Fernando Lehner, CEO der BVZ-Gruppe: „Wir können uns aus einer Position der Stärke weiterentwickeln“

Steigende Buchungszahlen und höhere Erträge für die nähere Zukunft erwartet. Investitionen in neues Rollmaterial von über 370 Mio CHF bis 2030 geplant.

0
3898

Die Bahngesellschaft BVZ Holding AG konnte 2017 von der weiteren Erholung des Schweizerischen Tourismus profitieren. Die Abschwächung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro brachte zusätzliche Gäste aus dem Euroraum, die den Ausflugsverkehr klar wachsen liessen. Deutlich wird dies etwa beim Blick auf das Geschäftsfeld Gornergrat Bahn, das ein Umsatzplus von 14.7% erreichte.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net nimmt Fernando Lehner, CEO der BVZ Holding AG, zur Strategie und zu den geplanten Investitionen Stellung.

Der 58jährige Fernando Lehner ist eidg. dipl. Maschineningenieur HTL/FH, sowie Master of Management von Malik MZSG. Von 1985 bis 2002 war er in diversen Funktionen bei der Lonza AG tätig. 2003 folgte der Übertritt zur Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding AG. Dort leitete er bis 2012 den Bereich Rollmaterial und Traktion. Seit September 2012 ist der Ingenieur CEO der Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding. Bild: BVZ Holding

schweizeraktien.net: Die BVZ macht seit rund fünf Jahren stetige Fortschritte. Keine Selbstverständlichkeit für ein Touristikunternehmen. Was machen Sie besser als andere Branchenunternehmen?

Fernando Lehner: Ob wir etwas besser machen als andere, sollen andere beurteilen. Ich kann nur sagen, was wir aus meiner Sicht gut machen: Zuerst ist hier sicher die Fokussierung auf die vier strategischen Geschäftsfelder Gornergrat, Immobilien, Beteiligungen und Mobilität zu nennen. Mit dieser Ausrichtung sind wir sehr breit aufgestellt, was uns eine gewisse Sicherheit bei Schwankungen in einem Segment gibt. Dies wird durch die recht gleichmässige Verteilung des Winter- und Sommergeschäfts verstärkt. Und wir verfügen inzwischen über ein gutes Beziehungs- und Vermarktungsnetzwerk in den wichtigen Überseemärkten. Zudem haben wir uns frühzeitig mit den Chancen beschäftigt, die sich durch die Digitalisierung ergeben.

schweizeraktien.net: Wie wird sich die Zahl der Passagiere, Umsatz und Ertrag in den nächsten Jahren entwickeln?

Fernando Lehner: Prognosen sind insbesondere im Tourismus recht schwierig, da dieser einigen Faktoren unterliegt, die wir nicht beeinflussen können. Allfällige geopolitische Verwerfungen oder Währungsschwankungen sind da nur zwei von vielen Facetten, die vor allem die Zahl bei den internationalen Besuchen schnell und nachhaltig beeinträchtigen können. Grundsätzlich sind wir wegen unserer diversifizierten Aufstellung, dem in der Vergangenheit kontinuierlich mehr als die Hälfte des Umsatzes ausmachenden starken Schweizer Heimatmarktes und den Potenzialen in den Wachstumsmärkten zuversichtlich, den Trend der vergangenen Jahre fortsetzen zu können.

schweizeraktien.net: Wo sehen Sie die langfristige Entwicklung der BVZ? Im welchem Bereich sehen Sie das grösste Potenzial?

Fernando Lehner: Die BVZ profitiert von ihrer Ausrichtung als „Private Public Partnership“, sprich als Unternehmen, das öffentliche Verkehrsdienstleistungen und privat-wirtschaftliche touristische Produkt unter einem Dach vereint. Beide Bereiche profitieren von Synergien beim Personal-, Sachmittel- und Finanzressourceneinsatz. Dem öV-Sektor kommt zudem das im Unternehmen verankerte privatwirtschaftliche Denken und Handeln zugute, während die öV-Anbindungen als Zubringer für die privatwirtschaftlichen Produkte Gornergrat und Glacier Express fungieren. Gleichzeitig achten wir strikt darauf, dass es zwischen öV-Auftrag und privat-wirtschaftlichen Bereichen keine Quersubventionierungen gibt, was uns die eidgenössische Finanzkontrolle erst 2016 so bestätigt hat. Rein wirtschaftlich betrachtet, bietet sicher der Gornergrat noch einiges an Entwicklungsmöglichkeiten. Aber auch von der Neupositionierung des Glacier Express innerhalb der im vergangenen Jahr gegründeten eigenständigen AG versprechen wir uns einiges.

