und die Behörden mitgezogen, hätte er das Risiko nicht eingehen können. Man sollte zudem nicht bloss investieren, sondern auch mit aller Kraft an das Projekt glauben. „In der Schweiz ist das Risiko immer recht eng begrenzt. Wer auch im Ausland investiert, weiss die grosse Rechtssicherheit in der Schweiz sehr zu schätzen. In El Gouna, mitten in der ägyptischen Wüste, eine Stadt zu bauen, war ungleich riskanter, als für das Projekt Andermatt Hand zu bieten“, betonte Sawiris. Schmerzlich gelernt habe er in El Gouna, dass immer eine kritische Masse vorhanden sein müsse, das gelte eben auch in Andermatt.
Investitionen von 470 Mio. CHF in der Jungfrauregion
„Anders als die Region Andermatt ist die Jungfrauregion schon seit Jahrzehnten im Aufschwung. In den letzten 50 Jahren hat sich die Besucherzahl auf dem Jungfraujoch mehr als zweieinhalbfacht“, sagte Urs Kessler, CEO der Jungfraubahn, stolz. Auch 2018 und im laufenden Jahr kann das Berner Oberländer Unternehmen wiederum zweistellige Fortschritte bei den wichtigsten Kennziffern vorweisen. Und dies alles noch lange vor der Betriebsaufnahme der neuen V-Bahn, für die das Unternehmen 470 Mio. CHF aufwenden wird. „Es sind dies Investitionen in die Qualität und in die Zukunft“, ist Kessler überzeugt. Die Zeit, um von der Stadt Bern auf Jungfraujoch zu gelangen, wird sich mit der neuen Bahn um fast 50 Minuten auf noch rund zweieinhalb Stunden verkürzen. Ab dem 12. Dezember des nächsten Jahres könnten dies die Gäste nachprüfen.
Wichtig sind nach Kessler stetige Innovation, ein unablässiges Marketing und eine klare Markenführung. „In den sozialen Medien sind wir heute die Nummer 1 im Tourismus,“ unterstrich der Jungfraubahnchef. „Globalisierung heisst für uns, am Wirtschaftswachstum Asiens zu partizipieren. Dafür sind auch bereits zahlreiche weitere Projekte angedacht. Schon in diesem Herbst ist die Eröffnung eines Flagship Stores in Interlaken vorgesehen. 2025 sind verschiedene Ausbauvarianten am Jungfraujoch geplant, 2030 beispielsweise am Ostgrat das Haus als Uhrwerk und ein weiteres exklusives Gebäude.
Kesslers Vision: 12 Monate Hochsaison am Jungfraujoch, 1,4 Millionen Gäste und ein Durchschnittsertrag von 120 CHF pro Gast. Dafür werde die Jungfraubahn auch einiges tun: „Wir versuchen immer, die Erwartungen zu übertreffen“. Seine weiteren Erfolgsrezepte: langfristig denken, frühzeitig entscheiden, laufend anpassen, innovieren und investieren. Sodann eine starke Marke als Basis für den langfristigen Erfolg.
Stararchitekten Herzog & de Meuron bauen auf dem Titlis
Norbert Patt, der CEO Titlis Bahnen, wagt im Zusammenhang mit dem ehrgeizigen Projekt Titlis 3020 einen Ausflug in die Philosophie: „Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern“. Der Baubeginn der neuen Bergstation mit einem imposanten Turm ist für 2020 vorgesehen. Die Eröffnung des von den Stararchitekten Herzog und de Meuron gestalteten Projekts ist für Ende Dezember 2023 vorgesehen. „Die grössten Versäumnisse bei vielen Unternehmungen sind fehlende Investitionen in die Infrastruktur und dass das Geld nicht wirtschaftlich verwendet wird.“ Um auf allen Weltmärkten zu punkten, würden die Titlisbahnen laufend in die Infrastruktur investieren und das gesamte Angebot auf einem hohen Qualitätsstandard weiterentwickeln. „Wir wollen Menschen glücklich machen“, so ein weiterer Leitsatz von Patt.
Betroffene zu Beteiligten machen
Doch nicht alles funktioniert einfach so. Professor Philipp Lütolf von der Hochschule Luzern hat in einer Studie zahlreiche erfolgreiche Projekte ermittelt, wie die Cabrio-Bahn auf dem Stanserhorn, die zu einer markanten Ertragsverbesserung geführt habe. „Zwei Drittel der Bergbahnunternehmen investieren aber mehr als sie verdienen“, mahnt Lütolf. Es lohne sich auch ein Blick über die Grenzen. In Österreich sei offenbar einiges besser angepackt worden. Während in der Schweiz die Anzahl der sogenannten Skierdays in den letzten 15 Jahren um über 15% gesunken sei, habe sich diese Zahl in unserem östlichen Nachbarland um 10% erhöht.
Der Rat des Professors bei allen Projekten: Man muss die Betroffenen immer zu Beteiligten machen.
Das Hotel in Flims wird zukünftig nicht mehr von Sunstar geführt. Quelle: Sunstar Holding AG
Das Hotel in Flims wird zukünftig nicht mehr von Sunstar geführt. Quelle: Sunstar Holding AG
Die Sunstar Holding AG konnte im per 30. April 2019 beendeten Geschäftsjahr 2018/19 nicht an das gute Vorjahresergebnis anknüpfen. Trotz der weiteren Steigerung der Logiernächtezahlen und der Einnahmen resultierte unter dem Strich ein Verlust von 0.6 Mio. CHF nach einem Gewinn von 0.3 Mio. CHF im Vorjahr. Das Minus geht auf das Konto des – wie das Unternehmen im neuesten Geschäftsbericht schreibt – schmerzlichen Rückgangs beim Bruttobetriebsgewinn (GOP). Dieser habe sich nicht wunschgemäss entwickelt. Mit einem Betrag von 7.9 Mio. CHF wurde der Vorjahreswert von 9.3 Mio. CHF klar verfehlt. Eine Belastung von 0.5 Mio. CHF resultierte aus dem erst im neuen Geschäftsjahr vollzogenen Verkauf des Hotels in Flims.
Logiernächte auf Rekordkurs
Bei den Logiernächten konnte Sunstar das dritte Jahr in Folge einen Anstieg verbuchen. Auch wenn das Plus von 0,9% auf 293’600 hinter dem Plus von 3,8%, welches die Schweizerische Hotellerie im 2018 gemäss den Daten des Statistischen Bundesamts ermittelt hat, zurückblieb, wurde ein neuer Rekordwert erreicht. Wie im Vorjahr konnten 2018 die Betriebe im Berner Oberland vom Hitzesommer und kurzfristigen Buchungen inländischer Gäste profitieren. Auch die Betriebe in Graubünden entwickelten sich nach einer langen Durststrecke freundlich. In Grindelwald und Wengen konnte mit 65’000 Logiernächten ein weiterer Rekord erzielt werden. Kein weiteres Wachstum verzeichneten die Übernachtungszahlen der ausländischen Gäste. Wegen der verkürzten Saisonöffnungszeiten verzeichneten die beiden Häuser im Wallis einen Rückgang. Im Piemont und im Tessin konnten die Zahlen gehalten werden.
In der für Sunstar wichtigeren Wintersaison fiel der Start wegen des zu Saisonanfang fehlenden Schnees vor allem bei den inländischen Gästen, die sehr wettersensitiv sind, harzig aus. Bei den ausländischen Gästen konnte hingegen ein Plus verzeichnet werden. Im Winter gelang es lediglich den beiden Betrieben in Davos und Grindelwald, die Vorjahreswerte zu übertreffen. Das Hotel in Davos konnte denn auch mit plus 9% den höchsten Anstieg bei den Übernachtungen im Gesamtjahr verbuchen.
Höhere Einnahmen
Die höheren Gästezahlen schlugen sich in einem Anstieg der Betriebserträge um 1% auf 48.9 Mio. CHF nieder. Am stärksten legten die Beherbergungseinnahmen mit plus 2,6% auf 26.4 Mio. CHF zu. Dies spiegelt auch die Erhöhung des Durchschnittspreises pro Übernachtung um 2 CHF auf 93 CHF wider. Deutlich geringer fiel der Anstieg im Restaurationsbereich mit plus 0,8% auf 18.7 Mio. CHF aus. Bei den Nebenerträgen musste gar ein 7,5%-Minus auf 3.8 Mio. CHF verbucht werden. Dieser Rückgang geht auf vermehrte Direktbuchungen der Skipässe der Gäste bei den Bahnen zurück, informiert Sunstar. Aus den Gesellschaften am Firmensitz wurden wie im Vorjahr 2.1 Mio. CHF vereinnahmt. Insgesamt legten die Umsätze um 1,1% auf 51.1 Mio. CHF zu.
