Von Finck: Wie die adligen Milliardäre ihr Vermögen aus Deutschland in die Schweiz brachten

Welinvest, Von Roll, Degussa Goldhandel - was passiert mit den Beteiligungen der Familie von Finck?

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Vor einem Jahr verstarb mit Baron August von Finck einer der reichsten Männer der Schweiz. Er hinterliess ein Vermögen von 9 Milliarden, das im Lauf der Zeit von Deutschland vor allem in Schweizer Beteiligungen gewandert ist. Die Investitionen in Konzerne gehören aber der Vergangenheit an, heute lässt sich das Geld nicht mehr so einfach aufspüren.

August von Finck Jr. wurde am 11. März 1930 als Sohn des Bankiers August von Finck (Senior) in München geboren. Er war das mittlere von drei Kindern aus dessen erster Ehe. Die Dynastie der Fincks geht auf seinen Grossvater Wilhelm Finck zurück. Dieser betrieb im hessischen Bad Vilbel den Kolonialwarenhandel Finck & Schäfer. Im Jahr 1870 wechselte Wilhelm Finck zum Bankhaus Merck, Christian & Co. nach München. Nur neun Jahre später erfolgte die Umfirmierung in Merck, Finck & Co. Den erblichen Adelstitel erhielt Wilhelm von Finck im Jahr 1911.

Verkauf von Stahlwerken

August Junior wäre angeblich gerne Landwirt geworden, doch der Vater drängte ihn ins Bankfach. Anfangs betreute er vor allem den umfassenden Beteiligungsbesitz der Bank und orchestrierte etwa den Verkauf der Edelstahlwerke Witten und der Stahlwerke Südwestfalen in den 70er-Jahren. Die Familie kaufte sich einen grossen Grundbesitz im Umland der Stadt München, der später mit hohem Gewinn veräussert wurde. Nach dem Tod seines Vaters im April 1980 wurde August Finck Jr. der Vorsitzende der geschäftsführenden Mitinhaber der Familienbank.

Die Familie von Finck erachtete wegen des starken Wachstums der Bank die persönliche Haftung für die Kreditrisiken als grosse Belastung. Auch angesichts der Herausforderungen durch den kommenden EU-Binnenmarkt verkaufte die Familie das Bankhaus. August von Finck Jr. baute sich mit dem Verkaufserlös ein Netz von Beteiligungen auf. Dabei rückte die Schweiz in seinen Fokus. Die Familienholding übernahm 1991 für 135 Mio. CHF 50,6% der Stimmrechte an der Mövenpick Holding – diese wurde später weiter aufgestockt. Hinzu kamen eher kurzfristige Beteiligungen an Alusuisse-Lonza und Oerlikon-Bührle. Länger engagierte sich die Familie am Warenprüfungs- und Zertifizierungsunternehmen SGS sowie am Von-Roll-Konzern. Mit der Gründung der Bank von Roll kehrte von Finck 2009 ins Bankgeschäft zurück. Im folgenden Jahr wurden die Namensrechte am Edelmetallhändler Degussa erworben – unter dem Namen Degussa Goldhandel entstand ein Spezialist für Kapitalanlagen in Edelmetallen.

Auf dem Schloss im Thurgau

Bereits vor dem Vermögen zog es die Familie in die Schweiz. Ende 1971 erwarb August Senior das Schloss Weinfelden für 340’000 CHF. Die hohen Renovierungs- und Unterhaltskosten für das Anwesen mit 26 Zimmern und 60’000 Quadratmetern Umschwung hatten zuvor zahlreiche potenzielle Käufer abgeschreckt. Treiber für die Flucht aus Deutschland soll bei August Senior die panische Angst vor der linksextremen Terrororganisation RAF gewesen sein. Als schwerreicher Bankier und ehemaliger Financier von Hitlers NSDAP entsprach er dem Beuteschema der Terrororganisation. Die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte auch August Junior mit seiner Gemahlin Francine grösstenteils in der Schweiz. Das Paar hat vier Kinder: August François (geb. 1968), Maximilian Rudolf (1969), Luitpold Ferdinand (1971) und Marie-Thérèse (1975). Die Kinder sind alle in Aufsichtsgremien der Von-Finck-Beteiligungen aktiv.

Die Thurgauer Gemeinde Weinfelden liess sich nie entlocken, wie viel die schwerreiche Familie versteuerte. August Finck rangierte mit einem Vermögen von 8,7 Milliarden auf Platz 269 in der Forbes-Rangliste der reichsten Personen der Welt. Eventuell wurde der Deutsche pauschal und ein Teil seiner Firmengruppe in Deutschland besteuert. Der Todesort London deutet darauf hin, dass der Multimilliardär eventuell weitere Steuersitze hatte.

