Im Brennpunkt: Sind Bankaktien fair bewertet?

Strukturwandel, Wettbewerbsintensivierung und Tiefzinsumfeld als Belastungsfaktoren

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An Bankaktien scheiden sich die Geister. Die Bewertungen sind bei kotierten wie ausserbörslich gehandelten Bankaktien oft tief, und gerade das, so finden die Optimisten, begründet das Kurspotenzial. Die Pessimisten sehen darin dagegen die Skepsis widergespiegelt, die angesichts von Overbanking, stagnierendem Neukundengeschäft und der zuletzt doch kommenden Zinswende angemessen erscheint. Welche Konklusionen bleiben nach einem Abwägen der Argumente pro und contra?

Es liegt, um dies vorauszuschicken, ganz wesentlich im Auge des Betrachters, oder Käufers, was eine Bank letztlich wert ist. Dies zeigt sich deutlich in der Übernahme der Bank Cler vor kurzem, über die auf schweizeraktien.net berichtet worden war. Der Übernahmepreis entspricht gerade 75% des ausgewiesenen Buchwertes, also des Nettovermögenswertes der Bank. Von einer Prämie kann in dieser Hinsicht also nicht gesprochen werden. Gleichwohl bezahlte die übernehmende Basler Kantonalbank eine ansehnliche Prämie auf den letzten Aktienpreis vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots. Zu beachten ist auch, dass die Beteiligungsquote schon vor dem Übernahmeangebot bei 75,8% lag, was zwar nicht ungewöhnlich ist, aber dennoch nicht unbedingt der Normalfall in einem Übernahmeszenario ist.

Fallbeispiel Bank-Cler-Übernahme

Als Begründung für die Preisermittlung deutlich unterhalb des Buchwertes wurde von der Basler Kantonalbank angeführt, dass „zumindest ein Teil der Eigenmittel der Bank Cler in einer Form angelegt werden, welche die unterstellten Eigenmittelkosten von 6.5% nicht erzielen.“ Diese Aussage trifft direkt den Nerv der europäischen Bankenindustrie, denn die Eigenkapitalrenditen der Banken sind inzwischen seit Jahren schwach. Laut einer aktuellen Studie sind nur acht der 50 grössten europäischen Banken in der Position, dass sie ihre Kapitalkosten auch verdienen, die anderen, darunter auch CS, UBS, Deutsche Bank und Commerzbank, verdienen die Kapitalkosten nicht! Die Eigenkapitalrendite der Grossbanken liegt laut der zitierten ZEB-Studie bei 7,1% und könnte in den nächsten 4 Jahren auf 4,2% absinken.

Schwache Bankaktien

Die Aktienkurse der meisten grossen Banken liegen auch 10 Jahre nach der Finanzkrise noch bei Bruchteilen ihrer einst erzielten historischen Höchstwerte: CS und UBS bewegen sich aktuell im Bereich von 14 CHF bis 15 CHF im Vergleich zu den Höchstkursen von 86 CHF bei CS und 74 CHF bei UBS, die jeweils 2007 erreicht worden waren. Weniger extrem, aber in der Tendenz gleichgerichtet ist auch die Entwicklung bei den mittelgrossen und kleineren Banken verlaufen.

Kursverlauf der Aktie der Credit Suisse. Quelle: six-swiss-exchange.ch

Gewinnerholung in 2017 dank starker Börsen

In der mittelfristigen Betrachtung sieht die aktuelle Zwischenbilanz nicht so schlecht aus. Viele Schweizer Banken konnten 2017 die Gewinne deutlich steigern. Doch nachhaltig scheint diese Entwicklung nicht zu sein, denn für die guten Ergebnisse sind überwiegend fortgesetzte Kostensenkungen sowie gute Ergebnisse im Anlagegeschäft verantwortlich, die jedoch nahezu vollständig auf die Performance der AuM (verwaltete Anlagegelder von Kunden) zurückzuführen sind und nur zu einem geringen Teil auf neue Kundengelder. Die herausragende Entwicklung der Börsen 2017 lässt sich jedoch nicht auf die Folgejahre hochrechnen. Und Kostensenkungen stossen ab einem gewissen Punkt auch an Grenzen. Nicht zuletzt die weiter verschärfte Regulierung erfordert auch entsprechende Kapazitäten auf Seite der Banken.

Tiefe KBVs bei OTC-X Banken

Was grosse Institute an direkten und indirekten Regulierungskosten noch vergleichsweise gut verkraften können, ist jedoch für kleine Banken zunehmend zu einem existenzbedrohenden Risikofaktor geworden. Dies zeigt sich auch in den Bewertungen. So bewegen sich die Kurs-Buchwert-Verhältnisse (KBV) der ausserbörslich gehandelten Aktien von Regionalbanken nicht selten unter 0.5. Beigefügte Tabelle mit einer repräsentativen Zufallsauswahl von 15 im OTC-X Bankensektor enthaltenen Aktien lässt anhand der aufgeführten analytischen Kennzahlen verschiedene Schlussfolgerungen zu.