Rückstellungen für Verkauf des Flimser Hotels belasten
Auf der Kostenseite belastete der überproportionale Anstieg der Warenaufwendungen um 5% auf 6.6 Mio. CHF, während der Personalaufwand um 0,7% auf 16.5 Mio. CHF gesenkt werden konnte. Beim direkten Betriebsaufwand wurde wegen der Verschiebung von Aufwendungen ein Anstieg um 5,3% auf 5.9 Mio. CHF verzeichnet. Grössere Reparaturen, höhere Heizkosten und Umbuchungen bei den Regionaltechnikern liessen den Unterhaltsaufwand um 15,5% auf 5.9 Mio. CHF anschwellen. Zusätzlich wurden dem Verwaltungsaufwand Rückstellungen und Abgrenzungen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hotels in Flims im Betrag von 0.5 Mio. CHF belastet, was zum Anstieg dieser Position im gleichen Umfang führte. In der Summe führte dies zu einem Minus des Betriebsgewinns vor Abschreibungen (EBITDA) von 14,1% auf 7.4 Mio. CHF. Trotz der um 0.3 Mio. CHF tieferen Sachabschreibungen brach das EBIT um 53,4% respektive fast 1 Mio. CHF auf 0.9 Mio. CHF ein. Das Nettoergebnis wurde zusätzlich durch die um 0.2 Mio. CHF höheren Finanzaufwendungen belastet. Unter dem Strich resultierte ein Verlust von 0.6 Mio. CHF.
Erfolgreicher Start ins neue Geschäftsjahr
Der Start ins neue Geschäftsjahr 2019/20 ist von guten Vorzeichen geprägt. So konnten die Logiernächte in der noch laufenden Sommersaison bis Ende August um 9% und die Umsätze um 7% gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Ebenfalls positiv präsentiert sich der um den Betrieb in Flims bereinigte Buchungsstand für die kommende Wintersaison mit einem Plus von 11%. Für das Gesamtjahr wird ein leichtes Übertreffen der Vorjahreszahlen erwartet. Per 13. September 2019 wird das Hotel in Flims verkauft. Dieser Schritt erlaubt eine Verbesserung der Gruppenrentabilität, da in Flims hohe Verluste geschrieben wurden.
Fazit
Die Kennzahlen der Sunstargruppe für das Geschäftsjahr 2018/19 bieten wenig Anlass zur Freude. Auch wenn der ausgewiesene Verlust nahezu vollumfänglich auf das Konto des Verkaufs der Hotels in Flims geht, fällt die starke Steigerung der Kosten negativ auf. Ein Teil der Mehraufwendungen kann mit dem 50-Jahr-Jubiläum, das Sunstar im 2019 feiert, erklärt werden. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass gruppeninterne Umstrukturierungen zu Kosten geführt haben. Diesem Anstieg sollte ein geringerer Aufwand für die Erstellung der Jahresrechnung gegenüberstehen, die ab dem laufenden Jahr nur noch nach den Vorschriften des Obligationenrechts erstellt wird. Der bisherige Swiss-GAAP-FER-Abschluss entfällt. Mit diesem Schritt werden allerdings nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch die Transparenz für die Aktionäre. Bereits im Vorjahr wurden keine Kennzahlen zu den einzelnen Häusern mehr ausgewiesen. Auch eine Hoffnung, wenigstens die Kennzahlen der einzelnen Regionalgesellschaften zu erhalten, müssen die Anteilseigner zumindest im Geschäftsbericht begraben. Inwieweit eine detailliertere Berichterstattung an der GV in Davos erfolgt, ist noch offen. Es erscheint indessen wenig wahrscheinlich, dass hier eine ausführliche Darlegung der Kennzahlen erfolgen wird.
Die Aktien der Hotelgruppe werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Auf der Basis des letztbezahlten Kurses von 850 CHF notieren die Titel mit einem Discount von rund 12% auf den Buchwert per Ende des Geschäftsjahres 2018/19. Hierbei zu beachten ist indessen, dass die Buchwerte wegen der Rechnungsumstellung auf OR tiefer ausfallen als in den Vorjahren. Bis zum aktuellen Zeitpunkt lässt sich nicht errechnen, welche Auswirkungen der Verkauf des Betriebs in Flims auf die Bilanzkennzahlen haben wird. Hier könnte wie bereits beim Verkauf in Davos ein nicht unerheblicher Buchgewinn erzielt werden. Dieser dürfte erneut belegen, dass der Substanzwert der Titel den ausgewiesenen Buchwert übersteigt. Dieser Wert ist für den aussenstehenden Aktionär indessen nur von theoretischer Natur und kaum je zu realisieren.
Ob die von uns als wahrscheinlich erachtete Wiederaufnahme der Dividendenzahlungen bald auf der Agenda steht, ist angesichts der Zahlen des Geschäftsjahres 2018/19 fraglich geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Anteilseigner weiterhin von der Naturaldividende in der Form von Aktionärsbons in der Höhe von nunmehr 50 CHF pro Aktie profitieren. Diese können zur Bezahlung von Übernachtungen bis zu 50% respektive für Aktionäre, die eine Treuekarte besitzen, bis zu 60% auf den Listenpreis von Übernachtungen mit Frühstück ausserhalb der Hauptsaison im Winter und des Jahreswechsels verwendet werden. Für diejenigen Anleger, welche die Vergünstigungen nutzen können, bieten die Titel eine attraktive Rendite, die alleine auf der Basis der Bons bei stattlichen 5,9% liegt. Oftmals bietet Sunstar den Aktionären noch weitere Sonderkonditionen an buchungsschwachen Tagen an. Für Investoren, die diese Angebote nutzen können, eignen sich die Titel zur Depotbeimischung.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär des Unternehmens.
1935: Eröffnung der Säntis-Schwebebahn. Bild: saentisbahn.ch
Mit einer wirtschaftshistorischen Exkursion auf die Rigi haben wir das neue Blog-Format HistoriX begonnen und angekündigt, in unregelmässigen Abständen einen Blick in die Vergangenheit von Schweizer Unternehmen werfen zu wollen. Heute – unmittelbar vor dem Branchentalk Tourismus 2019 mit dem seit mehr als 100 Jahren aktuellen Thema „Erfolgsfaktoren von touristischen Grossprojekten“ – möchten wir die bewegte Vergangenheit der touristischen und verkehrstechnischen Säntis-Erschliessung beleuchten.
Bereits einleitend sei vorweggenommen, dass es nach der ersten Konzession 1887 bis ins Jahr 1935 dauern sollte, ehe nach vielen erfolglosen Anläufen, gescheiterten Finanzierungen und fast fünfzigjähriger Planung der Säntis-Gipfel doch noch mit einer Bahn erreicht wurde. Der Weg dorthin war abwechslungsreich, lang und steinig – im übertragenen Sinne, wie nicht wenige Wanderwege im Alpstein-Gebiet. Auch deshalb passt dieser Beitrag zum Thema des Branchentalks Tourismus, auch wenn sich die Zeiten und Finanzierungsmodelle seither natürlich geändert haben und nicht zuletzt Kapital – seien es Eigenmittel oder Fremdkapitalien – bedeutend einfacher verfügbar erscheint. „Kapital“ ist heute – anders als früher – kaum mehr ein limitierender Engpassfaktor, der anspruchsvolle Grossprojekte verhindert. In der Vergangenheit scheiterten allerdings nicht wenige visionäre Projekte an Finanzierungsfragen – oder auch einem unsicheren wirtschaftlichen wie politischen Umfeld.
Über mehr als 50 Jahre blieb die Erschliessung des Säntis-Gipfels mit Zahn- oder Seilbahnen ein kühner Traum. Neben allen technischen und finanziellen Schwierigkeiten war dieser zusätzlich geprägt von der historisch gewachsenen Rivalität der „Säntis-Kantone“ Appenzell Innerrhoden (AI) und Appenzell Ausserrhoden (AR). Auf dem Säntis treffen mit AI, AR und St. Gallen sogar gleich drei Kantone zusammen. Entsprechend vielfältig – und vielschichtig – waren von Beginn an auch die Interessen der Beteiligten.
Der „Ansturm“ auf den Säntis und das Alpsteingebiet setzte ab etwa 1850 ein. Besonders beliebt war der landschaftlich exponierte Säntis-Gipfel von Anfang an bei Bergfreunden aus Süddeutschland und dem Bodenseegebiet. Spätestens mit der Aufklärung hatte die einst so gefürchtete Alpinwelt ihren Schrecken verloren – und mit der Epoche der Romantik an Faszination über die Landesgrenzen hinaus gewonnen.
Aus Süddeutschland betrachtet markiert der an klaren Tagen steil am Horizont über dem Bodensee aufragende Säntis-Gipfel nichts weniger als den aus weiter Ferne und aus vielen Regionen Süddeutschlands sichtbaren Einstieg in die Schweizer Alpenwelt. Während langer Zeit – vermutlich bis in die Gegenwart hinein – war und ist der Säntis ein „Sehnsuchtsort“ vieler schweizaffiner Süddeutscher.