Die Familie von Finck betrieb ihre Investment-Geschäfte in der Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten zwar weiter – doch meistens unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit. Man hatte in Deutschland gelernt, dass weniger Publizität auch weniger Kritiker auf den Plan rief. Im April 2020 überraschte von Finck den Markt, als er 960’000 SGS-Aktien oder 12,7% des Kapitals für 2,3 Mrd. CHF verkaufte. Bereits 12 Jahre zuvor hatte die Familie den Anteil am Warenprüfungskonzern von 25 auf 15% reduziert. Man vermutete, dass dieser Verkauf erfolgte, um die Erbteilung zu erleichtern. Bereits 2018 kaufte die französische Accor SA das Hotelgeschäft, das Mövenpick gemeinsam mit der Kingdom Holding Co. des saudischen Prinzen Alwaleed bin Talal besass, für rund 570 Mio. USD.

Zweimal Von Roll

Doch nicht immer war das Engagement der deutschen Barone in der Schweiz vom Erfolg gekrönt. Verdruss bereitete lange der Name «Von Roll». Im Jahr 2007 stieg die Familie beim angeschlagenen Stahlkonzern Von Roll ein. Von Fincks übernahmen zuerst 31% des Unternehmens, dass in den 90er-Jahren brilliert hatte und seither schrumpfte. Im nächsten Jahr baute die Familie ihren Anteil auf über 60% aus. Von Roll versuchte im folgenden Jahrzehnt, in neue Geschäftsfelder vorzustossen, etwa Solar – ohne Erfolg. Doch in den vergangenen Jahren begann die Neuausrichtung Früchte zu tragen. Eine schlankere, effizient aufgestellte Von Roll fokussiert sich auf Isolations- und Verbundmaterialien für die Energie-, Automobil- und E-Mobility-Industrien. Mittlerweile ist der Besitzanteil der von Fincks auf knapp über 80% angewachsen. Im laufenden Jahr dürfte sich der Umsatz auf rund 240 Mio. CHF belaufen und auch ein Gewinn anfallen. In den Jahren 2016 bis 2020 resultierten bei höhren Umsätzen nur kleine Überschüsse oder gar Verluste. Im vergangenen Geschäftsjahr fiel aus Einnahmen von 219 Mio. CHF ein Gewinn von 22 Mio. CHF an.

Zu einem ungünstigen Zeitpunkt nahm die Von-Roll-Privatbank ihre Geschäftstätigkeit auf. Im Jahr 2009 erreichte die Finanzkrise ihren Höhepunkt, und das Schweizer Bankkundengeheimnis bröckelte bereits stark. Die Privatbank war stark mit dem Von-Roll-Aktionariat verbunden. Die Aktionäre des Industriekonzerns erhielten Bezugsrechte für Aktien der neuen Bank. Doch in den ersten drei Jahren schrieb die Privatbank nur rote Zahlen. Im Jahre 2015 unterbreitete der Mehrheitsaktionär und Verwaltungsratspräsident Von Finck den Minderheitsaktionären ein Rückkaufsangebot über 1000 CHF pro Aktie. Das entsprach genau dem Emissionspreis der Titel. Allerdings werden die Aktien, wenn auch sehr selten, heute noch ausserbörslich auf OTC-X gehandelt.

Francine von Finck, Luitpold von Finck
Der Goldhandel spielt für die Bankiersfamilie eine wichtige Rolle. Bild: www.degussa-goldhandel.ch

Degussa Goldhandel wurde 2010 in Cham gegründet. Mit der im Jahr 1873 gegründeten Degussa, der deutschen Gold- und Silber-Scheide-Anstalt, besteht ausser dem Namensrecht, das die Familie von Finck für 2 Mio. EUR erwarb, keine Verbindung. Die Degussa Goldhandel lässt ihre Barren unter anderem bei der Schweizer Scheideanstalt Valcambi produzieren. Die Familie von Finck kauften in den Jahren 2013 und 2014 mehrere Edelmetallhändler und integrierten sie ins eigene Unternehmen. Dieses schrieb jedoch jahrelang Verluste und lebte von Zuschüssen der Besitzer-Familie. Im September 2019 wurde Markus Krall neuer CEO und Sprecher der Geschäftsführung. Ende November 2022 stellte das Unternehmen Krall mit sofortiger Wirkung frei. Er war bekannt für Crash-Prophezeiungen und rechte politische Positionen. Krall war noch vom Vater August von Finck Jr. angestellt worden, der neue VR-Präsiden François von Finck exponierte sich politisch weniger als sein Vater. Krall warb öffentlich für die AfD, zweifelte den menschengemachten Klimawandel an und kritisierte die Europäische Zentralbank wegen ihrer Niedrigzinspolitik als «Maschinenraum des Völkerselbstmordes».

