Thomas Huber (1966) ist seit 2017 CEO der SKAN Group AG. Davor war er bereits während 19 Jahren in Management- und Verkaufsfunktionen für das Unternehmen tätig. Er ist Master of Science in Electrical Engineering der ETH Zürich und absolvierte die Advanced Management Programme der HSG und an der INSEAD. Bild: zVg
Die Aktien des Weltmarktführers in der Isolatoren-Technologie sind im Oktober zwei Jahre an der Börse. Die Bilanz für Erstzeichner fällt positiv aus. Der aktuelle Kurs um 80 CHF liegt deutlich über dem Zuteilungspreis von 54 CHF. Das Unternehmen wächst schnell, steigert die Gewinnmarge und hat die Erwartungen der Investoren voll erfüllt. Die SKAN Holding hebt sich damit am Aktienmarkt deutlich ab. Schweizeraktien.net fragt bei CEO Thomas Huber zu aktuellen und relevanten Punkten nach: Welche Rolle spielen Contract-Manufacturing-Unternehmen? Was ist «Cryogenic Storage»? Welchen Umsatzanteil wird das margenstarke Service-Geschäft in einigen Jahren haben? Und wie trägt SKAN zu einer besseren Klimabilanz bei?
Herr Huber, seit unserem letzten Interview im Januar 2022 hat die SKAN-Aktie ein Tief von 50 CHF und ein Hoch von 87.50 CHF gesehen. Per Saldo ist der Kurs in den 19 Monaten fast unverändert. Doch auf operativer Ebene hat sich viel getan. Gegenüber damals ist die Anzahl der installierten Isolatoren um 25% auf rund 1000 gestiegen. Wie würden Sie die Unternehmensentwicklung der vergangenen anderthalb Jahre zusammenfassen?
Die SKAN Gruppe hat sich in diesen anderthalb Jahren sehr gut entwickelt. Wir haben unsere Wachstumsziele erreicht und konnten unsere Marktposition behaupten respektive sogar nochmals ausbauen.
Im ersten Halbjahr 2023 setzte sich das rasche Wachstumstempo fort. Der Umsatz stieg um 15,6%, das EBITDA um 74,1% und der Mitarbeiterstand um 97 auf 1269. Für das zweite Halbjahr zeichnet sich eine Beschleunigung ab. Was können die Aktionäre für das Gesamtjahr 2023 erwarten?
Wie wir bereits kommuniziert haben, gehen wir auch im Jahr 2023 davon aus, dass wir unsere Guidance wieder erreichen werden.
Im Gegensatz zu den meisten Unternehmen hat SKAN kaum unter den Marktverwerfungen der jüngeren Vergangenheit zu leiden gehabt. Wie machen Sie das?
Über das grundlegende Wachstum der bio-pharmazeutischen Industrie hinaus profitieren wir vom Trend hin zu mehr injizierbaren Medikamenten. Im Jahr 2005 waren die 20 wichtigsten Blockbuster-Medikamente alle Tabletten, heute werden 60% in injizierbarer Form verabreicht, und wenn wir die Entwicklungspipelines unserer Kunden anschauen, werden es in einigen Jahren 75% sein. Für zusätzlichen Schub sorgen ausserordentliche Wellen wie Covid in den vergangenen Jahren oder aktuell der Reshoring-Trend und die GLP1-Medikamente.
In der Präsentation der Ergebnisse sagten Sie, dass der Marktanteil am High-End bei 50% bis 60% liegt? Was können Sie über die aktuelle Wettbewerbssituation sagen?
Die Wettbewerber in diesem High-End-Segment sind seit Jahren die gleichen. Die Eintrittsbarrieren für neue Anbieter sind sehr hoch. Aus diesem Grund sehen wir kaum neue Wettbewerber.
Sie sagten, dass zwischenzeitlich fünf zugelassene Bio-Pharmazeutika mit der Closed-Vial-Technologie Ihrer belgischen 85%-Tochter Aseptic Technologies abgefüllt werden und dass weitere 400 in der Zulassungs- und Entwicklungs-Pipeline sind. Können Sie das für unsere Leser bitte präzisieren und in für Aktionäre relevante Zahlen übersetzen?