Der Säntis als Tor zur Schweiz
Ganz am Anfang der Säntis-Geschichte steht – neben der Dramatik der Landschaft – auch die Entwicklung einer „Ausflugsgastronomie“ mit Berggasthäusern, die im Alpstein-Gebiet bis heute weit verbreitet sind und sich unverändert – obwohl bzw. weil zahlreiche davon nur zu Fuss erreichbar sind – grosser Beliebtheit erfreuen.
Ab 1846 gab es ein einfaches Gasthaus auf dem Säntis. Jakob Dörig, genannt „Schribes Jock“, errichtete zunächst eine einfache Bretterhütte, die innerhalb weniger Monate zu einer gemauerten Schutzhütte auf dem Säntisgipfel umgebaut wurde. Obwohl die Hütte nur aus einem Raum mit Heulagerpritsche als Schlafgelegenheit für 8 Personen bestand, nannte Dörig („Thörig“) sein Gasthaus – nicht frei von Ironie bei gleichzeitig grossem Selbstbewusstsein – „Grand Hotel Thörig“. Bereits im ersten Jahr soll der umtriebige Dörig alias Thörig alias Schribes Jock 600 Gäste empfangen haben. Es war der junge Dörig, der damit den Grundstein für das heutige Berggasthaus Alter Säntis auf dem Säntis-Gipfel legte. (Quelle: Berggasthaus Alter Säntis)
1873 bereits 3’000 Bergsteiger auf dem Gipfel
Ab dem Jahr 1846 – und damit lange vor der Entdeckung durch Instagram, Facebook und den US-Hollywoodstar Ashton Kutcher – wurde auch der unweit des schon damals beliebten Wildkirchli gelegene Aescher von Sennen bewirtet. Das Berggasthaus Aescher in seiner heutigen Form gibt es seit 1884. Damit gehört der Aescher zu den ältesten Berggasthäusern der Schweiz. Ab 1847 wurde auch der Hohen Kasten bewirtet, zunächst in einer Steinbaracke mit Heulager. Später folgten weitere Bergwirtschaften auf dem Kronberg (Jakobsalp, 1878), auf der Ebenalp, auf der Seealp oder auf der Meglisalp.
Zurück zum Säntis: Im Sommer 1873 sollen angeblich bereits rund 3’000 Berggänger den Säntisgipfel bestiegen haben.
Wenige Jahre zuvor, im Jahr 1869, wurde mit dem Bau der Rigibahn von Vitznau aus bis zur Staffelhöhe begonnen. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 und dadurch bedingte, ausbleibende oder verspätete Material- und Teilelieferungen führten zu einer Verzögerung beim Baufortschritt gegenüber den ursprünglichen Plänen, die den Bau und die Inbetriebnahme innerhalb von nur 8 Monaten vorsahen. Die Vitznau-Rigi-Bahn konnte schliesslich am 21. Mai 1871, nicht einmal zwei Jahre nach Baubeginn, im Beisein vieler geladener Gäste aus Politik und Wirtschaft feierlich als erste Bergbahn Europas eröffnet werden.
Was läge also – auch vor dem Hintergrund des damaligen Zeitalters der Eisenbahnpioniere – näher, als auch den Säntis-Gipfel angesichts der rasch fortschreitenden touristischen Entwicklung des Alpstein-Gebiets mit einer Bergbahn zu erschliessen?
Ab 1886 ging es los mit den Konzessionsgesuchen zur Säntis-Erschliessung mit einer Bergbahn.
Stamm-Aktie über 500 Franken der Appenzellerbahn-Gesellschaft vom 1. Januar 1886. Abbildung: wikipedia.de
Nach Eröffnung der verlängerten Eisenbahnstrecke Urnäsch–Appenzell im Jahr 1886 durch die Appenzeller Bahnen bewarb sich eine Gruppe um den AI-Landammann und AI-Nationalrat Karl Justin Sonderegger (nach manchen Quellen auch Carl Justin Sonderegger) – „trotz grosser Skepsis im Kanton“ – um eine Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appenzell nach Wagenlücke unterhalb des Säntis-Gipfels, der sogenannten Säntisbahn. Diese neue Bahn sollte die Eisenbahnstrecke von Appenzell in Richtung Säntis verlängern.
Der Bundesrat erteilte diese Konzession am 13. Juni 1887, und die Appenzellerbahn als geplante Zubringerbahn zur Säntisbahn beteiligte sich an den Projektkosten. Allerdings schlug die Finanzierung fehl, und diese erste Konzession erlosch nach mehreren Fristerstreckungen 1899.
Praktisch parallel liefen weitere Bemühungen einer technischen Säntis-Erschliessung: Die Ingenieure Deutsch und Abt erarbeiteten 1891 ein Projekt einer Bahn bis zum „Alten Säntis“. Allerdings scheiterte auch für dieses Projekt die Finanzierung, ein formelles Konzessionsgesuch wurde nicht gestellt.
Projekte kamen, Projekte gingen
Landammann Sonderegger lässt sich von Rückschlägen und Widerständen – auch im eigenen Kanton – nicht entmutigen und gibt nicht auf: Er überarbeitet sein visionäres Projekt einer Säntis-Erschliessung mehrfach, alleine und mit Partnern unterschiedlichster Couleur. Im Jahr 1897 reichen Landammann Sonderegger und seine Mitstreiter ein neues Konzessionsgesuch ein: Eine Strassenbahn soll zur Seealp führen, eine Drahtseilbahn von dort zur Meglisalp. Am 22. Dezember 1899 wurde eine neue Konzession für eine elektrische Strassenbahn von Appenzell nach Wasserauen erteilt, verbunden mit der Auflage, die Linie bis zum 19. November 1900 zu vollenden. Erneut gelang es nicht, mit dem Bau zu beginnen. Diese neue Konzession verfiel im März 1901.
So ging es noch eine Weile hin und her. Projekte kamen, Projekte wurden geändert, Projekte gingen. Nichts funktionierte wie geplant, spätestens bei der Finanzierung war immer Schluss. Eine gute Übersicht über die verschiedenen Frühphasenprojekte einer Säntis-Erschliessung bietet der Museumsverein Appenzeller Bahnen.
Während die Finanzierung der Säntis-Erschliessung von der AI-Seite über die Säntisbahn „klemmte“, tauchte zwischenzeitlich – unterstützt von der Regierung des Nachbarkantons AR – die Idee einer Kombination aus Schmalspur- und Seilbahn, ausgehend von Urnäsch AR, auf.
Da sich die beiden Kantone – historisch gewachsen – in herzlicher Rivalität verbunden waren, gab es ein „Tauziehen“ um den besten Projektplan und die (erneute) Konzessionserteilung.
Nach einer erneuten Planänderung setzte sich Appenzell Innerrhoden – mit der Säntisbahn – schliesslich im Rennen um die erneute Konzessionsvergabe durch. Das redimensionierte Projekt von der AI-Seite beschränkte sich allerdings auf die Strecke Appenzell-Meglisalp.
Sie ahnen es vermutlich schon: Eerneut tauchten Probleme mit der Finanzierung auf, die Kosten des gesamten Projekts über rund 3.65 Mio. CHF bis zur Meglisalp erwiesen sich zunehmend als nicht mehr realistisch. Erneut gab es eine Konzessionsänderung, und die Säntisbahn wurde in vier Sektionen unterteilt, wobei für die Realisierung der Abschnitte 2 bis 4 keine verbindlichen Fristen mehr festgelegt wurden: Appenzell – Wasserauen, Wasserauen – Seealp, Seealp – Meglisalp, Meglisalp – Säntis.
Im Jahr 1911 wurden im Rahmen einer Kapitalerhöhung finanzielle Mittel für die 1. Sektion Appenzell-Wasserauen eingeworben (Abbildung).
Aktie über 500 Franken der Säntisbahn AG vom 31. Oktober 1911: Kapitalerhöhung für die 1. Sektion Appenzell-Wasserauen. Bild: wikipedia.de
Mit den frischen Mitteln aus der Kapitalerhöhung konnte am 1. Mai 1911 immerhin der Bau der Talstrecke von Appenzell nach Wasserauen (1. Sektion) in Angriff genommen werden. Der erste Abschnitt der geplanten Säntis-Bergbahn bis Wasserauen wurde schliesslich am 13. Juli 1912 eröffnet. Dieser Abschnitt besteht bis heute: In Wasserauen endet auch der Schienenverkehr der Appenzeller Bahnen.
Dabei blieb es dann auch – und der Säntis-Gipfel war, von Wasserauen aus betrachtet, ferner denn je und nur zu Fuss bzw. auf Umwegen über die erst deutlich später, im Jahr 1955 eingeweihte und ebenfalls auf OTC-X gelistete LSB Wasserauen-Ebenalp AG (www.ebenalp.ch) erreichbar.