Aktie Marktkap. KBV KGV EK-Rendite
Spar- und Leihkasse Frutigen 72 0.6 20.9 2.87%
Bernerland Bank 90 0.71 21.3 3.30%
Bank in Zuzwil 11 0.46 17.2 2.66%
Ersparniskasse Affoltern 21 0.61 28.8 2.13%
Spar + Leihkasse Riggisberg 24 0.44 18.9 2.30%
Spar- und Leihkasse Bucheggberg N 34 0.61 34.1 1.80%
Spar- und Leihkasse Wyningen 14 0.44 18 2.42%
Regiobank Solothurn 206 0.97 27.7 3.48%
Regiobank Männedorf 20 0.75 22 3.40%
Clientis Bank im Thal 11 0.38 15.6 2.41%
Biene Bank im Rheintal 31 0.54 22.4 2.41%
Leihkasse Stammheim 22 0.60 24 2.48%
Clientis Bank Oberaargau 90 0.92 31.3 2.93%
Alpha Rheinthal Bank 173 0.99 22.3 4.44%
BBO Bank Brienz-Oberhasli 21 0.48 51.3 0.93%
CS 37 620 0.73 n.a. -6.30%
UBS 57 670 1.09 11.9 5.88%

Eigenkapital-Rendite berechnet auf Basis des ausgewiesenen Reingewinns. Quelle: BEKB, Zern & Partner, SIX

Kennzahlen ernüchternd

Obwohl es einige Ausnahmen gibt, je geringer Grösse und Marktwert der Bank, umso tiefer fällt das KBV aus – und ebenso die Eigenkapitalrendite. Ähnlich verhält es sich beim zugestandenen KGV, das tendenziell höher ausfällt, wenn auch das KBV hoch ist. Der kritische Punkt ist jedoch die Eigenkapitalrendite. Wenn eine Bank ihre Kapitalkosten dauerhaft nicht hereinholt, hat sie eine schwache Wettbewerbsposition und keine Überlebenschance. In der Konsequenz werden die Eigenkapitalgeber sich aus dem Verlustgeschäft zurückziehen und ihr Kapital besser zu allokieren versuchen.

M&A-Welle lässt auf sich warten

Ein Weg aus dem Dilemma sind Fusionen und Übernahmen, die in aller Regel zu Zusammenlegungen von Verwaltung und Administration führen und somit Effizienzsteigerungen ermöglichen. Gerade bei den Regionalbanken wird seit Jahren über Konsolidierung durch M&A-Transaktionen spekuliert, selbst viele Bankdirektoren rechneten oder rechnen noch immer mit einer Welle von Zusammenschlüssen, doch bisher hat sich im Segment der Regionalbanken noch keine materialisiert. Dies stellt eine Ausnahme in der europäischen Bankenlandschaft dar; die Anzahl der Institute hat sich in den Jahren nach der Finanzkrise um jährlich etwa 3% auf rund 7’250 Banken reduziert.

Erst vergangene Woche hat die LLB anlässlich der Investora 2018 ausgeführt, dass sie nach Bank Linth noch nach weiteren Akquisitionen in der Schweiz Ausschau hält, doch bisher keine Verkaufswilligkeit angetroffen hat. Darin und in der Abwesenheit von M&A in der Schweizer Bankenindustrie generell drückt sich aus, dass es wohl Kaufwillige gibt, aber niemand bei den tiefen Bewertungen verkaufen will.

Sonderstellung der Regionalbanken

Natürlich sind die Regionalbanken in einer besonderen Position, da ihre Kunden in aller Regel den Grossteil des Aktionariats bilden. Zu den wichtigsten Zielen der Aktionäre, so die Ergebnisse der jährlichen Regionalbank-Umfrage von Zern & Partner, zählt die Sicherstellung der Versorgung mit Bankdienstleistungen in der Region, weswegen auch Abschläge bei der Rendite hingenommen werden.

Digitale Angreifer wollen Marktanteile gewinnen

Doch der Strukturwandel macht auch vor den Schweizer Bergtälern nicht halt. Es ist unwahrscheinlich, dass übergeordnete Trends wie die Migration von Teilen der Kundschaft zu Digitalbanken die Einflusssphäre der Regionalbanken aussparen. Während noch 2008 zwei Drittel der Aktiva im europäischen Finanzsektor auf Banken entfielen, sind es heute nur noch 37%!

Sind Bankaktien Value Investments?

Trotz allem gibt es auch Optimisten, die gerade wegen der schwachen Entwicklung von Bankaktien und der erreichten tiefen Bewertungen Value finden. Die Gewinne erholen sich, und höhere Zinsen am Horizont werden zu besseren Zinsmargen führen, so die Argumente. Mit Blick auf die Schweizer Regionalbanken ist es schwierig, Gründe für einen nachhaltigen Anstieg der Aktien auszumachen, denn die schwachen Eigenkapitalrenditen von 1% bis 3,5% schrecken ab.

Ausnahmen

Kursverlauf der acrevis-Aktie. Quelle: moneynet.ch

Es gibt jedoch auch auf OTC-X gehandelte Aktien, die eine andere Geschichte erzählen. So ragt die acrevis Bank bei der Performance weit heraus, offensichtlich macht das Management einiges richtig. Bei dieser Aktie liegt das KBV bei 1,23 und damit weit über dem Durchschnitt. Der Marktwert liegt mit 500 Mio. CHF höher. Auch die WIR Bank mit 447 Mio. Marktwert hat langfristig akzeptabel performt, das KBV liegt bei 1. Regiobank Solothurn ist ebenfalls in der langfristigen Betrachtung eine Aktie mit beträchtlicher Wertsteigerung.

Trend is no friend

Global betrachtet sprechen die aktuellen Trends gegen ein Engagement bei europäischen Banken. Die Anleger reduzieren generell den Aktienanteil aus Furcht vor schwächeren Wachstumsraten und einer Eskalation des Handelsstreits. Ebenfalls geringer gewichtet wird Europa als Region, die Anlagegelder fliessen nahezu überwiegend in die US-Märkte. Und die am wenigsten beliebten Sektoren werden von Finanzwerten angeführt. Möglich ist eine Änderung in der Grosswetterlage, doch sehr wahrscheinlich scheint es nicht, dass sich nun plötzlich alle drei skizzierten Trends umkehren. Aktionäre von Banken werden wohl weiterhin auf die Geduldsprobe gestellt.

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