Mit der Closed-Vial-Technologie verkaufen wir ein Primärpackmittel, also ein Packmittel, das direkten Kontakt mit dem Medikament hat. Deshalb müssen die Kunden die Stabilitätstests für ihre Medikamente über die verschiedenen klinischen Phasen in diesem Packmittel machen. Rein statistisch schaffen nur wenige Produkte tatsächlich die Schwelle zur Kommerzialisierung, und dies kann viele Jahre dauern. Entsprechend wichtig ist es, dass wir viele – aktuell eben rund 400 – Produkte in den verschiedenen klinischen Phasen haben und damit die Chancen erhöhen, dass es auch einige am Ende wirklich schaffen. Jedes Produkt, das auf den Markt kommt, steigert den Verkauf von Vials und damit das Volumen unseres Services&Consumables-Geschäfts. Und derzeit stehen die Chancen gut, dass bis Ende Jahr weitere Produkte auf den Markt kommen werden.
Zu den Wachstumstreibern zählt, dass rund drei Viertel der neuen Bio-Pharmazeutika wie Hormonpräparate, Krebsmedikamente oder Gen- und Zelltherapien injiziert werden müssen, hitzeempfindlich sind und deshalb unter aseptischen oder aseptisch-toxischen Bedingungen produziert, verarbeitet und verpackt werden müssen. Dazu getreten ist jetzt aber auch das Reshoring als relativ neuer Trend. Was können Sie dazu sagen?
Reshoring sorgt dafür, dass dieses Wachstum auch tatsächlich im Westen, das heisst in Westeuropa und Nordamerika, stattfindet. Im Westen sind wir klarer Marktführer. In Asien sind wir nur in Ländern mit hohem medizinischem Standard wie Japan, Südkorea und Singapur aktiv und bedienen in den anderen Ländern nur die Spitze des Eisbergs, nämlich Pharma-Unternehmen, die ihre Produkte in den Westen exportieren wollen.
SKAN hat über 1000 aktive Kunden, darunter die meisten grossen Pharma- und Biotech-Unternehmen. Sie sagen, dass es viele Folgeaufträge gibt, die dem Standard der Erstaufträge folgen, was «econonomies of scale» bringen sollte. Was heisst das für Ihre Margen?
Aseptische Abfüllprozesse sind heute immer noch sehr spezifisch, das heisst, die Anlagen sind fast immer unterschiedlich. Das gilt auch für Folgeaufträge. Somit haben Folgeaufträge ein ähnliches Margenprofil wie Erstaufträge.
Die Margen sind ja im Services & Consumables-Segment sehr viel höher als bei den Anlagen, gleichzeitig wächst der Kundenbestand mit jedem neu installierten Isolator. Wo könnte sich der Umsatzanteil von aktuell 25% in fünf Jahren bewegen, und wie werden die Margen von SKAN dann aussehen?
Wir verfolgen klar die Strategie, den Anteil von Services & Consumables weiter auszubauen – nicht nur durch die wachsende installierte Basis, sondern insbesondere auch durch die neuen Initiativen wie «Pre-Approved Services». Noch nicht in fünf Jahren, aber längerfristig soll Services & Consumables einen Umsatzanteil von 50% erreichen. Dadurch werden sich natürlich auch die Margen von SKAN nach oben bewegen.
Sie prognostizieren dem Markt der aseptischen Produktion ein jährliches Wachstum von 11,3% auf 2.3 Mrd. Euro in 2026, wovon 1.5 Mrd. Euro auf das High-End entfallen sollen. Einige Wachstumstreiber haben wir schon angesprochen. Welche Rolle spielen Contract Manufacturing Unternehmen wie Lonza, Siegfried und Catalent?
Die Contract-Manufacturing-Unternehmen machen heute etwa die Hälfte der Projekte bei uns aus. Zurückzuführen ist dies auf den Trend, dass die grossen Pharmafirmen die Produktion auch für hochpreisige Medikamente immer mehr an Lohnhersteller auslagern.