Weitere Finanzierungsprobleme und der aufziehende 1. Weltkrieg in den Folgejahren verhinderten einen Weiterbau der Säntis-Bergbahn in den weiteren Sektionen, wie eigentlich vorgesehen. Das Projekt einer Säntis-Erschliessung über Wasserauen und die Megisalp musste aufgegeben werden – und wurde später auch nie mehr verfolgt. Die mit viel Euphorie als „Säntisbahn“ (Säntis-Bahn A.G.) ins Leben gerufene Gesellschaft endete schliesslich in Wasserauen und hat den Säntis-Gipfel entgegen vieler Planungs- und Finanzierungsschritte nie gesehen.
Ende 1930 ist die seit 1909 – also während 21 Jahren – gültige Konzession für die Streckenführung via Wasserauen und Meglisalp endgültig erloschen, nachdem es der Säntis-Bahn A.G. nicht gelungen war, innerhalb der gesetzlichen Fristen den Betrag von CHF 25’000 für die Projektierungskosten für die Strecke Wasserauen – Meglisalp zusammenzubringen.
Ironie der Geschichte: Die unvollendete Säntisbahn, die den Säntis-Gipfel nie erreicht hat, wurde 1939 in Elektrische Bahn Appenzell-Wasserauen umbenannt und fusionierte 1947 zunächst mit der Appenzeller Bahn, die ihrerseits nach mehreren Fusionsschritten heute ein Teil der Appenzeller Bahnen AG ist (zum Aus der „alten“ Säntis-Bahn, siehe auch hier). Die Aktien der Appenzeller Bahnen AG sind wiederum auf OTC-X gelistet und werden dort sehr sporadisch gehandelt. Der Streubesitz der heutigen Appenzeller Bahnen AG in Höhe von 5% des Aktienkapitals (Geschäftsbericht 2018, S. 5) bei einer gleichzeitig sehr breiten Streuung – 2018 nahmen rund 350 Aktionäre an der GV teil – resultiert aus den „unzähligen“ Fusionen der Unternehmensgeschichte, darunter eben auch jener der „Säntis-Bahn A.G.“ in einer der vielen Vorgängergesellschaften. Bis heute wurden – dies nur als anekdotische Randnotiz – rund 11% des Aktienkapitals der Appenzeller Bahnen AG aus den Fusionen nicht umgetauscht. Es könnte sich dabei um einen Rekordwert handeln.
1935: Säntis-Schwebebahn AG als erste Luftseilbahn der Ostschweiz
Bereits im Jahr 1927 stand die Idee im Raum, den Säntis-Gipfel ab der Schwägalp – im Kanton Appenzell Ausserrhoden gelegen – mit einer Standseilbahn zu erreichen. Ein entsprechendes Konzessionsgesuch für eine Luftseilbahn von Kräzeren in der Gemeinde Urnäsch AR auf den Säntis, einschliesslich des Baus einer Zubringerpassstrasse, wurde im November 1927 von dem 1873 in St. Gallen geborenen und im Kanton AR tätigen Juristen Dr. Carl Meyer eingereicht. Meyer gilt als Gründer und Initiant der heutigen „Schwebebahn“ auf den Säntis und war schon früh in verschiedene Säntis-Projekte eingebunden, die sich jedoch alle aus den verschiedensten Gründen nicht verwirklichen liessen. Die Chronisten schreiben Meyer für das Jahr 1905 sogar – gemeinsam mit dem vorgängig bereits erwähnten AI-Landammann und AI-Nationalrat Karl/Carl Justin Sonderegger – ein gemeinsames Projekt einer Säntis-Erschliessung über Wasserauen AI zu, doch scheiterte auch diese Idee aus finanziellen Gründen aufgrund der zu erwartenden hohen Baukosten.
Nicht zuletzt die zugunsten der früheren Säntis-Bahn A.G. von der AI-Seite von 1909 bis Ende 1930 bestehende, aber nicht realisierte Konzession einer Säntis-Erschliessung verhinderte einen früheren Erfolg von Meyers Idee. Seine Stunde schlug erst, als das Säntis-Projekt von der AI-Seite im August 1933 final gescheitert war.
Nur einen Monat später, am 22. September 1933, erhielt Meyer „nach langem Hin und Her“ die Konzession „für die gewerbsmässige Beförderung von Personen mit regelmässigen Fahrten mit einer Luftseilbahn von der Schwägalp auf den Säntis“. Was bürokratisch klingt, war nichts weniger als die Erschliessung des Säntis-Gipfels von der Schwägalp AR aus mittels einer neu zu errichtenden Luftseilbahn.
Meyers Hartnäckigkeit hat sich schlussendlich ausbezahlt. Die bis heute im Volksmund als „Säntisbahn“ – wie schon die „alte“ Vorgängergesellschaft, die technisch allerdings keine Vorgängergesellschaft war, sondern ein wirtschaftlicher Flop – bezeichnete neue Säntis-Gesellschaft war geboren, diesmal allerdings unter verbesserten Vorzeichen.
„Grössenwahn“ und visionäre „Macher“ ermöglichen touristische Leuchtturm-Projekte
Das Fazit kann nur lauten: Touristische Grossprojekte verlangen oft einen langen Atem, Hartnäckigkeit und nicht selten auch – im positiven wie im negativen Sinne – „eine Spur Grössenwahn“.
Der Tourismus lebt, wie andere Industrien auch, von neuen Ideen und einem positiven „Grössenwahn“. Von einem Wettstreit der Ideen um das beste Konzept.
Ohne „Grössenwahn“ und visionäre „Macher“ wären viele touristische Leuchtturm-Projekte ihrer Zeit angesichts innerer und äusserer Widerstände unrealisiert geblieben. Oft waren es Einzelpersonen, aber auch politische und gesellschaftliche Strömungen, die eine Idee in ihrer Entstehungsgeschichte entweder begünstigt oder torpediert haben.
Heute käme in der Schweiz wahrscheinlich keiner mehr auf die Idee, einen noch unerschlossenen Gipfel touristisch neu zu erschliessen, womöglich gar mit einer aus der Zeit gefallenen und im Unterhalt vergleichsweise (sehr) teuren Zahnradbahn mit ihren weitreichenden Eingriffen in Flora und Fauna. Zu gross wären die (finanziellen) Risiken, zu unkalkulierbar die bürokratischen Auflagen, zu unberechenbar der sprichwörtliche „Zeitgeist“ – und mit ihm die Einsprachen der mächtigen Umweltverbände, um nur einige limitierende Faktoren zu benennen.
Stattdessen werden heute in erster Linie bereits bestehende Projekte mit teilweise riesigem finanziellem Aufwand „veredelt“, Reisezeiten optimiert, regulatorische Auflagen erfüllt und der Gästekomfort erhöht. Ski-Lifte werden – schon länger – beheizt, Gondel-Kabinen mit Glasboden und Swarovski-Kristallen versehen oder ein neues Open-Air-Erlebnis bei der Bergfahrt geschaffen. Ob Chrystal Ride, Royal Ride oder sonstige Erlebnis-Rides – der Fantasie scheinen nach oben, auch finanziell, kaum mehr Grenzen gesetzt.
Finanzielles Wettrüsten in den Alpen
Höher, schneller, teurer – das finanzielle „Wettrüsten“ in den Alpen um die Gunst der Gäste ist in einem wettbewerbsintensiven Markt, in dem die Produkte ohne neue Erlebnisse vermeintlich immer austauschbarer werden, längst Realität geworden.
Aus der bewegten Säntis-Geschichte lassen sich auch Erfolg und Misserfolg von Projekten ableiten. Während viele Projekte – rein wirtschaftlich betrachtet – „im Sande verlaufen“ und sich letztlich als Flop erweisen, entwickeln sich andere Projekte kommerziell erfolgreich und ziehen Anschlussinvestitionen mit hoher lokaler und überregionaler Wertschöpfungstiefe nach sich. Um an diesen Punkt zu kommen, braucht es nicht selten einen fruchtbaren Wettstreit der Ideen. Am Ende sollten sich – so zumindest die Theorie – die besten Ideen am Markt durchsetzen, während andere sprichwörtlich auf der Strecke bleiben.
Gar nicht so selten macht aber auch nur das „Timing“ einer Idee gepaart mit dem technischen Fortschritt und der Finanzierung den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg. Ein solcher Fall liegt, soweit wir es im Abstand von mehr als 100 Jahren aus einer Aussenperspektive beurteilen können, letztlich auch bei der unvollendeten Säntis-Bahn A.G vor: Das „richtige“ Projekt mit der „falschen“ Finanzierung, der „falschen“ Technik und alles zur „falschen“ Zeit mündete im finanziellen Fiasko für die Beteiligten.
