Im Brennpunkt: Strompreiskrise – Geht es mit der Wasserkraft weiter bachab?

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Der Strom kommt aus der Steckdose. Doch wie kommt er da hinein? In der Schweiz stammen 56% der erzeugten Energie aus den Wasserkraftwerken, mithin 97% der aus regenerativen Energien gewonnenen Elektrizität. Doch die anhaltend schwachen Strompreise machen die Wasserkraft nicht nur unwirtschaftlich, sondern stellen inzwischen eine regelrechte Existenzbedrohung dar, die auch die Energiestrategie 2050 infrage stellt.

Strombedarf und Anteile Wasserkraft 1950-2014, Quelle: BFE, 2015/www.swv.ch
Strombedarf und Anteile Wasserkraft 1950-2014, Quelle: BFE, 2015/www.swv.ch

Im Gebirgsland Schweiz war bis in die 1970er-Jahre Elektrizität praktisch gleichbedeutend mit Wasserkraft. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Kraftwerke und trugen rund 90% zur inländischen Elektrizitätserzeugung bei, bevor dann die Kernkraft ausgebaut wurde.

Wasserkraft ist umweltverträglich, produziert keinerlei Emissionen von Treibhausgasen, ist eine der kostengünstigsten Energieformen und in der Schweiz deshalb der historisch gewachsene hauptsächliche Lieferant von Elektrizität. Der Wasserreichtum und die an Gefälle reiche Schweizer Landschaft sind ein Segen – unter normalen Umständen.

Das Wasserkraft-Paradoxon

Seit 2008 sind parallel zur Teilliberalisierung des Schweizerischen Strommarktes die Preise an den Europäischen Strombörsen massiv gefallen. Eine Erholung ist nicht in Sicht.
Seit 2008 sind parallel zur Teilliberalisierung des Schweizerischen Strommarktes die Preise an den Europäischen Strombörsen massiv gefallen. Eine Erholung ist nicht in Sicht.

Doch was für Wasserkraftwerke kennzeichnend ist, stellt sich in Zeiten eines Überangebots infolge unkoordinierter europäischer Liberalisierungsschritte als gravierender Nachteil heraus. Wasserkraftwerke zeichnen sich durch eine extrem lange Nutzungsdauer, hohe Anlaufinvestitionen und eine sehr lange Amortisationsdauer aus. Unter stabilen Rahmenbedingungen, wie sie jahrzehntelang vorherrschten, war Strom aus Wasserkraft konkurrenzlos günstig. Doch seit die Überschüsse aus den in Deutschland rapide aufgebauten Wind- und Solarkapazitäten auf die Preise drücken, produzieren die meisten der 604 grossen Schweizer Kraftwerke unter ihren Kosten. Das mag vorübergehend, vielleicht auch für einige Jahre verkraftet werden können, weil die Kraftwerksbetreiber oftmals über die Zeitspanne von 100 Jahren und mehr beträchtliche Reserven aufgebaut haben, doch auf Dauer ist ein solches Preisgefüge für die gesamte Industrie hochgradig zerstörerisch. Vielfach unterbleiben geplante und sinnvolle Erweiterungsinvestitionen, weil sie sich auf aktueller Preisbasis nicht rechnen (siehe unten stehende Abbildung). Das Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU lässt weiterhin auf sich warten, was trotz vielleicht übertriebener Hoffnungen zur Unsicherheit beiträgt.

Wasserzins im Fokus

Typische Kostenstruktur eines grossen Wasserkraftwerkes. Den grössten Block bilden die investitionsbedingten Kosten, gefolgt von den Abgaben an die öffentliche Hand. Quelle: www.swv.ch
Typische Kostenstruktur eines grossen Wasserkraftwerkes. Den grössten Block bilden die investitionsbedingten Kosten, gefolgt von den Abgaben an die öffentliche Hand. Quelle: www.swv.ch

Da sich eine nachhaltige Trendwende bei der Entwicklung der Strompreise bisher nicht abzeichnet – auch in den Geschäftsberichten der Versorger stellt man sich auf weiterhin tiefe Preise ein -, wird über andere Massnahmen diskutiert und spekuliert. Die wohl grösste Stellschraube, an der gedreht werden kann, ist der Wasserzins, den die Kraftwerksbetreiber an die Kantone für die Nutzung der Ressource abführen müssen. Aktuell summiert sich der jährliche Wasserzins auf 550 Mio. CHF, der Umsatz der Wasserkraftwerksbetreiber beläuft sich auf 1.8 Mrd. CHF.