Ein neuer Favorit

François dürfte in den vergangenen Jahren zum Favoriten als Nachfolger für die Führung des Familienimperiums aufgestiegen sein. Lang galt der jüngste Sohn Luitpold als Favorit des Vaters – die drei Geschwister standen in der zweiten Reihe. Doch Handelsregistereinträge im Jahr 2021 deuteten an, dass Luitpold die Gunst des Vaters verloren hatte. Gemäss Gerüchten hat den konservativen Vater die Frauenwahl des Jüngsten verärgert – seine Ehepartnerin stammt aus Nigeria. François wurde im vergangenen Jahr in den Verwaltungsrat der Goldhandelsfirma Degussa berufen und ersetzte im Verwaltungsrat der Familienholding Clair in Cham Luitpold. Der Zweck der Holding in Cham sind gemäss Handelsregister Finanzierungen aller Art und der Erwerb von Liegenschaften.

Etwas mehr erfährt man von den Beteiligungsgesellschaften der Familie, deren Aktien zum Teil ausserbörslich gehandelt wurden oder werden. In den vergangenen Jahren zeigte sich ein Muster: Immobilienanlagen wurden zugunsten von Wertschriftenanlagen aufgelöst und hohe Ausschüttungen getätigt, von denen vor allem die Mehrheitsaktionäre – die Familie von Finck profitierte. So hat die Basler Welinvest im vergangenen Geschäftsjahr, das jeweils in der Mitte des Kalenderjahres endet, Immobilien für 80 Mio. CHF abgestossen, da es sich dabei um «überbewerteten Liegenschaften» in der Stadt Basel gehandelt habe. Vom ehemals stolzen Immobilienbesitz ist bei Welinvest nur noch wenig übrig: Zehn der verbliebenen 16 Immobilien in Basel-Stadt sind im abgelaufenen Geschäftsjahr verkauft worden. Obwohl aus der Betriebstätigkeit ein kleiner Verlust resultierte, schüttete Welinvest 32 Mio. CHF oder 800 CHF je Aktie an Dividenden aus, im Vorjahr waren es 350 CHF gewesen. Das Aktienkapital von 2 Mio. CHF ist in 40’000 Namenaktien aufgeteilt und ist unter 507 Aktionäre aufgeteilt. Die Mehrheit liegt bei der Familie von Finck.

Francine von Finck, Luitpold von Finck
Nur noch die Erinnerung an das Sonotol Ouchy bleibt den Aktionären. Quelle: zvg

Eine weitere «Dividendenperle» im Mehrheitsbesitz der von Fincks war die Claretta Holding AG. Nachdem die früher unter Sonotel Ouchy SA firmierende Gesellschaft das Mövenpick-Hotel in Lausanne-Ouchy zu einem guten Preis verkauft hat, betätigte sich das Unternehmen in Wertschriftenanlagen. Doch im Geschäftsjahr 2021 kam es zur Liquidation, die Beteiligungsgesellschaft verkaufte das Aktienportfolio mit den Positionen BASF, Royal Dutch Shell und Allianz vollständig über die Börse. Die Aktionäre partizipierten an den Veräusserungsgewinnen von 5.3 Mio. CHF mit einer Liquidationsdividende von 2’800 CHF je Aktie.

Politisch klar rechts orientiert  

Bei August von Finck Senior stellt sich diese Frage nicht. Er war Hitler-Unterstützer und einer der Financiers der Nationalsozialisten. Immer wieder brachten viele Medien auch August Junior in Verbindung mit rechtem Gedankengut. Jahrelang unterstützte er die bayrische CSU finanziell, dessen 1988 verstorbenem Übervater Franz Josef Strauss er nahestand. Im Jahr 2003 förderte er die Institution «Bürgerkonvent» des Publizisten Meinhard Miegel, und 2009 stellte er der FDP eine Parteispende über 1.1 Mio. EUR aus. Diese Gabe wurde für die FDP zu grossem Ballast, denn sie hatte einen faden Beigeschmack. Auf Druck der Freien Demokraten wurde in den damaligen Koalitionsverhandlungen mit der CDU eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen von 19 auf 7% vereinbart. Dies war ein Milliardengeschenk für die Hotellerie, von der auch von Fincks Mövenpick-Hotels profitierten. Ab 2018 gab es mehrere Berichte, wonach von Finck über seinen Bevollmächtigten Ernst Knut Stahl über mehrere Jahre die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) unterstützt haben soll.

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