Während sich die Säntis-Projekte der Jahrhundertwende alle als nicht realisierbar erwiesen und für die Kapitalgeber der ersten Stunde am Ende in einem Finanzdesaster endeten, mauserte sich die erst später, am 6. November 1933, gegründete und bis heute bestehende Säntis-Schwebebahn AG mit ihrem ursprünglichen Sitz in Urnäsch, Kanton Appenzell Ausserrhoden, seit ihrer Gründung zu einem erfolgreichen Bergbahnunternehmen, auch wenn die Unternehmensgeschichte genauso von Höhen und Tiefen geprägt war.
Wir stellen heute die These auf: Das „Timing“ der Schwebebahn-Gründung im November 1933 – unmittelbar nach dem finalen, letztlich aber mehr als 40 Jahre dauernden Scheitern des „anderen“ Säntis-Projekts von der AI-Seite – war in der Retrospektive, ungeachtet der aufziehenden politischen Entwicklungen im Nachbarland Deutschland – ein mehr oder weniger zufälliger, historischer Glücksfall für die heutige Säntis-Bahn, der eng mit dem Scheitern des Projekts von Wasserauen via Meglisalp, dem Konzessionsende 1930 und dem Eingeständnis des Scheiterns der „alten“ Säntis-Bahn A.G. im August 1933 verknüpft ist. Ohne dieses Scheitern von Wasserauen AI aus hätte es die Säntis-Erschliessung von Urnäsch AR bzw. der Schwägalp AR aus nie gegeben.
Wenige Jahre später, und die Säntis-Erschliessung hätte sich wegen der beginnenden Kriegswirren und der ausbleibenden Gäste in diesen Jahren wahrscheinlich nochmals deutlich verzögert, wenn denn der Gipfel nach den vielen Fehlschlägen seit 1887 überhaupt noch mit einer Bahn erschlossen worden wäre.
Pioniere der Grossprojekte sind ein historischer Glücksfall
Nicht allen touristischen Grossprojekten ist auch der wirtschaftliche Erfolg beschieden. Ohne „Grossprojekte“ – historisch betrachtet – sähe die touristische Landkarte der Schweiz heute allerdings auch sehr viel anders aus. Die Schweiz als Reiseland von internationalem Format wäre für Touristen – und sogar Aktionäre – weniger vielseitig. Es gäbe weder die Jungfraubahnen AG noch die Pilatusbahnen AG, Rigibahnen AG, Säntis-Schwebebahn AG und wie die erfolgreichen touristischen Grossprojekte des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts alle heissen. Insofern muss auch der Schweizer Tourismus diesen „Grossprojekt-Pionieren“ dankbar sein – ebenfalls ein historischer Glücksfall sozusagen.
Die Grossprojekte des 21. Jahrhunderts sind anders, weil sie – wie erwähnt – ganz andere Schwerpunkte setzen. Es geht nicht mehr um die Erschliessung bisher „unentdeckter“ Regionen oder Gipfel. Gipfel, die heute nicht erschlossen sind, werden auch kaum mehr erschlossen. Oder glaubt jemand ernsthaft daran, dass der Gipfel des Matterhorns noch mit einer Luftseilbahn oder – mehrere Nummern kleiner – das exponierte Buochserhorn am Vierwaldstättersee als Alternative zum Pilatus mit einer Bergbahn erschlossen wird? Nein.
Über allen Investitionen thront – vermeintlich – der Gast, manchmal vielleicht aber auch nur der Gestaltungs- und Verewigungswille eines „visionären Verwaltungsrats“.
Wird der Gast, das unbekannte Wesen, die hohen Investitionen in Erlebnisse, Komfort, Geschwindigkeit am Ende des Tages aber überhaupt zu würdigen wissen?
Überkapazitäten von heute sind die Investitionsruinen von morgen
Bei aller Euphorie sollte deshalb nicht vergessen werden: die Überkapazitäten von heute sind, wenn diese nicht genutzt werden können, die Investitionsruinen von morgen. Daneben gibt es, historisch betrachtet, allerlei Mahnmale für fehlgeschlagene Investitionen im Tourismus-Bereich, so etwa den legendären „Wetterhorn-Aufzug“ mit den bis heute bestehenden Ruinen von Berg- und Talstation.
Bausanierungen - hier der Einbau eines Flüssigbodens - sind ein schwieriges Geschäft. Quelle: Weiss+Appetito Holding AG
Die Weiss + Appetito Holding AG (W+A) verbuchte im ersten Semester 2019 ein Umsatzminus von 7% gegenüber dem Vorjahr. Wie das Unternehmen in einem Aktionärsbrief schreibt, wurde mit einem Gruppenumsatz von 52.8 Mio. CHF dennoch das Budget übertroffen. Im ersten Semester wurde die Neuorganisation der Führungscrew abgeschlossen. Auch seien bereits «einige Anpassungen» erfolgt. Diese führten denn auch zu einem Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) von lediglich 1 Mio. CHF nach 1.9 Mio. CHF im Vorjahr. Hierbei zu beachten sei, dass das erste Semester traditionsgemäss schwach ausfällt.
Baugeschäft als eigene Einheit
Im Rahmen der Neuorganisation wurde das Baugeschäft zu einer eigenen Einheit im Konzern umgestaltet. Diese umfasst die Bereiche Bausanierungen, Böden und Beläge. Per Ende August wurden die Umbau- und Umzugsarbeiten beendet. Die hohe Qualität der Dienstleistungen ist oft ein entscheidendes Kriterium für die Auftragsvergabe an W+A. Allerdings ist der Preis nach wie vor das Hauptkriterium. Im Berichtssemester ist es gelungen, beim Umsatz und beim Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) die Vorjahreswerte zu erreichen. Zukünftig soll die neue Organisation Synergieeffekte erlauben.
Einen deutlichen Rücksetzer erlitt die Sparte Rohrleitungs- und Anlagenbau wegen fehlender Aufträge in den Bereichen Guss und Kunststoff. Trotz der Verfehlung der Budgetziele hält das Unternehmen an der Modernisierung der Infrastruktur und Investitionen in neue Maschinen fest. Das Semesterergebnis wurde zusätzlich durch nicht näher dargestellte einmalige Aufwendungen belastet, was zu einem negativen EBITDA führte. Mit neuen Grossaufträgen, die akquiriert werden konnten, blickt das Management dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Aktuell verfügt die Sparte über einen «ansehnlichen» Arbeitsvorrat. Zudem bestehen grosse Chancen, weitere Grossprojekte realisieren zu können.
Technik-Center mit starken Zahlen
Im Technik-Center wurden die Vorjahreswerte sowohl beim Umsatz als auch beim EBITDA übertroffen. Die hohe Auslastung des ersten Halbjahres setzt sich auch im zweiten Semester fort. In der Sparte Saugen + Blasen konnte der Umsatz des Vorjahres nicht gehalten werden. Dennoch gelang es, das EBITDA unter anderem dank der ausländischen Gesellschaften zu steigern. Ebenfalls erfreulich entwickelte sich das Telekommunikationsgeschäft. Vor allem Deutschland hat sich erfreulich entwickelt, während die Investitionen in der Schweiz verhalten ausfielen. Die Fokussierung auf neue Kunden im Heimmarkt sei erfolgreich angelaufen, so dass die Geschäftsleitung erwartet, das Minus bis Jahresende egalisieren zu können. Per saldo konnten Umsatz und EBITDA gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden.
Gut aufgestellt für die Zukunft
Die Geschäftsleitung zeigt sich überzeugt, für die zukünftigen Branchenherausforderungen gut gerüstet zu sein. Die Umbauten in der Gesellschaft gepaart mit neuen Produkten erlauben einen optimistischen Blick in die Zukunft. Weiter vorangetrieben wird die aktuelle Phase des Ausbaus in die Firmeninfrastruktur, die bis Jahresende mehrheitlich abgeschlossen werden soll. Dies ist ein Teil der weiteren Prozessoptimierung, um den in allen Sparten vorhandenen knappen Margen zu begegnen. Zusätzlich setzt W+A auf Innovationen wie hochfeste Beläge und Liquidfugen.
Fazit
Die rudimentären Geschäftszahlen des ersten Semesters erlauben keine detaillierte Analyse des Geschäftsgangs der W+A im laufenden Jahr. Zwischen den Zeilen des Aktionärsbriefs kann herausgelesen werden, dass das tiefere EBITDA vor allem auf die sehr schwache Entwicklung im Rohr- und Anlagenbau zurückgeht. Ebenfalls negativ ausgewirkt haben dürften sich die Kosten des Konzernumbaus mit der Neugestaltung der Führungsstruktur.