„Wir wollen den Gornergrat weiter als „naturnahen Peak“ ausbauen“. Gornergrat-Bahn mit Riffelsee. Bild: BVZ Holding AG

schweizeraktien.net: Stetig aufwärts, erwarten Sie dies auch vom laufenden und vom kommenden Geschäftsjahr?

Fernando Lehner: Ja, angesichts der starken konjunkturellen Erholung im Euroraum und der insgesamt positiven Wirtschaftsentwicklung in Asien und Nordamerika erwartet die BVZ Gruppe eine stärkere Nachfrage, steigende Buchungszahlen und höhere Erträge für die nähere Zukunft.

schweizeraktien.net: Neue Geschäftsfelder sind nicht in der Pipeline?

Fernando Lehner: Mit den drei touristisch geprägten Geschäftsfeldern Gornergrat, Mobilität und Beteiligungen sowie dem Immobilienbereich sind wir heute schon breit aufgestellt, weshalb es aktuell keine Planungen gibt, noch weitere Segmente zu erschliessen. Unser Fokus liegt eher darauf, die bestehenden Geschäftszweige weiterzuentwickeln. Nehmen wir als Beispiel die Immobilien – mit einem Umsatz von knapp fünf Millionen Franken ist deren Beitrag zum Gesamtertrag im Vergleich zu den anderen Bereichen recht überschaubar, sichert uns jedoch ein Stück weit gegen Schwankungen im Tourismussegment ab. Und auch hier treiben wir das Geschäft weiter voran: Aktuell entsteht unter dem Namen «Central» ein Wohn- und Geschäftshaus am Bahnhof Andermatt, das auf rund 9000 Quadratmetern moderne Wohnungen und Gewerberäume beherbergen wird.

schweizeraktien.net: Die ganze Branche hat lange über die massive Frankenaufwertung geklagt. Ist dieses Problem nun gegessen?

Fernando Lehner: Es wäre falsch zu behaupten, wir hätten das nicht gespürt. Gerade die Anzahl der Reisenden aus dem Euro-Raum ist in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen, aber auch auf die Zahl der Gäste aus Nordamerika hat sich das ausgewirkt. In dieser Phase hat uns sicher der hohe Anteil an Schweizer Kunden geholfen, weiterhin gute Zahlen zu schreiben. Jetzt merken wir aber auch, dass sich die Währungssituation entspannt und die Nachfrage auch aus den davon betroffen Märkten wieder anzieht.

schweizeraktien.net: Im Gegensatz zu Ihnen haben viele Schweizer Touristikunternehmen ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Wo sehen Sie die grössten Versäumnisse?

Fernando Lehner: Ich möchte nicht über andere Unternehmen urteilen. Vielmehr müssen wir uns auf unsere Stärken konzentrieren, um uns im schwierigen touristischen Umfeld zu behaupten.

schweizeraktien.net: Sind Kooperationen mit ausländischen Stationen, wie sie zum Beispiel die Jungfraubahnen eingehen, tatsächlich eine gute Idee?

Fernando Lehner: Kooperationen und Partnerschaften sind sehr wichtig. Dabei muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, welche davon am besten zur strategischen Ausrichtung passen. Wir kooperieren beispielweise mit der taiwanesischen Staatsbahn, der koreanischen Eisenbahngesellschaft Korail und dem japanischen Tourismusunternehmen Fuji Kyoko. Die Partnerschaften bieten uns wertvolle Marketingoptionen in diesen wichtigen Märkten. Zunehmend wichtig wird zudem sein, die Kräfte in Form von Partnerschaften zu bündeln, um dank der entstehenden Synergien die Präsenz in den Auslandsmärkten zu erhöhen. Mit Valais/Wallis Promotion sowie den Destinationen Aletsch Arena, Leukerbad, Saas-Fee, Verbier und Brig-Simplon haben wir im vergangenen Jahr die Vermarktungsorganisation «Matterhorn Region AG» gegründet. Daraus entstehen Win-Win-Konstellationen, wie sie Einzelkämpfer nie erreichen könnten.

schweizeraktien.net: Was genau sind die Eckpunkte Ihrer Strategie?