Wichtige Einnahme für Kantone und Gemeinden

Der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband beziffert in der typische Kostenstruktur der Branche die öffentlichen Abgaben, vor allem den Wasserzins, mit einem Anteil von 35%. Die tatsächlichen Betriebskosten inklusive Personal machen demgegenüber lediglich 25% aus. Auf Kapitalkosten und Abschreibungen entfallen 40%. An den beiden letzteren Positionen lässt sich von Unternehmensseite oder Politik wenig ändern, da die Unternehmen bereits sehr effizient geführt werden und nach drei Jahrzehnten sinkender Leitzinsen, in der Schweiz bis in den negativen Bereich, das Ende der Bandbreite erreicht ist. Aber der Wasserzins ist seit 1997 auf das Doppelte gestiegen, weil Auflagen bezüglich Umwelt- und Denkmalschutz deutlich zugenommen haben. Für die Kantone Wallis und Graubünden sind die Wasserzinseinnahmen von 160 Mio. CHF bzw. 120 Mio. CHF eine wesentliche Einnahmequelle, im Tessin sind es 55 Mio. CHF und in Bern und Aargau jeweils 50 Mio. CHF. In vielen Gemeinden machen die Wasserzinseinnahmen bis zu 40% der Gesamteinnahmen aus.

Limmern würde heute nicht gebaut

Die Staumauer Muttsee des Kraftwerks Limmern. Bild: www.axpo.ch
Die Staumauer Muttsee des Kraftwerks Limmern. Bild: www.axpo.ch

Einen Eindruck von den Grössenordnungen vermittelt das neue Pumpspeicherkraftwerk Limmern im Kanton Glarus, in das 2.1 Mrd. CHF investiert wurden. Als das Kraftwerk, eine Meisterleistung der alpinen Ingenieurskunst, vor über 10 Jahren geplant wurde, waren Preisgefüge und wirtschaftlicher Ausblick noch intakt. Unter Kenntnis der aktuellen Marktbedingungen wäre das Kraftwerk jedoch nie entstanden.

1 Mrd. CHF Minus pro Jahr

Wasserkraftwerke sind sehr langlebig, erfordern jedoch auch fortlaufende Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen. Diese werden – ohne den Aufbau neuer Kapazitäten – bis 2050 im Rahmen der Energiestrategie 2050 auf rund 30 Mrd. CHF geschätzt. Da die laufende Wasserzinsvereinbarung bis 2019 läuft, lässt sich vereinfacht sagen, dass ab 2020 pro Jahr 1 Mrd. CHF Investitionen erforderlich sind, um den bestehenden Kraftwerkspark funktionstüchtig zu erhalten. Gegenwärtig liegen jedoch die jährlichen Kosten der Wasserkraftwerksbetreiber bei 2.8 Mrd. CHF, 1 Mrd. mehr als eingenommen werden. Mit anderen Worten: Es wird viel Geld verbrannt.

Versorger-Baisse

Chart SWX Utility-Index 10 Jahre. Quelle: SIXid
Chart SWX Utility-Index 10 Jahre. Quelle: SIXid

Je länger die defizitäre Phase anhält, umso mehr werden die Bilanzen ausgeweidet, die Handlungsspielräume gehen sukzessive verloren. An der Börse und im ausserbörslichen Handel spiegelt sich diese Malaise in der jahrelangen Baisse der Versorger wider. Die Alpiq-Aktie verlor seit 2009 um über 90% in der Spitze. Aber auch Repower, BKW und Romande Energie verloren beträchtlich. Eine Ausnahme stellt die WWZ AG dar, deren Aktie, gegen den Trend, über die letzten Jahre sogar zulegen konnte. Die WWZ sind allerdings in einer Sonderstellung, denn sie kontrollieren auch die Netzverteilung in ihrer Region und sind, darüber hinaus, mittlerweile zum zweitgrössten Kabelnetzbetreiber der Schweiz geworden.

Ausblick

Da in der Schweiz jedoch stets auch ein gewisses Mass an Pragmatismus herrscht, laufen die Diskussionen und Verhandlungen in die Richtung, dass die Kantone bereit sind zu akzeptieren, dass die Ressource Wasser auf dem nachhaltig tieferen Strompreisniveau eben nicht so viel wert ist, wie bisher angenommen. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass die Gesellschaft zur Erhaltung ihrer Energiesouveränität ein Opfer zu bringen bereit ist. Weiterhin hat sich der Nationalrat zuletzt im September klar zur Wasserkraft bekannt, was auch Subventionen beinhaltet. Dies wird den Betreibern der Wasserkraftwerke zwar Erleichterung bringen, doch auf Dauer muss sich der Strompreis trotzdem deutlich erhöhen, um eine nachhaltige Profitabilität der Branche zu ermöglichen. Ohne diese Perspektive ist auch fraglich, wie die Ziele der Energiestrategie 2050 erreicht werden sollen.

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