Die Gesellschaft besitzt zwei Aktienkategorien. Auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) werden lediglich die Namenaktien B gehandelt. Auf der Basis der letztbezahlten Kurse von 310 CHF weisen die Titel einen hohen Abschlag von fast 40% auf den Buchwert per Jahresende 2018 auf. Als zumindest im aktuellen Tiefzinsumfeld attraktiv angesehen werden kann die aktuelle Ausschüttungsrendite von 2,5% unter der Annahme einer gleichbleibenden Dividendenzahlung von 8 CHF pro Aktie. Wegen des aktuell laufenden Konzernumbaus und der nur rudimentären Zahlen zum laufenden Jahr ist derzeit keine verlässliche Schätzung des KGVs möglich. Insgesamt erscheinen die Aktien auf dem aktuellen Niveau jedoch keinesfalls als überteuert. Beachten sollten Anleger die Dominanz der Partner. Diese besitzen alle Aktien der Kategorie A und zudem einen Teil der auch für Privatanleger erwerbbaren B-Aktien. Aufgrund des statutarisch vorgeschriebenen Erwerbs von B-Aktien durch die Kadermitglieder sind diese an einer guten Performance der Aktien interessiert. Hiervon sollten zumindest mittel- bis langfristig auch die freien Aktionäre profitieren können.
Die Beteiligungsgesellschaft Aevis Victoria Holding hat im ersten Halbjahr sowohl im Spital- als auch im Luxushotelgeschäft zugelegt. Beide Sparten wiesen bessere Umsatz- und operative Ergebniszahlen aus. Unter dem Strich gelang wegen des Verkaufs der auf medizinische Infrastruktur spezialisierten Tochter Infracore ein Gewinnsprung.
Die Netto-Einnahmen schossen auf 501.2 Mio. CHF nach oben von 280.6 Mio. im Vorjahressemester. Darin enthalten sei ein Gewinn aus dem Verkauf von Infracore in Höhe von 193.8 Mio. CHF, teilte Aevis Victoria am Freitag in ihrem Halbjahresbericht mit.
Der Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) kletterte von 31.8 Mio. auf 230 Mio. CHF. Das EBIT legte von 5.9 Mio. auf 201.1 Mio. CHF zu.
Der Umsatz aus dem operativen Geschäft erhöhte sich um 10,3% auf 345.1 Mio. CHF. Dabei habe sich das Spitalsegment positiv entwickelt. Der Netto-Umsatz (ohne Arztgebühren) stieg hier um 9,8% auf 268.9 Mio. CHF. Das EBITDA kletterte um die Hälfte auf 23.8 Mio. CHF.
Die Gruppe hat im ersten Halbjahr zwei Spitäler und zwei Gesundheitszentren übernommen. Das organische Wachstum habe sich bei den Gesamteinnahmen auf 6,8% belaufen, und dies trotz tieferer Tarmed-Tarife, welche vor einem Jahr eingeführt worden waren, wie Aevis weiter schrieb. Die Expansion geht weiter. Auf den 1. Oktober werde die von der Hirslanden-Gruppe übernommene Schaffhauser Klinik Belair in Aevis integriert, hiess es.
Die Geschäftsaktivitäten würden gegenüber 2018 signifikant zulegen. Deshalb erwarte Aevis im Spitalgeschäft einen neuen Rekordumsatz im Gesamtjahr 2019. Die neu dazu erworbenen Spitäler und Gesundheitszentren sollen ihre Integration fortsetzen und dieselbe operative Performance wie die bisherigen Spitäler erreichen.
Höhere Zimmerpreise in Luxushotels
Bei den Luxushotels der Victoria-Jungfrau Collection stieg der Umsatz um 3,5% auf 29.2 Mio. CHF. Der durchschnittliche Zimmerpreis sei auf 383 CHF pro Nacht erhöht worden von 364 CHF zuvor. Der Betriebsverlust (EBITDA) verkleinerte sich auf 1.4 Mio. CHF von 1.7 Mio. CHF vor einem Jahr.
Im zweiten Halbjahr sollte das Ergebnis positiv beeinflusst werden vom guten Sommer und saisonalen Effekten, hiess es. Zudem werde im Dezember das Hotel Eden au Lac in Zürich wieder eröffnet, dessen Renovationsarbeiten leichte Verspätung haben. Damit werde man wieder vier Hotels haben, was Umsatz und Margen verbessern werde, hiess es.
Die Aktien der Aevis Victoria Holding sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 12.80 CHF für eine Aktie bezahlt.
Ein Implenia-Kran thront hoch über Zürich. Der Konzern ist allerdings dabei, seinen Auslandanteil signifikant zu erhöhen. Bild: implenia.com
Die Aktien von Implenia sind am Freitag stark gesucht. Spekulative Käufe treiben den Aktienkurs in die Höhe. Als Auslöser nennen Händler den Zusammenschluss zweier Aktionäre zu einer Gruppe.
Die Aktie notiert um 09.35 Uhr um 2,6% höher auf 36.30 CHF. Zeitweise lag die Aktie um mehr als 4% im Plus. Derweil zieht der Gesamtmarkt gemessen am SPI um 0,1% an.
Gemäss einer Mitteilung vom Freitag hat sich eine Aktionärsgruppe um Veraison Capital, Parmino Holding und Max Rössler formiert, die zusammen 18,1% des Aktienkapitals halte. „Ziel der Aktionärsgruppe ist es, Implenia zurück auf den Weg zum Erfolg zu begleiten und dabei den Wert des Unternehmens zu sichern und auszubauen“, heisst es in der Mitteilung.
Gemäss Geschäftsbericht hält Max Rössler über die Parmino Holding 16,3% an Implenia.
„Veraison gilt als aktivistischer Aktionär, der seine Forderungen knallhart durchsetzt“, sagt ein Händler. Daher dürfte sich ein Einstieg lohnen.
Implenia verbuchte vor allem wegen der Auslandsengagements im Vorjahr einen Gewinneinbruch. Und auch im laufenden Jahr schlugen erneut Abschreibungen in Norwegen und Polen negativ zu Buche.
Die Zuger Immobiliengesellschaft Fundamenta Real Estate schaut auf ein erfolgreiches Halbjahr 2019 zurück. Sowohl bei den Mieteinnahmen als auch auf Gewinnseite hat die Gesellschaft Zuwächse verzeichnet. Die Aktien der Immobilienfirma werden seit vergangenem Dezember an der Schweizer Börse gehandelt. Für das laufende Jahr bleibt die Gesellschaft zuversichtlich, die angestrebten Zielwerte zu erreichen.
Aus seinen Liegenschaften erzielte die Gruppe Mieterträge von 14.3 Mio. CHF, ein Plus von 14,6% gegenüber dem ersten Halbjahr 2018. Dies sei durch den planmässigen und selektiven Portfolio-Ausbau erreicht worden, wie die Gruppe am Freitag mitteilte.
Der Fokus der Investitionen lag auch in den ersten sechs Monaten unverändert auf Wohnimmobilien im mittleren Mietzinssegment. Der bereits hohe Mietanteil konnte leicht auf 92,1% von 91,7% im Vorjahr erhöht werden. Die Leerstandsquote reduzierte sich deutlich auf 3,4% (Vj: 5, 1%).
Deutliches Gewinnplus
Vor allem aber auf Gewinnseite hat die Gruppe deutlich zulegen können. Hier steigerte sie den Reingewinn um 54% auf 10.1 Mio. CHF. Eine deutliche Verbesserung des operativen Ergebnisses und ein auf den Anlageimmobilien erzielter Neubewertungseffekt haben den Angaben zufolge zu diesem Resultat geführt.
Ihr Immobilien-Portfolio hat die Gesellschaft im ersten Halbjahr 2019 mit drei weiteren Liegenschaften in den Kantonen Zürich, Bern und Aargau sowie einem Entwicklungsprojekt in Zofingen weiter ergänzt. Die neu erworbenen Bestandsliegenschaften weisen einen Marktwert von 48.3 Mio. CHF auf. Unter Berücksichtigung der insgesamt vier Entwicklungsprojekte in Zürich, Schlieren und Zofingen umfasste das Immobilienportfolio am Ende der Berichtsperiode insgesamt 63 Liegenschaften mit 1’782 Wohneinheiten.
Für den weiteren Verlauf zeigt sich der Verwaltungsrat der Gesellschaft zuversichtlich, die angestrebten Zielwerte im Geschäftsjahr 2019 zu erreichen.
Die Aktien der Fundamenta Real Estate AG sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 14.80 CHF pro Aktie gezahlt.
Urs Kessler, CEO der Jungfraubahn, auf der Baustelle der V-Bahn in Grindelwald. Bild. Video Halbjehrsbericht 2019 www.jungfraubahn.ch
Rechtzeitig zum Beginn der Wintersaison 2019/20 soll der erste Teil des V-Bahn-Projektes in Grindelwald seinen Betrieb aufnehmen. Mit der Männlichenbahn können die Skifahrer dann schneller als bisher auf den Männlichen fahren. Am 12. Dezember 2020 wird der zweite Ast der V-Bahn zum Eigergletscher in Betrieb gehen und das 470 Mio. CHF teure Projekt der Jungfraubahn Gruppe fertiggestellt werden. Die V-Bahn soll der Bahn weiteres Wachstum bescheren. Dabei eilt das Tourismusunternehmen schon heute von Rekord zu Rekord: Im ersten Semester 2019 stieg der Umsatz um 6,5% auf 106.7 Mio. CHF. Der Reingewinn schnellte um 19% in die Höhe und erreichte 23.9 Mio. CHF.