Fernando Lehner: Für die Strategieperiode 2015-2019 haben wir vier Fokussierungen definiert: Die Aufwertung und den Ausbau des Gornergrats als naturnahen Erlebnisberg, die Nutzung der vorhandenen Immobilien-Potenziale entlang unserer Strecke und die Ertragssteigerung der Liegenschaften; zudem die Zusammenführung der Beteiligungen in einem Geschäftsfeld zur Wahrnehmung unserer Aktionärsinteressen und die Sicherstellung des Service Public zur Anbindung der Regionen.

schweizeraktien.net: An welchen sehr erfolgreichen Unternehmen der Branche orientiert sich die BVZ-Gruppe, was sind Ihre Vorbilder?

Fernando Lehner: Es lohnt sich immer, auch nach links und rechts zu schauen, um zu entdecken, was andere gut machen und daraus zu lernen. Sich dabei auf ein einzelnes Unternehmen zu beschränken, würde das Sichtfeld einschränken. Wir haben den grossen Vorteil, uns aus einer Position der Stärke weiterentwickeln zu können.

schweizeraktien.net: Zählt man alle Ihre langfristigen Grossprojekte zusammen, kommt man auf erkleckliche Summen.

Fernando Lehner: In der Tat: Wir haben Einiges vor in den kommenden Jahren. So wollen wir den Gornergrat weiter als „naturnahen Peak“ ausbauen. Dazu gehört, den aktuellen 24-Minuten-Takt bei der Gornergrat Bahn durch einen 20-Minuten-Takt abzulösen. Hierfür sind Investitionen in die Fahrbahn und in neues Rollmaterial nötig. Zusammen mit den geplanten Neuanschaffungen im Rahmen der Flottenstrategie für den Service Public werden wir bis 2030 voraussichtlich mehr als CHF 370 Millionen in neues Rollmaterial investieren.

schweizeraktien.net: Dann steht noch die Sanierung des Furkatunnels an.

Fernando Lehner: Genau, damit stemmen wir das grösste Infrastrukturprojekt unserer Unternehmensgeschichte mit einem Umfang von rund CHF 200 Millionen. Zu nennen wäre sodann noch das «Central» in Andermatt und die Neupositionierung des Glacier Express. Und das ist nur eine Auswahl der wichtigsten, zukunftsweisenden Projekte.

schweizeraktien.net: Wo hoch ist bei Ihnen der Anteil der Auslandgäste. Was unternehmen Sie, um diesen Anteil zu steigern und insbesondere bei den Asiaten zu punkten?

Fernando Lehner: Der Anteil der Gäste aus dem Ausland beträgt je nach Jahreszeit und Produkt bis zu 50 Prozent, Tendenz steigend. Um mehr ausländische Gäste anzusprechen, haben wir einerseits in den wichtigsten Überseemärkten eigene Repräsentanten für das Key Account Management und die Medienarbeit im Einsatz. Andererseits adaptieren wir die Produkte auf die Bedürfnisse dieser Gäste. Beispielsweise werden Kombiprodukte mit Bahnfahrt, Noodle Soup und Souvenirphoto auf dem Gornergrat im koreanischen Markt stark nachgefragt.

schweizeraktien.net: Thema Digitalisierung: Wie weit ist die Strategie der BVZ in dieser Hinsicht fortgeschritten?