In der Präsentation liessen Sie wissen, dass in den vergangenen neun Jahren 86% des Geschäftsvolumens auf die Top 50 Kunden entfallen. Bisher gibt es keine ungesunde Konzentration, könnte sich das mit den neuen Diabetes- und Adipositas-Therapeutika Ihrer Kunden Novo-Nordisk, Eli Lilly und Roche nicht ändern?
Davon gehen wir nicht aus. Gegenwärtig haben mehrere andere Firmen GLP-1-Produkte in den verschiedenen klinischen Phasen. Entsprechend dürften in Zukunft auch bei diesen Produkten viele unserer Kunden involviert sein.
Sprechen wir noch über das spannende Feld der «Cryogenic Storage» von aseptisch abgefüllten Bio-Pharmazeutika. Ein Segen für Patienten und ein weiterer Burggraben für den Wettbewerb, kälter als Eis?
Cryogenic Storage bedeutet das Einfrieren in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius. Bei einigen Arzneimitteln ist das zwingend notwendig, um lebende Zellen haltbar zu machen. Unser Closed Vial eignet sich besonders gut dafür, da es auch unter diesen extremen Bedingungen dicht bleibt und nicht bricht.
Was sagen eigentlich die Wettbewerbshüter wie Kartell- und Monopolbehörden zur dominierenden Stellung von SKAN?
Wir haben diese Marktstellung aus eigener Kraft erreicht, ohne Wettbewerber zu übernehmen, und unsere Technologieführerschaft beruht in erster Linie auf Expertise und weniger auf Patentschutz. Ich sehe nichts, wogegen die Wettbewerbshüter etwas einzuwenden haben könnten. Sie haben sich im Übrigen auch noch nie gemeldet.
Was können oder dürfen Sie zu dem Sachverhalt und den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft sagen?
Die Untersuchung der Bundesanwaltschaft ist weiterhin am Laufen. Sobald sich Erkenntnisse ergeben, wird SKAN selbstverständlich informieren. Wichtig ist: Die Untersuchung betrifft nur Privatpersonen und nicht die SKAN Gruppe und hat keinen Einfluss auf unser Geschäft.
Die EBITDA-Marge erreichte im ersten Semester 2023 den Rekordwert von 14,5%. Wie lauten Ihre Mittelfrist-Ziele. Was dürfen die Aktionäre erwarten?
Unser kommuniziertes Mittelfristziel ist eine EBITDA-Marge im oberen Zehnprozentbereich. Über den mittelfristigen Zeitraum hinaus sehen wir Potenzial für eine weitere Steigerung. Treiber dafür sind ein höherer Standardisierungsgrad unserer Anlagen, höhere Verkaufsvolumina bei Consumables wie Closed Vials, unser «Pre-Approved-Services»-Geschäft, das ab 2026 Umsatz und eine attraktive Marge liefern wird, sowie das generell grössere Gewicht des Segments «Services & Consumables».
Wie würden Sie Ihre Bemühungen um und Ihre Fortschritte in der Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit insgesamt seit dem IPO zusammenfassen?
Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit sind wichtige Themen für SKAN. Unsere Produkte ermöglichen es, potenziell lebensrettende Medikamente sicher abzufüllen. Unsere Isolatoren senken den Energieverbrauch im Vergleich zu konventionellen Reinräumen um das 10- bis 20-fache und tragen somit zur Dekarbonisierung bei. Gleichzeitig handelt die SKAN Gruppe selbst nachhaltig, indem sie negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Umwelt minimiert und ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden wahrnimmt. Wir haben zum Beispiel den Stromverbrauch am Hauptsitz gegenüber dem Vorjahr um 20% senken können, und wir investieren viel in Dezentralisierung und setzen Augmented-Reality-Lösungen ein, um Flugreisen zu minimieren. Diversity heisst für uns auch, Menschen mit Beeinträchtigungen zu beschäftigen. Diese Mitarbeitenden leisten einen wichtigen Beitrag zur vielfältigen Arbeitskultur bei SKAN.
Vielen Dank für die informativen Antworten, Herr Huber.