Im Interview mit schweizeraktien.net zeigt CEO Urs Kessler auf, wo es für die Gruppe noch Wachstumspotenzial gibt. Allerdings machen ihm aktuell die Auswirkungen des Handelskrieges zwischen China und den USA und die Konflikte in Hongkong Sorgen. Er äussert sich auch zur V-Bahn und betont, dass Aufgeben für ihn nie in Betracht gezogen wurde.
Urs Kessler spricht am Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net, der am 17. September in Andermatt stattfindet.
Herr Kessler, Sie haben kürzlich wieder ein Rekordergebnis für das 1. Semester 2019 bekannt gegeben. Das V-Bahn Projekt ist auf Kurs. Was kann die Jungfraubahn-Gruppe auf dem Weg zu den nächsten Rekordzahlen noch stoppen?
Im Moment sind dies die Auswirkungen des Handelskriegs zwischen China und den USA sowie des Konflikts in Hongkong, welche nicht nur für China, sondern für Asien generell belastend sein können.
Zudem fördert die Vollintegration von touristischen Bahnen in den Swiss Travel Pass den Massentourismus, insbesondere in der Zentralschweiz. Dass Ausflugsziele zu einem Spottpreis verkauft werden, schadet der gesamten Tourismusbranche.
Die Planung des wichtigen V-Bahn Projekts hat über sechs Jahre gedauert. Welches sind die schwierigsten Hürden gewesen, die es zu überwinden gab?
Es gab einige Hürden, welche in den über sechs Jahren Planung gemeistert werden mussten. Nach jahrelangen Abklärungen, der Prüfung von Varianten und Untervarianten, anstrengenden politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen sowie einer riesigen planerischen Vorleistung mit Kosten von rund 15 Mio. CHF war es darum umso schöner, als am 8. Juni 2018 der Beschwerdeverzicht gegen die Plangenehmigung eingereicht wurde.
Haben Sie auch mal ans Aufgeben gedacht?
Unser Motto war stets: «Wer etwas will, sucht Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe.»
Aufgeben war für mich nie eine Option. Ich bin überzeugt, dass dieses Generationenprojekt der gesamten Jungfrau Region und dem Kanton Bern einen langfristigen Nutzen bringen wird, und dafür hat es sich immer gelohnt zu kämpfen. Zudem sichert und schafft das Projekt V-Bahn bis zu 600 neue Arbeitsplätze.
Das Segment Jungfraujoch steuert mit fast 140 Mio. CHF Umsatz den Mammutanteil zu den Umsätzen der Gruppe bei; mit 68 Mio. CHF stammen fast zwei Drittel des Betriebsgewinns (EBITDA) von den Fahrten auf das Jungfraujoch. Wie lassen sich diese Zahlen mit der V-Bahn noch steigern?
Mit der V-Bahn wollen wir primär die Qualität steigern und somit an der Limitierung der Jungfraujoch-Besucher von rund 5’250 Gästen pro Tag festhalten. Wir wollen vor allem in den besucherschwächeren Monaten wachsen. Unsere Vision lautet: zwölf Monate Hochsaison und ein Durchschnittsertrag von 120 CHF pro Gast. Durch den direkten Anschluss der V-Bahn an den öffentlichen Verkehr gewinnt die Bahn an Attraktivität. Die Anreisezeiten ins Skigebiet sowie zum Jungfraujoch werden mit dem neuen Grindelwald Terminal um durchschnittlich 47 Minuten deutlich verkürzt. Der öffentliche Verkehr wird markant an Bedeutung gewinnen.
Eine Erfolgsgeschichte sind auch die Erlebnisberge, zu denen der Harder und auch die Region Mürren gehören. Wo sehen Sie noch Wachstumsmöglichkeiten im Bereich der Erlebnisberge?
Wie bereits erwähnt, wollen wir unseren Gästen ein Ganzjahreserlebnis bieten. Auch bei unseren Erlebnisbergen ist es uns ein Anliegen, das Serviceangebot stetig auszubauen und durch attraktive Angebote ein erfolgreiches Cross-Marketing mit dem Jungfraujoch – Top of Europe sicherzustellen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die glasklare Positionierung.
Sorgenkind ist nach wie vor der Wintersport. 2018 erzielte das Segment bei einem Umsatz von 28 Mio. CHF auf Stufe EBITDA gerade einmal eine «schwarze Null». Sie setzen sehr stark darauf, dass die V-Bahn auch das Wintersportgeschäft wieder in die schwarzen Zahlen bringt. Was macht Sie so zuversichtlich?
Das Projekt V-Bahn garantiert Anlagen von neuestem Standard mit hohem Gästekomfort. Durch die Kapazitätserhöhung mit der 3S-Bahn Eiger Express und der 10er-Gondelbahn Grindelwald-Männlichen wird dem Anstehen im Tal ein Ende gesetzt. Bereits ab dieser Wintersaison können unsere Gäste vom direkten ÖV-Anschluss der Berner Oberland-Bahn, dem schnelleren Erreichen der Skipisten mit der neuen GGM und dem Shuttle Bus zur Firstbahn profitieren.
Im Wintersportgeschäft ist ein Preiskampf im Gange. Mit dem Top 4 Skipass ist die Jungfrauregion ebenfalls dabei. Wie schätzen Sie den Erfolg dieses Produktes ein, und wie lange werden die Jungfraubahnen noch dabeibleiben?
Der Top4-Skipass ist nach wie vor ein sehr attraktives Saisonabonnement. Die Nachfrage kann so auch von Faktoren, welche den kurzfristigen Kauf beeinflussen, entkoppelt werden. Mit dem Start der Wintersaison 2019/2020 werden wir prüfen, ob und zu welchem Preis das Angebot auf dem Markt 2020/2021 erhältlich sein wird.
Neu setzen Sie auch auf die Gastronomie und eigene Shops. Wo gross ist das Umsatzpotenzial für die Gruppe in diesem Bereich?
Als integriertes Tourismusunternehmen wollen wir uns unserer Vision entsprechend zu einem Freizeitunternehmen weiterentwickeln. Auf der Achse Interlaken-Jungfraujoch entsteht mit der V-Bahn eine Route, auf der das Ausflugs- und Freizeitangebot mit Shopping und Gastronomie aus einer Hand ergänzt wird. Wir freuen uns darauf zu sehen, wie sich unser Unternehmen in diesen Sparten entwickeln wird. Hier wollen wir nicht kurzfristiges Wachstum, sondern langfristige Vorteile mit grösserer Einflussnahme auf die Wertschöpfungskette.
Der klassische Detailhandel leidet unter dem Trend zum Onlineshopping. Wie verknüpfen Sie die reale mit der virtuellen Welt?
Alle unsere Shopartikel sind auch im Onlineshop auf unserer Webseite erhältlich. Für uns steht die Kundenorientierung im Fokus. Gerade Gäste aus asiatischen Ländern schätzen den direkten Kontakt und die Beratung in unseren Shops. Mit dem neuen Flagship Store in Interlaken werden wir neue Massstäbe setzen.
Der Handelskrieg zwischen China und den USA belastet die globale Konjunktur. Inwiefern ist das Reiseverhalten der Gäste aus Übersee davon betroffen, und wie reagieren Sie darauf? Wird das Wachstum in der 2. Jahreshälfte 2019 und im kommenden Jahr abflachen?
Meine Verkaufsreisen nach Asien haben gezeigt, dass die zweite Jahreshälfte herausfordernd sein wird. Wir blicken der zweiten Jahreshälfte 2019 trotz dieser Spannungen aber positiv entgegen.
Der Klimawandel beherrscht derzeit die Politik und Medien. Mit seinem Produkt, der Natur, ist die Jungfraubahn Gruppe auch davon betroffen. Welche Massnahmen haben Sie in Ihrem Unternehmen ergriffen, um «klimafreundlicher» zu agieren?
Hier spielt vor allem auch das Projekt V-Bahn eine zentrale Rolle. Gerade für die kommenden Generationen wird sich positiv auswirken, dass die V-Bahn durch den direkten ÖV-Anschluss mit dem Grindelwald Terminal die Nutzung des öffentlichen Verkehrs fördert. Die V-Bahn bringt einen Rückgang des motorisierten Individualverkehrs, was zu einem Minderverkehr auf der Strasse führt. Diese Verlagerung ist zukunftsweisend. Mit der Innovation „Jungfrau App“ werden Gäste, welche mit dem Auto anreisen, direkt zum gebuchten Parkplatz geführt.