Fernando Lehner: Wir befassen uns schon seit längerer Zeit intensiv mit den Potenzialen und den Auswirkungen der Digitalisierung. Die Digitalstrategie war denn auch das Schwerpunktthema im abgelaufenen Geschäftsjahr. Sie ist in einem gemeinsamen Top-Down- und Bottom-Up-Prozess unter Einbezug von Mitarbeitenden aus allen Unternehmensbereichen entwickelt worden. Unsere Vision definiert die BVZ Gruppe als digital führendes Unternehmen für Erlebnis und Mobilität entlang der Alpen. Ich glaube unser Vorteil ist, dass wir aber nicht bei der Entwicklung einer Vision stehengeblieben sind, sondern zahlreiche und konkrete Einzelmassnahmen definiert haben, von denen einzelne bereits umgesetzt worden sind oder sich aktuell in der Umsetzung befinden.

schweizeraktien.net: Haben Sie hier einige Beispiele?

Fernando Lehner: Seit Anfang 2017 betreiben die Gornergrat Bahn und Siemens Schweiz das weltweit erste Bahnleitsystem in einer Cloud. Und beim Vertrieb haben wir eine Plattform geschaffen, über die der Kunde von der Anreise über das Parking, Billette für Bahnfahrten oder eine sitzplatzgenaue Reservierung im Glacier Express alles aus einer Hand buchen kann. Hier liegen enorme Potenziale – für 2017 hatten wir aus dem Onlineshop Einnahmen in Höhe von CHF 2.5 Millionen budgetiert, tatsächlich waren es am Jahresende bereits CHF 3.7 Millionen. Im laufenden Jahr ist eines unserer Leuchtturmprojekte, die gesamte „digitale Reisekette“ abzubilden und weiter auszubauen.

schweizeraktien.net: Wird es bald selbstfahrende Züge geben?

Es gibt sie bereits. Bislang aber in geschlossenen Systemen wie beispielsweise die Linie M2 der Métro in Lausanne oder die verschiedenen Pendelbahnen in Flughäfen. Ob sich diese Technologien auch in offenen Systemen wie bei uns realisieren lassen, ist offen und wird neben weiteren Fortschritten auch grosse finanzielle Mittel voraussetzen.

schweizeraktien.net: In fünf Jahren feiert die Gornergratbahn das 125-Jahr-Jubläum. Haben Sie schon Ideen, wie das gefeiert werden soll?

Fernando Lehner: Der Gornergrat spielt in unserer Strategie eine wichtige Rolle und birgt noch einige Potenziale. Wir werden sowohl in die Infrastruktur zur Positionierung als naturnahen Erlebnisberg als auch in das Rollmaterial umfangreich investieren. Ich bin sicher, dass wir dann in fünf Jahren ein noch attraktiveres Produkt als heute schon feiern können.

schweizeraktien.net: Herr Lehner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Die Geschäftszahlen der BVZ Holding für 2017 fallen erfreulich aus. Dank dem weiteren deutlichen Plus im Ausflugsverkehr konnte der Gewinn erheblich gesteigert werden. Mit den geplanten Investitionen in die Erweiterung des touristischen Angebots dürfte weiteres Wachstum möglich sein. Aus der Immobiliensparte werden mit dem Abschluss der Bauarbeiten in Andermatt ab 2020 nicht unbeachtliche Mehreinnahmen resultieren, die sich positiv auf die Gewinnentwicklung niederschlagen sollten. Als grundsolide angesehen werden können auch die Bilanzkennzahlen mit einer Eigenmittelquote von 42.3% per Jahresende 2017. Mit den geplanten Investitionen in das Immobilienprojekt von 30 Mio. CHF und das Rollmaterial auf dem Gornergrat von 45 Mio. CHF dürfte sich indessen der Eigenfinanzierungsgrad reduzieren. Wegen der geringen liquiden Mittel werden die Investitionen durch Fremdmittel finanziert. Die Aktien der BVZ sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kurs der Papiere stieg in den letzten Wochen wieder in die Nähe des Höchstkurses aus dem Oktober 2017 an. Die letztbezahlten Kurse lagen bei 735 CHF. Auf diesem Niveau werden die Papiere auf dem Niveau des Buchwerts per 31. Dezember 2017 gehandelt. Als eher tief angesehen werden muss auch im aktuellen Tiefzinsumfeld die Ausschüttungsrendite von 1.9%.

Kommentar verfassen