Die Verbundenheit mit Lauterbrunnen und Grindelwald unterstreichen wir zudem mit einem Nachhaltigkeitsfonds, der auf den Zeitpunkt der Eröffnung der gesamten V-Bahn eingerichtet wird.
Hat das Thema «Flugscham» möglicherweise auch Auswirkungen auf das Reiseverhalten der Gäste aus Übersee?
Wir stellen aktuell keine negativen Auswirkungen fest.
Rekordzahlen, V-Bahn, Expansion in Gastronomie und Shops – welches sind die nächsten Schritte der Gruppe oder gehen Ihnen dann langsam die Ideen aus?
Die gesamte Eröffnung der V-Bahn am 12. Dezember 2020 wird ein Meilenstein in der Geschichte der Jungfraubahnen sein. Wir haben eine gut gefüllte Projektpipeline. Ich freue mich darauf zu sehen, wo uns diese noch hinführen wird.
Die Aktien der Jungfraubahn Holding sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt kosteten sie 160 CHF.
Zu den besten Aktien im ausserbörslichen Handel zählt der Sustainability Leader Patiswiss. Schon seit 2013 wird auf Palmöl verzichtet. Haselnüsse, Mandeln, Vanille und weitere Rohstoffe werden persönlich geprüft und eingekauft. Die zertifizierten Confiserie-Halbfabrikate sind von Endkunden nachgefragt und differenzieren die von Patiswiss belieferten Confiserien im Wettbewerb. In den vergangenen 10 Jahren stieg die Aktie um über 400%.
Kursverlauf der Patiswiss-Aktie in den letzten zehn Jahren. Quelle: money-net.ch
Auch die 3-Jahres-Performance fällt mit einem Anstieg von 320 CHF auf 565 CHF positiv aus; den deutlichen Knick im OTC-X Index für Nahrungsmittel und Getränke seit Mitte 2018 hat die Patiswiss-Aktie nicht mit vollzogen, sondern legte weiter zu. Eine solche relative Stärke ist ein gutes Signal, denn die Aktionäre verkaufen nicht, und neue kommen auch auf dem erreichten hohen Kursniveau dazu.
Widrige Marktbedingungen
Dabei sind die Marktbedingungen für das bereits 1905 in Basel als Einkaufsgenossenschaft der Confiseure gegründete Unternehmen nicht einfach. Von den Umsätzen entfallen 68% auf Halbfabrikate aus Kernen. Auf der Einkaufsseite ist Patiswiss von Erntemengen und Preisverzerrungen durch Markteingriffe betroffen, auf der Verkaufsseite von einem Schrumpfungsprozess der Confiserien. Dazu kommt als Effekt der Wechselkursentwicklungen, dass Industriekunden ihre Produktion in die günstigeren Länder der EU verlagern.
Management-Strategien
Dem Strukturwandel begegnet Patiswiss mit fortgesetzt hohen Investitionen in Effizienzsteigerungen sowie der Entwicklung innovativer Rezepturen. Nicht zuletzt wird verstärkt in die Belegschaft investiert. Bereits früh hatte das Management die TQM-basierte Führung (Total Quality Management) implementiert und damit das Unternehmen weiter vorangebracht. Um jedoch alle verfügbaren Ressourcen optimal zu nutzen, werden nun die Mitarbeitenden sehr viel stärker in die Entscheidungsabläufe integriert.
Das neu eingeführte „Shopfloor Management“ setzt Potenziale frei, fördert und motiviert. In täglichen interaktiven Meetings weisen die Vorgesetzten nun nicht mehr an, sondern wirken auf die Optimierung der Prozesse hin. Fehler werden so früher erkannt und behoben, die Effizienz und die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigt. Es geht nun nicht mehr um Probleme, sondern um Lösungen.
Wetter und andere Faktoren
Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder, die trotz dem zu bewältigenden Strukturwandel relativ gut ausfallen. 2018 war der Umsatz um 2,2% auf 15.7 Mio. CHF zurückgegangen. Ein wesentlicher Grund war die lang anhaltende Hitzeperiode, die den Appetit auf frische Confiseriewaren empfindlich dämpfte. Es fielen aber auch Kunden weg, sei es wegen der Schliessung von Confiserien und Bäckereien oder aufgrund von Produktionsverlagerungen ins Ausland.
Bewertung
Aufgrund von Investitionen in die Erweiterung der Rohwarenlager und die Ergänzung der Füllmassenlinie sowie die Neugestaltung der Sozialräume ging die EBITDA-Marge von 8,8% im Vorjahr auf 7,4% zurück, der Reingewinn fiel um 4,3% auf 0.3 Mio. CHF. Die Eigenkapitalquote hat sich dagegen von 57,9% auf 62,2% verbessert. Die Eigenkapitalrendite beträgt immerhin 4,4%. Gemessen an der Dividendenrendite von 1,3% und der KGV-Bewertung mit dem 60-fachen Jahresgewinn (2018) ist die Aktie nicht günstig bewertet. Dies relativiert sich allerdings, orientiert man sich am Brandversicherungswert von 24.4 Mio. CHF für Mobilien und Immobilien. Gegenwärtig wird Patiswiss im ausserbörslichen Aktienmarkt mit 16 Mio. CHF bis 18 Mio. CHF (Geld und Brief) bewertet. Das entspricht einem KUV von etwa 1, was in der Nahrungsmittelbranche durchaus als günstig anzusehen ist.
Absatz mit 8% Zuwachs
Quelle: patiswiss.com
Patiswiss nutzt die Verschiebungen bei den Abnehmergruppen, um sich gleichzeitig von margenschwachen Aktivitäten zu trennen und so die Profitabilität zu erhöhen. Darüber können die ausgewiesenen Zahlen auf den ersten Blick täuschen. Patiswiss nimmt auch hohe Abschreibungen auf die getätigten Investitionen vor. Die tatsächliche Geschäftsentwicklung ist mit einem im letzten Geschäftsjahr um 8% gesteigerten Absatz weit besser als die Umsatzzahlen vermuten lassen. Hintergrund ist das im Verhältnis zu den Vorjahren schwächere Preisniveau bei Haselnüssen und Mandeln, den Hauptingredienzen für Patiswiss. Die geringeren Einkaufspreise wurden an die Kunden weitergegeben. Diese sind oft auch Aktionäre. Rund 70% des Aktienkapitals werden von Confiseuren und Bäckern gehalten. Insgesamt hat die Gesellschaft 455 Aktionäre.
Strukturwandel
Die grösste Kundengruppe ist mittlerweile mit 48% die Industrie, auf Gewerbekunden entfallen noch 40%. Demgegenüber steuern Export, Gastronomie und Grosshandel zusammen nur noch 12% zum Umsatz bei. Chancen für Wachstum bestehen eindeutig im Export, der bislang aber stetig an Bedeutung verloren hat. Es wird an der 2019 gewechselten Unternehmensspitze – CEO und VRP – liegen, eine neue und schlagkräftige Exportstrategie zu entwickeln und umzusetzen.
Fazit
Durch die seit vielen Jahren konsequent nachhaltige Ausrichtung hat Patiswiss erfolgreich Differenzierungsmerkmale ausgebildet und Marktanteile im wachsenden Bereich zertifizierter und fair gehandelter Confiserie-Halbfabrikate gewonnen. Hohe Investitionen führen zu Effizienz und weiteren Innovationen, was die marktführende Stellung befestigt. Nach einem jahrelangen Höhenflug ist die Aktie auf der aktuellen Kursbasis jedoch fair bewertet. Für einen Einstieg sollte eine Korrektur abgewartet werden.
Der Stahlhersteller Schmolz+Bickenbach (S+B) hat seine Guidance für den Betriebsgewinn im Gesamtjahr deutlich gesenkt. Das bereinigte EBITDA wird nun neu zwischen 70 und 100 Mio. EUR erwartet. Zuvor lautete die Prognose auf 130 bis 170 Mio. EUR.
Die neue Zielgrösse sei auf Basis der zu Ende August vorliegenden vorläufigen Geschäftszahlen der ersten acht Monate getroffen worden, heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Die Stahlnachfrage habe sich im dritten Quartal aufgrund politischer Unsicherheiten und eskalierender Handelskonflikte nochmals abgeschwächt.
Der Auftragsbestand sei weiter zurückgegangen, da die schwache Nachfrage aus der Automobilindustrie durch niedrigere Aufträge aus dem Maschinenbau verstärkt worden sei. Aufgrund der verschlechterten Ergebnisse und abgeschwächten Aussichten werde zudem der Nutzungswert des Betriebsvermögens überprüft.
Das Unternehmen will der negativen Marktentwicklung „entschlossen entgegensteuern und die Auswirkungen auf das Unternehmen minimieren“, wie es weiter heisst. Die Massnahmen zur operativen Kostenverbesserung und Liquiditätserhaltung würden entsprechend intensiviert.
Die Aktien von Schmolz+Bickenbach sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 0.25 CHF für eine Aktie bezahlt.